Deutschland, Europa

Beim bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel geht es um sehr viel für Europa, die Ukraine, aber auch für Kanzler Merz.

17.12.2025 - 04:30:09

Merz vor seinem schwierigsten Gipfel. Für ihn ist es die erste ganz große Bewährungsprobe als europäische Führungsfigur.

Die Europäer haben nun ihren festen Platz in den Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine und das ist zu einem großen Teil auch Bundeskanzler Friedrich Merz zu verdanken. In dieser Einschätzung waren sich Beobachter nach den zweitägigen Gesprächen in Berlin zwischen den USA, der Ukraine, zehn europäischen Staaten und der EU weitgehend einig. Merz hatte das erste hochrangige Treffen in dieser Konstellation organisiert. Die eigentliche Bewährungsprobe als europäische Führungsfigur im Ringen um einen Waffenstillstand nach fast vier Jahren Krieg steht dem Kanzler aber noch bevor.

Heute Nachmittag reist er nach Brüssel, wo am Donnerstag bei einem EU-Gipfel die Entscheidung über die Nutzung des in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögens für die Unterstützung der Ukraine fallen soll. Vorher gibt er im Bundestag eine Regierungserklärung ab, in der er nochmals eindringlich um Zustimmung zu diesem Schritt werben wird. 

Für die EU geht es um die Handlungsfähigkeit

Der Kanzler hat die Entscheidung zur «Schlüsselfrage» für die EU erklärt, die jetzt gelöst werden müsse. Wenn das nicht geschehe, sei die Handlungsfähigkeit Europas «massiv beschädigt», sagt er. In seinem Umfeld ist sogar von einer «Schicksalswoche» für Europa die Rede. 

Sollte die EU nicht zu einer Einigung kommen, würden die Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine zu reinen Lippenbekenntnissen. Und der Gewinner wäre der russische Präsident Wladimir Putin.

Für die Ukraine geht es um ihr Überleben

Um noch mehr als für die EU geht es für die Ukraine - nämlich quasi ums Überleben. Auf die USA kann die Ukraine nicht mehr zählen, weil US-Präsident Donald Trump kein Geld mehr für sie ausgeben will. Bleiben die europäischen Verbündeten.

Von ihnen braucht sie ab dem zweiten Quartal des nächsten Jahres frisches Geld. Die erforderlichen Mittel über die EU anders zu organisieren als über das russische Staatsvermögen, gilt derzeit als nicht möglich. Dafür bräuchte es eine einstimmige Entscheidung der 27 EU-Staaten - und Länder wie Ungarn und Tschechien kündigten bereits an, dies nicht mitzutragen.

Die Unterstützung müsste dann durch die einzelnen Mitgliedstaaten geleistet werden. Und in denen schwindet nach vier Jahren Krieg die Akzeptanz dafür, den Abwehrkampf der Ukraine gegen die russischen Angreifer weiter zu finanzieren.

Für Merz geht es um seine europäische Führungsrolle

Gegen die Nutzung des russischen Vermögens gibt es rechtliche und politische Bedenken - vor allem in Belgien, wo die rund 185 Milliarden Euro der russischen Staatsbank lagern. Auch Merz war lange Zeit skeptisch. Ende September setzte er sich dann aber mit einem Gastbeitrag für die «Financial Times» überraschend an die Spitze der Befürworter. 

Die EU habe sich dazu verpflichtet, der Ukraine so lange beizustehen wie nötig, schrieb er. «Ich bin der Überzeugung, dass es nun an der Zeit ist, dieses politische Versprechen mit einem Instrument zu unterlegen, das ein unmissverständliches Signal der Widerstandsfähigkeit nach Moskau sendet.» In den letzten Jahren sei man dabei nur auf Sicht gefahren. «Jetzt trete ich dafür ein, Finanzmittel in einem Umfang zu mobilisieren, der die militärische Durchhaltefähigkeit der Ukraine auf mehrere Jahre absichert.» 

Kanzler schätzt Chancen «fity-fifty» ein

Es war ein riskantes Manöver, das sich für Merz schwieriger gestaltete, als er sich das wohl vorgestellt hat. Beim letzten Gipfel im Oktober kam es wegen des massiven Widerstands des belgischen Ministerpräsidenten Bart de Wever nicht zu einer Einigung.

Nun heißt es: Hopp oder Top. Ein Scheitern des Projekts wäre auch ein Scheitern des Kanzlers. Die Chance auf eine Einigung stehe bei «fifty-fifty», sagte der CDU-Chef am Abend in einem ZDF-Interview. Er mahnte erneut eine «klare europäischen Haltung gegenüber Russland» an: «Wenn wir jetzt nicht springen, (...) wann denn dann?»

@ dpa.de

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