ROUNDUP, Israel

Südafrika hat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof vorgeworfen, "systematisch Taten von Völkermord" gegen die Palästinenser im Gazastreifen begangen zu haben.

11.01.2024 - 14:26:31

Israel muss sich wegen Völkermord-Klage vor UN-Gericht verantworten

Vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen schilderten die Rechtsvertreter Südafrikas am Donnerstag in Den Haag Beispiele der militärischen Gewalt sowie Äußerungen israelischer Politiker und Militärs in den vergangenen rund drei Monaten. Dies sei mit der "Absicht des Völkermordes" geschehen, hieß es. Demnach strebt Israel eine Zerstörung des palästinensischen Lebens an.

Israel soll am Freitag zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Kurz vor Beginn der Anhörung wies Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut alle Vorwürfe zurück: "Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht." Auch die USA, Großbritannien und die Bundesregierung sehen keinerlei Grundlage für die Klage Südafrikas.

Das Land beruft sich auf die UN-Völkermordkonvention, die auch Israel unterzeichnet hat. In der Konvention wird Völkermord definiert als eine Handlung, "die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören". Israel bestreitet, diesen Passus verletzt zu haben.

Südafrika fordert in einem Eilverfahren auch einen Rechtsschutz für die Palästinenser. So sollten die Richter das Ende der militärischen Handlungen anordnen.

Das Gericht, das Konflikte zwischen Staaten klären soll, wird sich zunächst nur mit dem Eilantrag befassen und dann in den nächsten Wochen entscheiden. Ein Verfahren zur Hauptsache, dem Völkermord-Vorwurf, kann Jahre dauern.

Eine Entscheidung des Gerichts ist bindend - auch wenn die UN-Richter selbst keine Machtmittel haben, diese auch durchzusetzen. Ein negativer Beschluss könnte Israel schaden und den internationalen Druck weiter erhöhen.

Es ist das erste Mal, dass Israel sich vor einem internationalen Gericht dem Vorwurf des Völkermordes stellt. Die Klage trifft das Land besonders schwer. Denn Israel war gerade auch als eine Folge des Holocaust im Zweiten Weltkrieg gegründet worden.

Israel weist auf sein Recht auf Selbstverteidigung nach den Terrorangriffen der islamistischen Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober 2023 hin. Dabei waren rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden, von denen bislang etwa die Hälfte wieder freigelassen wurde.

Südafrika verurteilte zwar die Angriffe der Hamas-Terroristen. "Aber kein bewaffneter Angriff ist eine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention", sagte Justizminister Ronald Lamola. Er sprach von einer "Politik der Apartheid gegen Palästinenser seit etwa 76 Jahren". Israel hat auch den Apartheid-Vorwurf in den vergangenen Jahren immer wieder zurückgewiesen.

Die Rechtsvertreterin Südafrikas, Adila Hassim, zählte Gewalttaten der Armee auf, wie Bombenangriffe und Blockaden humanitärer Hilfe. Sie sprach von "Taten des Völkermordes" und einem "systematischen Muster, das auf Absicht des Völkermordes hinweist." Mehr als 23 000 Palästinenser seien getötet worden, mindestens 70 Prozent davon Frauen und Kinder.

Südafrika begründete die Vorwürfe auch mit Äußerungen von israelischen Ministern und Offizieren. Zitate wie "Wir werden keinen verschonen", "Wir werden den Gazastreifen von der Erde ausradieren" oder "Israel kämpft gegen menschliche Tiere" seien "Rhetorik des Völkermordes".

Vor dem Friedenspalast, dem Sitz des Gerichtshofes, hatten sich einige Hundert Anhänger der Palästinenser versammelt. Zugleich zogen auch mehrere Hundert Unterstützer Israels vor das Gericht und erinnerten an die Opfer der Gewalt von Hamas.

@ dpa.de

Weitere Meldungen

Union zerstritten wegen Kurswechsel in der Israel-Politik Aus der Union kommen völlig unterschiedliche Einschätzungen zur Entscheidung der schwarz-roten Bundesregierung, Israel keine Rüstungsgüter für den Gaza-Krieg mehr zu liefern.Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp, bezeichnete dies als Beschluss der drei Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD. (Wirtschaft, 09.08.2025 - 11:34) weiterlesen...

Berlin vollzieht im Gaza-Krieg Kurswechsel gegenüber Israel Die Bundesregierung reagiert sichtlich verstimmt auf den Beschluss Israels zur Einnahme der Stadt Gaza und ergreift erstmals seit dem Beginn des Gaza-Kriegs Maßnahmen gegen den Partner. (Politik, 08.08.2025 - 16:05) weiterlesen...

Druck auf Israel: Berlin stoppt bestimmte Rüstungsexporte Nach dem Beschluss des israelischen Sicherheitskabinetts zur Einnahme der Stadt Gaza erhöht die Bundesregierung den Druck auf Israel. (Politik, 08.08.2025 - 13:04) weiterlesen...

Israel beschließt Ausweitung der Kämpfe in Gaza Rund 22 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich Israels Führung für eine weitere Verschärfung der Kämpfe in dem Küstenstreifen entschieden. (Wirtschaft, 08.08.2025 - 06:35) weiterlesen...

Israel veröffentlicht Räumungsaufruf für Süden der Stadt Gaza Noch vor Beratungen über eine Ausweitung des Gaza-Kriegs hat die israelische Armee einen Räumungsaufruf für Wohngebiete im Süden der Stadt Gaza veröffentlicht. (Wirtschaft, 06.08.2025 - 14:26) weiterlesen...

Israel fordert Druck auf Hamas - Warnungen vor Gaza-Einnahme Während Israel vor dem UN-Sicherheitsrat mehr internationalen Druck auf die islamistische Terrororganisation Hamas fordert, lösen Berichte über eine mögliche Einnahme des Gazastreifens durch Israel Besorgnis aus. (Wirtschaft, 06.08.2025 - 06:35) weiterlesen...