Webinar-Steuer: Neue Regeln ab 2026 jetzt verbindlich
21.11.2025 - 16:29:12Das Bundesfinanzministerium hat endgültig geklärt, wie Online-Events besteuert werden. Ab Januar 2026 gelten neue Regeln – und die Unterschiede zwischen Live-Streaming und aufgezeichneten Inhalten könnten teuer werden.
Die Zeit drängt: Noch sechs Wochen bleiben Veranstaltern von Webinaren, Online-Konferenzen und digitalen Fortbildungen, um ihre Systeme anzupassen. Was das Bundesfinanzministerium (BMF) im August in einem Erlass festlegte, wird zum Jahreswechsel verbindlich – und bringt fundamentale Änderungen für die Umsatzsteuer-Behandlung virtueller Veranstaltungen.
Der neue Erlass vom 8. August 2025 ersetzt die umstrittenen Regelungen vom April 2024 und schafft erstmals klare rechtliche Verhältnisse. Besonders brisant: Die Unterscheidung zwischen “live” und “aufgezeichnet” entscheidet künftig nicht nur über den Ort der Besteuerung, sondern auch über mögliche Steuerbefreiungen.
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Das Herzstück der neuen Richtlinien liegt in der strikten Trennung zwischen Live-Teilnahme und vorproduziertem Content. Live-Streams gelten demnach nicht als “elektronisch erbrachte Leistung”, sondern als “Leistung im Zusammenhang mit dem Zutritt” zu einer Veranstaltung.
Was kompliziert klingt, hat weitreichende Folgen: Live übertragene Seminare können jetzt dieselben Steuerbefreiungen nutzen wie ihre physischen Pendants. Wenn ein Präsenz-Seminar nach § 4 Nr. 21 oder Nr. 22 UStG umsatzsteuerfrei ist, gilt das nun explizit auch für den Livestream – vorausgesetzt, es gibt eine Interaktionsmöglichkeit in Echtzeit.
Aufgezeichnete Inhalte hingegen bleiben als “elektronisch erbrachte Leistung” klassifiziert. Für diese On-Demand-Videos gilt: Der Leistungsort liegt immer am Wohnort des Kunden, und die Bildungs-Steuerbefreiungen greifen in der Regel nicht. Eine Entscheidung, die Anbieter asynchroner Online-Kurse weiterhin vor Herausforderungen stellt.
Hybrid-Angebote: Endlich Klarheit nach Gesamtbetrachtung
Den wohl größten Kurswechsel vollzieht das BMF bei Kombi-Paketen aus Live-Zugang und späterer Aufzeichnung. Bisher galten solche “Hybrid”-Angebote oft pauschal als einheitliche, vollständig steuerpflichtige Leistung – was Steuerbefreiungen für Bildungsträger praktisch zunichtemachte, selbst wenn sie nur eine “Replay”-Option anboten.
Die neue Linie setzt auf eine differenzierte Gesamtbetrachtung: Entscheidend ist nun, welches Element aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers überwiegt. Dient die Aufzeichnung lediglich als Zusatzservice zum Live-Event – etwa als Backup für verhinderte Teilnehmer –, kann das gesamte Paket der steuerlichen Behandlung der Live-Veranstaltung folgen. Die Steuerbefreiung bleibt erhalten.
Bildet die Aufzeichnung hingegen den Hauptnutzen, wird das Angebot als steuerpflichtiger elektronischer Inhalt behandelt. Diese Anpassung orientiert sich an jüngerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und stellt die wirtschaftliche Realität über formale Kriterien.
Countdown läuft: Umstellung bis Silvester
Obwohl der BMF-Erlass bereits im August veröffentlicht wurde, steigt der Handlungsdruck erst jetzt spürbar. Bis zum 31. Dezember 2025 gilt eine Übergangsfrist, in der Unternehmen theoretisch noch nach den alten Interpretationen verfahren dürfen – wovon angesichts der meist günstigeren neuen Regelungen kaum jemand Gebrauch machen dürfte.
Ab dem 1. Januar 2026 gelten die neuen Bestimmungen dann weitgehend ausnahmslos. “Veranstalter müssen die verbleibenden Wochen nutzen, um Preismodelle und Abrechnungssysteme zu überprüfen”, warnen Steuerexperten. Besonders Unternehmen, die an Verbraucher in anderen EU-Mitgliedstaaten verkaufen, müssen sicherstellen, dass ihre Systeme zwischen einem “Live-Ticket” und einem “On-Demand-Pass” unterscheiden können.
Warum jetzt diese Präzisierung?
Die Klarstellung erfolgt nach einem Jahr regulatorischer Turbulenzen. Die pandemiebedingte Digitalisierung von Veranstaltungen hatte die Umsatzsteuergesetze schlicht überholt – inkonsistente Betriebsprüfungen und Verwirrung über die Einordnung von Zoom-Seminaren waren die Folge.
Die Angleichung an EU-Richtlinien gilt als stabilisierende Maßnahme. Indem die Finanzverwaltung explizit anerkennt, dass ein Live-Online-Seminar funktional einem Präsenz-Seminar entspricht, beseitigt sie eine Hürde für digitale Bildung und Kulturzugang. Die strikte Behandlung voraufgezeichneter Inhalte bleibt allerdings ein Stolperstein für “Netflix-artige” Bildungsplattformen.
Offene Fragen bei der “Interaktion”
Steuerexperten rechnen mit weiteren Präzisierungen zur Definition von “Interaktion”. Die aktuellen Leitlinien deuten an, dass für einen steuerlich begünstigten Live-Stream die Möglichkeit zur Interaktion bestehen muss – etwa durch Frage-und-Antwort-Runden. Rein passive Livestreams könnten weiterhin in die Nähe von Rundfunkdiensten gerückt werden.
Während Branchenverbände detaillierte Compliance-Checklisten vorbereiten, ist die Botschaft aus Berlin eindeutig: Live oder aufgezeichnet – diese Frage bestimmt künftig Ihre Steuerlast.
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