Bei der Plenardebatte über kleine Supermärkte ohne Personal haben sich Abgeordnete im hessischen Landtag fraktionsübergreifend für Lockerungen beim Ladenöffnungsgesetz ausgesprochen.
06.02.2024 - 17:49:49Landtag debattiert über Sonntagsöffnung im Lebensmittelhandel
Die Regelungen seien angestaubt und müssten dringend modernisiert werden, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Naas am Dienstag in Wiesbaden. Die Menschen könnten sonntags an der Tankstelle Brötchen holen oder am Kiosk einen Schokoriegel kaufen und würden dort bedient. "Aber im voll automatisierten Markt die fehlende Tüte Milch kaufen geht nicht. Das ist nicht vermittelbar und auch nicht zu begründen", sagte Naas und verwies auf das neue "Minimarkt-Gesetz" seiner Fraktion. Mit dem Entwurf wollen die Liberalen das Ladenöffnungsgesetz ändern.
Der Diskussion vorangegangen war eine juristische Niederlage der Supermarktkette Tegut. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte entschieden, dass eine von der Stadt Fulda verfügte Schließung der ohne Personal betriebenen "Teo"-Verkaufsstellen an Sonntagen rechtens sei. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei diesen Läden um Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes. Das Unternehmen informierte daraufhin seine Kunden, dass die fast 30 "Teo"-Filialen in Hessen künftig sonntags geschlossen bleiben - mit Ausnahme der Läden in Hanau und Darmstadt in Bahnhofsnähe, für die eine Ausnahmeregelung gilt.
Das FDP-Gesetz sieht eine Ausnahmeregelung vor, damit kleine Läden ohne Personal wieder sonn- und feiertags öffnen können. Es soll lediglich ein Sortiment für die Grundversorgung des täglichen Bedarfs angeboten werden dürfen.
Arbeitsministerin: Lockerungen müssen im Einklang mit Verfassung sein
Arbeitsministerin Heike Hofmann (SPD) sagte, die Landesregierung stehe einer Sonntagsöffnung für Minimärkte mit voll automatisierten Verkaufsflächen grundsätzlich offen gegenüber. "Aber nur, wenn das mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen ist", bekräftigte sie.
"Wenn solche Verkaufsstellen kleine Läden verdrängen, erweisen sie dem sozialen Aspekt einen Bärendienst", erklärte der AfD-Abgeordnete Volker Richter. Wenn sie ein sozialer Treffpunkt würden, hätten sie wiederum ihren Wert. "Dass die Arbeitsbelastung von Familien so hoch ist, dass sie durchgängig geöffnete Geschäfte benötigen, zeigt eine neue Diskussion auf, die zu führen ist", ergänzte Richter.
Sascha Meier von der Grünen-Fraktion sagte, ein Großteil der Hessen wohne auf dem Land. Viele junge Familien überlegten jedoch, es zu verlassen. Der ländliche Raum müsse daher attraktiver gemacht werden, argumentierte Meier. Dabei könnten auch automatisierte Minimärkte helfen.
Handelsverband plädiert für Offenheit bei technischen Innovationen
Der Handelsverband Hessen plädierte für eine rasche Modernisierung des Ladenöffnungsgesetzes. Viele Lebensmitteleinzelhändler beschäftigten sich mit ähnlichen Lösungen wie bei den "Teo"-Filialen, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Sven Rohde, auf Anfrage. "Ich sehe eine große Notwendigkeit, dass wir uns in Hessen nicht technischen Innovationen verschließen."
Rohde erklärte, den Anbietern, die in Forschung und Entwicklung investieren, müsse ermöglicht werden, ihre Neuerungen auch auf dem Markt zu testen - "in diesem Fall dann auch an Sonntagen, damit sich das alles auch wirtschaftlich trägt". Personallose und digitalisierte Geschäfte sicherten die Versorgung des ländlichen Raums, "ohne dabei die Sonntagsruhe unverhältnismäßig zu stören", so Rohde.
Kommunen hoffen auf Änderung des Ladenöffnungsgesetzes
Der Fuldaer Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU) sagte: "Ich persönlich setze jetzt darauf, dass im Landtag eine Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes initiiert wird, die eine zeitgemäße und auf die Lebenswirklichkeit der Menschen abzielende Regelung ermöglicht und zugleich den Sonntagsschutz nicht außer Acht lässt."
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bedeute eine weitere Benachteiligung des ländlichen Raums und hier insbesondere solcher Ortschaften, in denen es keinen Supermarkt gebe, kritisierte der Bürgermeister von Rasdorf (Kreis Fulda), Jürgen Hahn (CDU). Besonders ältere Menschen seien durch die Sonntagsschließung der Teo-Märkte betroffen.
Die Rasdorfer Gemeindevertretung hat eine Resolution an den Landtag zur "umgehenden Änderung" des Ladenöffnungsgesetzes beschlossen, der sich inzwischen über ein Dutzend weitere Städte und Gemeinden angeschlossen haben. Vollautomatisierte Verkaufsflächen, die ohne Einsatz von Personal auskommen, sollten auch an Sonn- und Feiertagen durchgehend geöffnet sein können, heißt es darin. Bis zur Gesetzesänderung sollen die Standortkommunen die Möglichkeit für Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen durch Ausnahmegenehmigung erhalten, lautet eine der Forderungen.
OB Wingenfeld: Stadt Fulda hatte Anweisung, die Schließung anzuordnen
Nach Ansicht des Fuldaer OB Wingenfeld ist das im Herbst 2020 entstandene Modell einer "Teo"-Verkaufsstelle eine "sinnvolle Ergänzung des Angebots zur Lebensmittelversorgung gerade in dörflichen Stadtteilen". Doch vor dem Hintergrund der geltenden Bestimmungen insbesondere beim Sonn- und Feiertagsschutz habe die Stadt die Thematik bewerten und einordnen müssen. "Dabei ist die Stadt an Recht und Gesetz gebunden", sagte er. "Gleichzeitig gab es schon kurz nach der Eröffnung Druck von außen, etwa von gewerkschaftlicher Seite, wobei die Stadt zur Schließung des "Teo" an Sonn- und Feiertagen aufgefordert wurde."
Aufgrund der juristisch nicht eindeutigen Bewertung seien das Regierungspräsidium (RP) Kassel als Aufsichtsbehörde und das hessische Sozialministerium eingeschaltet worden, erklärte der OB. Nach den entsprechenden Stellungnahmen und nachdem eine von Tegut beantragte Ausnahmegenehmigung durch das Ministerium abgelehnt worden sei, sei Fulda vom RP angewiesen worden, die Schließung anzuordnen. Dies sei dann im Oktober 2021 geschehen./löb/DP/jha