itslearning-Rollout: Gericht stoppt Kultusministerium wegen Mitbestimmung
28.11.2025 - 16:22:12Das Verwaltungsgericht Stuttgart erklärte die Einführung der Lernplattform itslearning für rechtswidrig, da der Hauptpersonalrat übergangen wurde. Das Kultusministerium legte Beschwerde ein.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Landesregierung Baden‑Württembergs einen empfindlichen Dämpfer verpasst: Die landesweite Einführung der Lernplattform „itslearning” war rechtswidrig, weil das Kultusministerium den Hauptpersonalrat der Lehrkräfte einfach übergangen hat. Statt das Urteil zu akzeptieren, legte das Ministerium gestern – am letzten möglichen Tag – Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim ein. Ein Schritt, der den Konflikt weiter anheizt.
Kern des Problems: Bei der Einführung zentraler digitaler Systeme, die sensible Daten von Tausenden Lehrkräften und Schülern verarbeiten, hätte zwingend der Hauptpersonalrat beteiligt werden müssen. Das sieht das Landespersonalvertretungsgesetz eindeutig vor. Doch genau das hat das Kultusministerium versäumt – und steht nun in der Kritik.
„Kein nettes Extra”: Gewerkschaft attackiert Ministerium scharf
Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) reagierte mit ungewöhnlicher Härte auf die Beschwerde des Ministeriums. „Mitbestimmung ist kein nettes Extra, das der Arbeitgeber großzügig gewähren kann, sondern ein gesetzlich verbrieftes Recht der Personalvertretung”, stellte Landesvorsitzende Martina Scherer klar. Wer das ignoriere, verstoße nicht nur gegen Rechte, sondern „zerstöre massiv Vertrauen”.
Die Gewerkschaft wirft dem Ministerium – konkret der für Digitalisierung zuständigen Abteilung – eine „Gutsherrenart” vor: Entscheidungen würden von oben durchgedrückt, ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Gremien einzubinden. Besonders brisant: Das Gericht stellte fest, dass es nicht ausreicht, nur die Personalräte einzelner Schulen zu beteiligen. Bei landesweiten Systemen muss der Hauptpersonalrat am Verhandlungstisch sitzen.
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Stuttgart versus Bremen: Zwei Welten der Digitalisierung
Während Baden-Württemberg im juristischen Clinch steckt, geht man anderswo kooperativer vor. In Bremen etwa bereitet man derzeit ein Pilotprojekt zur digitalen Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte vor – Starttermin: Schuljahr 2026/27.
Der entscheidende Unterschied? Das Bremer Projekt, initiiert durch EU- und Bundesarbeitsgerichtsurteile zur Arbeitszeitdokumentation, bindet von Anfang an alle Beteiligten ein. Gemeinsam mit der Deutsche Telekom Stiftung entwickelt man ein „barrierefreies und digitales” System. Statt Konfrontation setzt man auf transparente Kommunikation und schrittweise Erprobung – ein deutlicher Kontrast zur konfliktbeladenen Atmosphäre in Stuttgart.
Digitale Souveränität trifft auf Arbeitnehmerrechte
Der Fall ist symptomatisch für ein deutschlandweites Dilemma: Wie lässt sich dringend nötige digitale Modernisierung mit robusten Arbeitnehmerrechten vereinbaren?
Die „itslearning”-Plattform ist Kernstück der digitalen Strategie „SCHULE@BW”. Vermutlich wollte das Ministerium durch Umgehung des Hauptpersonalrats Zeit gewinnen. Doch die Rechnung ging nicht auf: Nun herrscht rechtliche Unsicherheit an Schulen, die das System bereits nutzen. Sollte der VGH Mannheim das Stuttgarter Urteil bestätigen, droht das logistische Chaos – ein bereits im Schulalltag verankertes System müsste womöglich neu verhandelt oder gar ausgesetzt werden.
Rechtsexperten betonen: „Digitale Souveränität” bedeutet nicht nur, wo Daten gespeichert werden, sondern auch, dass demokratische Mitbestimmung gewahrt bleibt. Digitale Tools, die Arbeitsprozesse strukturieren oder überwachen, unterliegen klassischerweise der Mitbestimmung.
Alle Augen auf Mannheim
Die Beschwerde des Ministeriums verschafft zunächst eine Atempause: „itslearning” bleibt vorerst im Einsatz. Doch der politische Schaden ist bereits angerichtet. Der PhV BW fordert den Rückzug der Beschwerde und Rückkehr an den Verhandlungstisch. „Statt einen Dialog zu suchen, hat das Ministerium Beschwerde eingelegt”, beklagt die Gewerkschaft.
Ohne Einigung könnte ein endgültiges Urteil aus Mannheim Monate auf sich warten lassen – Schulen verharren derweil in rechtlicher Schwebe. Die Entscheidung wird Signalwirkung haben: Sie bestimmt, wie künftig alle digitalen Werkzeuge – von KI-Assistenten bis Verwaltungssoftware – in deutschen Schulen eingeführt werden dürfen. Das Prinzip ist klar: Digitalisierung ja, aber nicht gegen die Belegschaft.
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