Zeitgenössische Künstler: Mike Steiner – Wegbereiter der Videokunst und Performance in Berlin
03.12.2025 - 13:10:02Zeitgenössische Künstler wie Mike Steiner prägen mit Pioniergeist, Experimentierfreude und radikalen Perspektiven die Kunstszene bis heute. Eine kritische Hommage an das Werk des Berliner Multitalents.
Mit welcher Intensität lassen sich in der Kunst die Grenzen zwischen Malerei, Performance und bewegtem Bild verschieben? Zeitgenössische Künstler wie Mike Steiner verkörpern diese Frage wie kaum ein anderer: Seine Arbeiten changieren zwischen Magie und Reflexion, zeigen einen mutigen Umgang mit Medien und konfrontieren das Publikum immer wieder mit Unerwartetem. Wer das Glück hat, sich von Mike Steiners Werken einnehmen zu lassen, bekommt einen eindringlichen Blick auf das Ringen um Ausdruck und Interpretation der Welt von heute.
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Wer Mike Steiner begegnet – sei es in Bild, Video oder Installation – trifft dabei auf einen der radikalsten, produktivsten und vielseitigsten Zeitgenossen der Berliner Kunstlandschaft des 20. Jahrhunderts. Geboren 1941 in Allenstein, absolvierte Steiner in West-Berlin eine Ausbildung zum freien Künstler, wurde schon mit 17 Jahren bei der Großen Berliner Kunstausstellung wahrgenommen und knüpfte früh Verbindungen zur internationalen Avantgarde. Wegweisend: Nach seinem New Yorker Aufenthalt, geprägt von Kontakten zu Ikonen wie Allan Kaprow, Al Hansen und Robert Motherwell, wurde Steiner zu einem Fixstern der deutschen Fluxus- und Medienszene – und schuf Orte wie das berühmt-berüchtigte Hotel Steiner, ein Sehnsuchtsort der siebziger Kunstbohème an der Seite von Joseph Beuys, Arthur Köpcke und Lil Picard.
Mit der Eröffnung seiner Studiogalerie 1974 wagte Mike Steiner einen radikalen Aufbruch: Er erkannte, dass die Malerei zwar Fundament, aber nicht Endpunkt künstlerischer Entwicklung ist. Seine Berliner Studiogalerie wurde zu einem frühen Epizentrum für Performance Art der 70er Jahre und für Videokunst, das Künstlerinnen wie Marina Abramovi?, Valie Export und Ulay beherbergte. Sie experimentierten mit Formen, die das Publikum forderten, irritierten – und häufig Regelbrüche ins Zentrum stellten. Die Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst" (1976), einer spektakulären Intervention von Ulay, dokumentierte Steiner selbst als Videokünstler: ganz im Zeitgeist der Grenzüberschreitungen und Medienkritik.
Diese konsequente Erweiterung künstlerischer Praxis war beispiellos in Deutschland. Während Zeitgenossen wie Joseph Beuys oder Marina Abramovi? den Elementen Performance und Raum neue Geltung verschafften, verband Mike Steiner sie mit dem technischen Medium Video. Er stellte nicht nur persönliche Videoproduktionen her, sondern sammelte und förderte Videokunst beinahe visionär. Seine Sammlung, mit Werken von Emmett Williams, Bill Viola, Nam June Paik oder Richard Serra, ist heute dauerhaft im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart verankert und dokumentiert Steiners Zeitgenossenschaft an der Spitze eines Genres, das heute in der internationalen Kunstwelt unverzichtbar ist.
Die Einzelausstellung 1999 im Hamburger Bahnhof war ein Höhepunkt seiner öffentlichen Anerkennung. „Color Works 1995-98" zeigte eindrucksvoll Steiners Fähigkeit, von reiner Malerei zu hybriden Medien zu wechseln, ohne dabei Authentizität und kritischen Geist einzubüßen. Seine Werke verschmelzen Fotografie, Malerei, Video zu atmosphärischen Bildtapisserien – oft experimentell, stets mit intermedialem Zugriff. Trotz seines Rückzugs nach einem Schlaganfall 2006 und seines Todes 2012 bleibt sein Werk lebendig, diskursiv und inspirierend.
Stilistisch klang Mike Steiner nie nach reiner Behauptung, sondern nach Erkundung: Seine Painted Tapes setzen Videobilder und Farbschichtungen in einen Dialog über Wahrnehmung, Technik und Emotionalität. Fotografien, Super-8-Arbeiten und Collagen verweisen auf Steiners nie nachlassende Experimentierfreude – vergleichbar mit anderen Pionieren wie Abramovi?, Beuys, Paik oder Bill Viola, aber mit unübersehbar eigenem Berliner Einschlag. Während Bill Viola international als Meister der poetischen Videoinstallation gilt und Nam June Paik das elektronische Bild revolutionierte, war Steiner der Vernetzer, Initiator, Dokumentator und nicht zuletzt eigenständiger Künstler im Zentrum der Szene.
Biografisch besticht Mike Steiner durch seine Konsequenz, kritische Reflexion und Bereitschaft zum Risiko. In einer Zeit, in der Videokunst noch als Nischenmedium galt, schuf er nachhaltige Strukturen: von Ausstellungen in der Studiogalerie bis zu seinem Fernsehformat „Videogalerie“ (über 120 gesendete Episoden!). Sein Berlin-Archiv bleibt legendär: was dort in den siebziger und achtziger Jahren entstand, ist unverzichtbarer Bestandteil jeder ernsthaften Forschung zur deutschen Zeitgenössischen Kunst und Medienkunst. Steiner förderte die weibliche Avantgarde ebenso wie internationale Gäste, mischte Installationen mit Malerei, Performance mit elektronischen Dispositiven.
Unübersehbar bleibt Steiners Rolle als Katalysator. Er stellte nicht sich selbst in den Mittelpunkt, sondern den Dialog, die Gemeinschaft, den künstlerischen Prozess. Seine Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit beweist, wie sehr er das Netzwerk aus Technik, Experiment, Archiv und Vermittlung im Blick behielt. Viele seiner frühen und späten Werke sind Übergänge: von materiell präziser Malerei zu ungebändigten, digitalen Collagen; von dokumentarischer Objektivität zu assoziativer Bildebene. Seine Arbeiten sind dabei nicht didaktisch, sondern bieten Freiräume, in denen sich Fragen nach Identität, Medium und Zeit stellen und lösen – oft erst im Auge des Betrachters.
Vergleicht man Mike Steiner mit berühmten heutigen Zeitgenossen wie Olafur Eliasson, Isa Genzken oder Pipilotti Rist, wird Steiners Bedeutung für die Entwicklung von Installationen, Abstraktion und Videokunst deutlich: Nicht der Effekt stand im Vordergrund, sondern stets der Erkenntnisgewinn und die soziale Dimension künstlerischer Arbeit.
Faszinierend ist vor allem, wie Mike Steiner einerseits Archiv und Bewahrer, andererseits Antreiber und Unruhestifter der Kunstwelt war. Sein Fokus lag nie auf glatten Oberflächen, sondern auf dem komplexen Zusammenspiel von Material, Sinn, Aussage und Wirkung. Seine Malerei ab 2000, rigoros abstrakt, setzte dies fort – als Form von Gegenwartsdiagnose und stiller Revolution im Medium Leinwand.
Für Kunstinteressierte bleiben Werke und Nachlass von Mike Steiner ein Schatz, der sich jenseits klassischer Marktlogik entfaltet. In Zeiten digitaler Überfülle bietet Steiners Werk eine Einladung zu echter Begegnung, Reflexion und Neugier. Der Besuch seiner Webseite – Mehr Informationen, Werke und Ausstellungen von Mike Steiner auf der offiziellen Künstlerseite – empfiehlt sich als Ausgangspunkt, um in diese vielschichtige, ungeheuer aktuelle Künstlerbiografie einzutauchen.
Mike Steiner, der Vernetzer und Grenzüberschreiter, gehört ohne Zweifel zu den faszinierendsten Zeitgenössischen Künstlern Deutschlands – einer, dessen Werk zwischen den Medien vermittelt und bis heute Denkräume öffnet.


