Dienst, Gehalt

Öffentlicher Dienst: 7 Prozent mehr Gehalt gefordert

22.11.2025 - 01:20:11

Eine bewegte Woche für die Arbeitnehmervertretung in Deutschland geht zu Ende. Während die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ihre Forderungen für die kommende Tarifrunde der Länder offiziell auf den Tisch gelegt haben, sorgt ein wegweisendes Urteil im kirchlichen Arbeitsrecht für heftige Debatten. Gleichzeitig mobilisieren Betriebsräte gegen den massiven Stellenabbau beim Nutzfahrzeughersteller MAN.

Die wichtigste Frage: Wie viel Macht haben Arbeitnehmervertretungen im Jahr 2025 wirklich – und wo stoßen sie an ihre Grenzen?

Am 17. November präsentierten die großen Gewerkschaften – darunter ver.di, der Deutsche Beamtenbund (dbb) und die GEW – eine geschlossene Front. Ihre Forderung für die rund 1,2 Millionen Tarifbeschäftigten der Länder: 7 Prozent mehr Gehalt.

Die Gewerkschaften haben dabei eine klare Untergrenze gesetzt: mindestens 300 Euro monatlich, um besonders Geringverdiener zu entlasten, die unter der anhaltenden Inflation leiden. Für Auszubildende und Praktikanten fordern sie pauschal 200 Euro mehr.

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„Wir brauchen faire Einkommen für alle. Der öffentliche Dienst muss attraktiv bleiben, sonst droht ein Personalkollaps”, erklärte dbb-Bundesvorsitzender Volker Geyer diese Woche in Berlin. Die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) beginnen am 3. Dezember.

Doch bereits vor dem offiziellen Auftakt zeichnet sich ein Konflikt ab. Die bayerische Staatsregierung kündigte an, ein mögliches Tarifergebnis für ihre Beamten erst mit sechsmonatiger Verzögerung zu übernehmen. Der Bayerische Beamtenbund (BBB) und der dbb verurteilten dies scharf als „kontraproduktives und demotivierendes Signal”, das die Belegschaft spalte.

Kirchliches Arbeitsrecht: Streikverbot vor Gericht bestätigt

Eine brisante Entwicklung gab es im Bereich der Mitarbeitervertretung (MAV): Der „Dritte Weg” – das besondere kirchliche Arbeitsrechtssystem, das Streiks in der Regel ausschließt – wurde durch eine umstrittene Gerichtsentscheidung gestärkt. Am 13. November untersagte das Arbeitsgericht Erfurt der Gewerkschaft ver.di, an der Sophien- und Hufeland-Klinik in Weimar zu Streiks aufzurufen.

Das Urteil, das in den vergangenen Tagen in juristischen Kreisen für Diskussionen sorgte, bekräftigt das Recht der Kirchen, auf eigene Streitschlichtungsmechanismen – die sogenannten Arbeitsrechtlichen Kommissionen – zu bestehen. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro.

„Diese Entscheidung ist ein Rückschlag für grundlegende Arbeitnehmerrechte in kirchlichen Einrichtungen”, kommentierte ein ver.di-Sprecher. Die Gewerkschaft kündigte an, das Urteil nicht einfach hinzunehmen. Die Debatte darüber, ob die Sonderrechte der Kirchen im Jahr 2025 noch zeitgemäß sind, hat damit neue Nahrung bekommen – gerade weil die Grenzen zwischen kirchlichen und säkularen Gesundheitseinrichtungen zunehmend verschwimmen.

Caritas-Verhandlungen stocken

Gleichzeitig spitzt sich die Lage im Caritas-Bereich zu. Die Verhandlungen für den „Teil II” der Tarifrunde 2025 kommen nicht voran. Nach Angaben von Arbeitnehmervertretern weigert sich die Dienstgeberseite, ein Angebot vorzulegen, das den Abschlüssen im öffentlichen Dienst entspricht.

Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 28. November angesetzt. Sollte bis zur Frist am 4. Dezember keine Einigung erzielt werden, drohen die Gewerkschaften mit einem „heißen Winter”. Die Legitimität des kirchlichen Sonderwegs steht damit auf dem Prüfstand.

MAV-Wahlen 2026: Wahlvorstände müssen bald stehen

Für Tausende kirchliche Beschäftigte rückt auch die interne Demokratie in den Fokus. Die Frist für die Bestellung der Wahlvorstände für die MAV-Wahlen 2026 läuft ab. Laut aktuellen Richtlinien der Kirchengewerkschaft müssen bestehende Mitarbeitervertretungen diese Gremien bis zum 28. oder 30. November einsetzen, um einen rechtssicheren Wahlprozess im kommenden Jahr zu gewährleisten.

Diese administrative Hürde kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihr neu überarbeitetes, geschlechtsneutrales Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG-EKD) umsetzt, das Anfang des Jahres vollständig in Kraft getreten ist. Die Reformen sollen die Mitbestimmungsrechte kirchlicher Beschäftigter modernisieren – Kritiker bemängeln jedoch, dass sie hinter den Standards des Betriebsverfassungsgesetzes zurückbleiben.

MAN streicht 2.300 Stellen – Betriebsrat kündigt Widerstand an

Während öffentlicher Dienst und kirchliche Einrichtungen über Gehälter und Grundsätze verhandeln, lieferte die Industrie diese Woche einen düsteren Kontrapunkt. Am 20. November kündigte der Nutzfahrzeughersteller MAN an, in den kommenden zehn Jahren etwa 2.300 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen.

Die Ankündigung stieß auf sofortigen Widerstand des Gesamtbetriebsrats und der IG Metall. Die Kürzungen sollen sowohl Verwaltungs- als auch Produktionsbereiche treffen. Betriebsratsvorsitzende kündigten an, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Die Entwicklung zeigt: Personalvertretung bedeutet 2025 nicht nur, um höhere Gehälter zu ringen, sondern zunehmend, bestehende Jobs zu verteidigen.

Zusammenprall dreier Arbeitswelten

Das Zusammentreffen dieser Ereignisse markiert einen kritischen Moment für die deutschen Arbeitsbeziehungen. Die offensive 7-Prozent-Forderung im öffentlichen Dienst spiegelt ein neues Selbstbewusstsein der Gewerkschaften wider – getrieben von anhaltenden Personalengpässen, die den Beschäftigten Verhandlungsmacht verleihen. Das „bayerische Manöver”, Zahlungen an Beamte zu verzögern, deutet jedoch darauf hin, dass die Länder auf Kostenkontrolle setzen.

Im kirchlichen Sektor ist das Erfurter Urteil ein zweischneidiges Schwert. Juristisch sichert es den „Dritten Weg” vorerst ab, politisch jedoch befeuert es die Bewegung dagegen. Je weiter die Schere zwischen weltlichen Streikrechten und kirchlichen Konsensmodellen auseinanderklafft, desto stärker wird der Druck auf die Arbeitsrechtlichen Kommissionen steigen, Ergebnisse zu liefern, die mit dem öffentlichen Dienst (TVöD/TV-L) mithalten können. Scheitert Caritas am 28. November mit einem wettbewerbsfähigen Angebot, könnte das kirchliche Arbeitsrechtsmodell seine härteste Bewährungsprobe erleben.

Was kommt in den nächsten Wochen?

Alle Augen richten sich nun auf die erste Dezemberwoche. Der Auftakt der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst am 3. Dezember wird den Ton für Lohnabschlüsse in der gesamten Wirtschaft vorgeben. Das Ergebnis der Caritas-Gespräche am 28. November entscheidet darüber, ob der kirchliche Sektor ruhig bleibt oder in eine tiefe Legitimationskrise rutscht.

Für die MAV-Gremien bleibt die dringlichste Aufgabe, rechtzeitig Wahlvorstände zu bestellen und so ihr Mandat ins Jahr 2026 zu sichern. Eines wird dabei deutlich: Die Arbeitnehmervertretung in Deutschland steht 2025 vor grundlegenden Weichenstellungen – in allen drei Sektoren.

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