EuGH, EU-Mindestlohnrichtlinie

EuGH bestätigt EU-Mindestlohnrichtlinie: Bundestag-Analyse zeigt Folgen für Deutschland

21.11.2025 - 02:09:11

Der Europäische Gerichtshof hat die EU-Mindestlohnrichtlinie im Kern bestätigt – mit weitreichenden Konsequenzen für das deutsche Arbeitsrecht. Eine am Donnerstag veröffentlichte Analyse des Bundestags zeigt nun erstmals detailliert, was das Urteil für Deutschlands geplantes Tariftreuegesetz bedeutet.

Während Gewerkschaften triumphieren und schnelle Umsetzung fordern, sehen Arbeitgeber in dem Urteil auch einen Sieg: Denn der EuGH kippte gleichzeitig zentrale Vorschriften, die Brüssel zu viel Einfluss auf nationale Lohnsysteme gegeben hätten. Was bedeutet das für Unternehmen und Beschäftigte in Deutschland?

Im Verfahren C-19/23 wies der Luxemburger Gerichtshof die grundsätzliche Klage Dänemarks zurück. Die Skandinavier hatten argumentiert, die EU habe keine Kompetenz für eine Richtlinie (EU) 2022/2041 zur Regelung von Mindestlöhnen. Ihr Argument: Artikel 153 Absatz 5 des EU-Vertrags schließe das Thema “Arbeitsentgelt” ausdrücklich aus der EU-Zuständigkeit aus.

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Die Richter sahen das anders. Zwar dürfe Brüssel keine konkreten Lohnhöhen vorschreiben, sehr wohl aber Verfahrensrahmen und Mindeststandards für Arbeitsbedingungen festlegen. Diese Unterscheidung ist entscheidend.

“Die Bestätigung der Rechtsgrundlage sichert die europarechtliche Rückendeckung für die Bundesregierung, die Tarifbindung zu stärken”, heißt es in der Bundestags-Analyse vom 20. November. Die EU darf demnach verlangen, dass Mitgliedstaaten Tarifverträge aktiv fördern – eine Kernforderung der Richtlinie.

Teilannullierung: Brüssel verliert bei konkreten Vorgaben

Trotz des grundsätzlichen Siegs für die EU-Kommission erlitten zwei zentrale Artikel Schiffbruch. Der EuGH erklärte Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie für nichtig.

Artikel 5 Absatz 2 hätte vorgeschrieben, nach welchen konkreten Kriterien Staaten gesetzliche Mindestlöhne berechnen müssen – etwa Kaufkraft oder Lohnverteilung. Die Richter urteilten: Das greife zu direkt in nationale Lohnsysteme ein.

Artikel 5 Absatz 3 verbot automatische Indexmechanismen, durch die Mindestlöhne sinken könnten. Auch das überschreite die EU-Kompetenzen beim Thema Arbeitsentgelt.

Für Deutschland bedeutet das: Die Mindestlohnkommission behält ihre Unabhängigkeit bei der Festlegung der konkreten Höhe. Wie genau die Zahl berechnet wird, bleibt national geregelt – solange der Prozess transparent und angemessen ist.

Tariftreuegesetz: Gewerkschaften drängen, Arbeitgeber warnen

Das Urteil kommt zur rechten Zeit. Die Bundesregierung arbeitet am Bundestariftreuegesetz, das öffentliche Aufträge an die Einhaltung von Tarifverträgen koppeln soll. Nach Klärung der Rechtslage positionieren sich die Lager:

Gewerkschaften wie Ver.di und der DGB werten die Bestätigung der Richtlinie als Handlungsauftrag. “Mit der beseitigten Rechtsunsicherheit bleibt die Bundesregierung verpflichtet, die Tarifbindung zu erhöhen”, erklärte die Ver.di-Führung diese Woche. Derzeit liegt die Quote bei rund 50 Prozent – die Richtlinie fordert 80 Prozent.

Arbeitgeberverbände reagieren differenzierter. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) begrüßen ausdrücklich die Annullierung der Lohnkriterien. “Das Urteil stärkt die Autonomie der Mindestlohnkommission und verhindert Brüsseler Bürokratie bei deutschen Lohnformeln”, so die Argumentation.

Die Bundestags-Analyse vom 20. November hält fest: Das deutsche Mindestlohngesetz (MiLoG) erfüllt die verbliebenen Anforderungen der Richtlinie grundsätzlich. Der Druck bleibt dennoch hoch – Deutschland muss einen konkreten Aktionsplan vorlegen, wie die Tarifbindung gesteigert werden soll.

Nordisches Modell unter Druck

Dänemark hatte die Klage im Januar 2023 eingereicht, unterstützt von Schweden. Beide Länder pflegen das “Nordische Modell”: hohe Tarifbindung ganz ohne gesetzliche Mindestlöhne. Die Richtlinie bedrohte aus ihrer Sicht diese bewährte Tradition.

Mit der Bestätigung der Richtlinie signalisiert der EuGH: Das “Soziale Europa” darf voranschreiten – solange es nicht direkt Löhne diktiert. Das am 11. November 2025 verkündete Urteil ist rechtskräftig, weitere Anfechtungen sind ausgeschlossen.

Was jetzt folgt: Drei konkrete Schritte für Deutschland

Mit abgeschlossenem Rechtsstreit und grünem Licht aus dem Bundestag konzentriert sich Berlin nun auf die Umsetzung:

Erstens: Der Aktionsplan zur 80-Prozent-Tarifbindung muss finalisiert werden. Die Bestätigung von Artikel 4 (Förderung von Tarifverträgen) macht diese Verpflichtung verbindlich.

Zweitens: Das Bundestariftreuegesetz dürfte zügig vorangetrieben werden. Das Hauptargument der Gegner – EU-Kompetenzüberschreitung – ist vom Tisch.

Drittens: Die Mindestlohnkommission arbeitet mit ihren bewährten Kriterien weiter, frei von den annullierten zusätzlichen EU-Vorgaben aus Artikel 5 Absatz 2.

“Der Staub hat sich gelegt”, schließt die parlamentarische Prüfung. “Die Richtlinie gilt, und die Pflicht zur Förderung angemessener Mindestlöhne sowie Tarifverträge ist nun in der EuGH-Rechtsprechung zementiert.”

Für Personalabteilungen und Unternehmen bedeutet das: Die rechtliche Unsicherheit ist beseitigt. Wer öffentliche Aufträge anstrebt, sollte sich auf verschärfte Tariftreue-Anforderungen einstellen. Gleichzeitig bleibt das deutsche System der Lohnfindung im Kern unangetastet – ein Kompromiss, mit dem beide Seiten vorerst leben können.

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