Bundesregierung, Frauen

Berlin - Deutschland verfehlt weiter seine eigenen Ziele beim Schutz von Frauen vor Gewalt.

17.11.2025 - 09:05:00

Deutschland hinkt beim Schutz von Frauen weiter hinterher / Zonta mahnt nach Staatenbericht der Bundesregierung: Istanbul-Konvention endlich vollständig umsetzen. Das zeigt der aktuelle Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, den die Bundesregierung der Expertengruppe des Europarats GREVIO im Oktober 2025 vorgelegt hat. Trotz Gewalthilfegesetz, Beratungsstellen und Förderprogrammen bleiben Schutzräume knapp, Prävention unterfinanziert, und arbeiten Bund, Länder und Ressorts nicht ausreichend zusammen.

Mit Inkrafttreten der Istanbul-Konvention am 1. Februar 2018 hat sich Deutschland rechtsverbindlich verpflichtet, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, Betroffene zu schützen und Täter konsequent zu verfolgen. Der GREVIO im Herbst vorgelegte Staatenbericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zeigt deutlich: Deutschland kommt weiterhin wesentlichen Vorgaben des völkerrechtlichen Vertrages nicht nach. Erst im Februar 2025 wurde im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend die vertraglich geforderte Koordinierungsstelle eingerichtet. Doch noch ist diese weit von der verlangten ressortübergreifenden Steuerung entfernt, die eine systematische Umsetzung ermöglichen würde.

Wir haben einen Flickenteppich

Weiterhin fehlen ein flächendeckendes Schutzangebot und eine belastbare Datengrundlage. Auch gibt es bis heute keine funktionsfähige Präventionsarchitektur - ein weiterer wichtiger Baustein, den das Übereinkommen ausdrücklich fordert. "Gewalt gegen Frauen von vornherein zu verhindern, muss oberstes Ziel sein. Es gibt herausragende Initiativen und Projekte, aber anstelle von koordinierten Maßnahmen und eines zwischen den Bundesländern abgestimmten Vorgehens haben wir nur einen Flickenteppich", stellt Susanne von Bassewitz, Advocacy Beauftragte der Union deutscher Zonta Clubs (Zonta International Germany), fest.

Lücke zwischen Anspruch und Realität wächst

Deutlich werden diese Defizite auch bei der Umsetzung des neuen Gewalthilfegesetzes. Der hier verankerte Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung ist ein überfälliger Schritt - doch er greift erst 2032 und nicht für alle Frauen gleichermaßen. Für Frauen mit Behinderung und Migrantinnen mit unsicherem Aufenthaltsstatus bleibt der Zugang weiterhin erschwert.

Die Lücke zwischen Anspruch und Realität wächst - mit dramatischen Folgen für Betroffene und erheblichen Belastungen für die Gesellschaft. Laut Frauenhauskoordinierung e. V. fehlen bundesweit über 14.000 Schutzplätze, vor allem in ländlichen Regionen. "Deutschland darf sich mit halben Lösungen nicht länger zufriedengeben", sagt Antje Buch, Präsidentin der Union deutscher Zonta Clubs. "Gewalt gegen Frauen zerstört nicht nur Leben, sondern gefährdet die sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen, auf denen demokratische Stabilität beruht. Wir brauchen entschlossenes Handeln - jetzt."

Zonta fordert zügige Umsetzung sowie gezielten Ausbau von Präventionsmaßnahmen und Täterarbeit

An der Seite von Interventionsstellen, Schutzeinrichtungen sowie zahlreichen Frauen- und Männer-NGOs fordert Zonta die schnelle Umsetzung des Gewalthilfegesetzes, auch im Bereich Schutz und Prävention. Hier braucht es ebenfalls eine verlässliche Finanzierung und verbindliche Ziele. Gewaltprävention müsse früh ansetzen: in den Kitas, in den Lehrplänen der Schulen, in der Ausbildung und Weiterbildung von Lehrkräften sowie in den Justiz- und Gesundheitsberufen. Auch digitale Gewalt erfordere entschlossene Gegenmaßnahmen. Täterarbeit und -beratung seien dabei ein zentraler Bestandteil nachhaltiger Prävention.

Deutschland hat ein Gewaltproblem

Schon für 2023 hatte das Bundeskriminalamt (BKA) mit 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr einen deutlichen Anstieg häuslicher Gewalt verzeichnet. Nach Angaben der Frauenhauskoordinierung e. V. setzte sich der Trend 2024 fort: Medienberichte deuten auf einen erneuten Anstieg um 3,8 Prozent hin. "Wir haben ein Gewaltproblem - es geht nicht nur um einzelne Täter, sondern um ein System, das Gewalt gegen Frauen zulässt und ihr viel zu wenig entgegensetzt", so Antje Buch weiter.

Geschlechtsbezogene Gewalt hat längst alle gesellschaftlichen Bereiche erreicht - bis in die demokratische Debatte hinein. Einer aktuellen Studie der HateAid gGmbH und der Technischen Universität München zufolge haben 63 Prozent der politisch engagierten Frauen in Deutschland bereits digitale Gewalt erlebt - etwa in Form von Beleidigungen, sexualisierten Bedrohungen oder gezielten Hasskampagnen.

Der unterschätzte Faktor

Die ökonomischen Folgen sind massiv: Laut dem European Institute for Gender Equality (EIGE) entstehen in der EU jedes Jahr Kosten von rund 366 Milliarden Euro durch geschlechtsspezifische Gewalt, davon entfallen etwa 80 Prozent auf Gewalt gegen Frauen. Für Deutschland entspricht das einem Schaden von über 45 Milliarden Euro jährlich - durch Gesundheitskosten, Arbeitsausfälle und verlorene Produktivität. Gewalt gegen Frauen ist damit nicht nur ein Menschenrechtsverstoß, sondern ein Risiko für die wirtschaftliche Stabilität und gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit des Landes.

Mehr zur diesjährigen Zonta Says No-Kampagne in Deutschland erfahren Sie hier.

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Karin Lange
Pressesprecherin der Union deutscher Zonta Clubs (Zonta International
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