Die Entscheidung hat historische Dimensionen: Der Bundestag ebnet den Weg für historisch hohe Kredite für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz.
18.03.2025 - 16:05:12Bundestag gibt grünes Licht für Finanzpaket. Ein Votum steht aber noch aus.
Der Bundestag hat grünes Licht für ein historisches Kreditpaket von Hunderten Milliarden Euro für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz gegeben. Die Abgeordneten stimmten den dafür nötigen Grundgesetzänderungen mit Zweidrittelmehrheit zu. Knapp wurde es nicht, es gab mehr als 20 Stimmen Puffer. Bevor die Schuldenpläne Realität werden können, muss am Freitag allerdings noch der Bundesrat zustimmen.
Was genau geplant ist
Bei Verteidigung und Infrastruktur gibt es in Deutschland einen riesigen Investitionsstau. Nun soll die Schuldenbremse - die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt - für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert werden. Für alle Ausgaben in diesen Bereichen, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden - das wäre nach Rechnung der Politiker in diesem Jahr alles über etwa 44 Milliarden Euro.
Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur - also Brücken, Energienetze, Straßen oder Schulen - bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen fest in Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen. Das Geld darf aber nur fließen, wenn im normalen Kernhaushalt eine angemessene Investitionsquote gilt - damit wollen die Grünen verhindern, dass das Geld genutzt wird, um auf Umwegen Wahlgeschenke zu finanzieren.
Wie der Bundestag darüber debattierte
Für den Beschluss war extra noch einmal der alte Bundestag einberufen worden, weil die Mehrheitsverhältnisse im nächsten Bundestag ein Ja schwierig gemacht hätten. Außerdem hatten Union und SPD lange um die Zustimmung der Grünen geworben und ihnen einige Zugeständnisse gemacht.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann rechnete dennoch mit dem mutmaßlichen nächsten Kanzler Friedrich Merz ab. Auch er habe bereits im vergangenen Jahr gewusst, dass Deutschland dringend Investitionen und zugleich mehr Geld für die Verteidigung brauche. Die Union aber habe das öffentlich nie zugegeben und die Grünen sogar noch für entsprechende Forderungen diffamiert. «Aber ich bin dennoch in der Sache froh, dass wir das jetzt heute so entscheiden, denn es ist notwendig für unser Land», sagte Haßelmann.
Merz verteidigte seine Pläne mit Verweis auf die Sicherheit Deutschlands, Europas und der Nato. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil warb mit Vorteilen der geplanten Investitionen für Bürgerinnen und Bürger. «Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten», sagte er. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) warnte: «Unsere Sicherheit darf nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden.»
Harte Vorwürfe kamen aus den Reihen der AfD, der FDP, des BSW und der Linken. FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf der Union vor, sich gegen wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu entscheiden. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla erklärte, Merz habe nicht nur kein Rückgrat, er sei inzwischen «komplett wirbellos». Der Linken-Politiker Sören Pellmann redete mit Blick auf die geplante Aufrüstung von «Nebelkerzen aus Angst und Furcht» und unrealistischen Untergangsszenarien. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sagte: «Kriegskredite mit Klimasiegel, darauf muss man erstmal kommen.»
Was der Beschluss für die Koalitionsverhandlungen bedeutet
Das Finanzpaket ist die Grundlage für alles, was Union und SPD auf dem Weg in eine mögliche schwarz-rote Koalition bisher beschlossen haben. Ohne die Milliardenkredite müssten sie vieles wohl noch einmal ganz von vorne besprechen.
Doch auch mit dem von den Grünen erzwungenen Kompromiss wird es nun nicht einfach. Vor allem die Festlegung, dass aus dem Sondertopf nur zusätzliche Vorhaben finanziert werden dürfen, könnte den Verhandlern Schwierigkeiten bereiten. Denn für viele Projekte müssen sie nun Geld im normalen Haushalt auftreiben.
«Die wirklich schwierigen Gespräche stehen uns alle noch bevor», warnte Merz bereits am Wochenende. Union und SPD dürften nämlich vollkommen unterschiedlicher Meinung dazu sein, wo gespart werden soll - im Sozialetat, bei klimaschädlichen Subventionen? Die SPD plädiert auch dafür, über höhere Steuern für Vermögende mehr Geld einzunehmen - was die Union strikt ablehnt.
Kann das Paket noch scheitern?
Nicht nur im Bundestag ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, sondern auch im Bundesrat. Die dürfte aber stehen, nachdem sich in Bayern am Montag CSU und Freie Wähler auf eine Zustimmung geeinigt hatten. Die Länder profitieren von dem Paket auch deutlich: Nicht nur bekommen sie 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz. Sie dürfen dann künftig zusammen auch Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen - bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von Null.