Thyssenkrupp, Betriebsrat

Thyssenkrupp: Betriebsrat stellt Ultimatum bei Jindal-Verkauf

28.11.2025 - 16:10:12

Die deutsche Industrielandschaft steht vor einem entscheidenden Moment: Können tradierte Mitbestimmungsrechte in einer globalisierten Wirtschaft überleben? Zwei Ereignisse dieser Woche zeigen, wie heftig um diese Rechte gekämpft wird.

Während bei Thyssenkrupp Steel der Betriebsrat den geplanten Verkauf an den indischen Stahlriesen Jindal Steel blockiert, feierte Volkswagen am Donnerstag das 80-jährige Bestehen seines Betriebsrats. Zwei Welten, ein Thema: Die Zukunft der Mitbestimmung steht auf dem Spiel.

Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche stellte der Konzernbetriebsrat von Thyssenkrupp Steel gemeinsam mit der IG Metall ein klares Ultimatum. Die Botschaft aus Düsseldorf: Ohne rechtsverbindliches „Fair-and-Best-Owner-Agreement” gibt es keine Zustimmung zum Verkauf der Stahlsparte.

„Erst das Fair-and-Best-Owner-Agreement, dann kann der Verkauf vollzogen werden”, erklärte Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. Diese Forderung ist kein taktisches Manöver – sie ist eine Kampfansage an jede Form von Mitbestimmungs-Erosion unter einem neuen, außereuropäischen Eigentümer.

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Was genau fordert der Betriebsrat? Die Liste ist konkret:

  • Beschäftigungs- und Standortsicherung: Alle bestehenden Tarifverträge und Standortgarantien müssen bis zum 30. September 2030 gelten
  • Investitionszusagen: Verbindliche Finanzierungszusagen für die Modernisierung der Stahlwerke
  • Mitbestimmungsstandards: Die hohen Standards der Arbeitnehmerbeteiligung dürfen nicht verwässert werden

Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall, betonte, dass solche Vereinbarungen bei Thyssenkrupp „gute Tradition” hätten. Doch hinter dieser diplomatischen Formulierung steckt eine handfeste Sorge: Können komplexe M&A-Strukturen genutzt werden, um die strengen Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zu umgehen?

VW feiert inmitten des Umbruchs

Nur zwei Tage später, am Donnerstag, stand in Wolfsburg ein historisches Jubiläum auf dem Programm. Der VW-Konzernbetriebsrat feierte sein 80-jähriges Bestehen – mit VW-Chef Oliver Blume, Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies und IG-Metall-Chefin Christiane Benner als Gästen.

Die Feier war mehr als nur Nostalgie. Sie sendete ein Signal: Der Betriebsrat versteht sich als gleichberechtigter Partner, gerade in Krisenzeiten. Die Geschichte begann 1945, unmittelbar nach Kriegsende, als die erste Arbeitnehmervertretung im Werk gegründet wurde.

Eva Umlauf, Präsidentin des Internationalen Auschwitz-Komitees, hielt die Festrede und verknüpfte die Geschichte des Betriebsrats mit der Verantwortung des Unternehmens für die Zwangsarbeit während der NS-Zeit. Ein Moment der Reflexion, der die Bedeutung von Arbeitnehmerrechten historisch einordnete.

Doch die Realität holte die Feiernden schnell ein. Die Automobilindustrie steht massiv unter Druck: Elektrifizierung, Kostensenkungen, strukturelle Umbrüche. Das „Wolfsburger Modell” der kooperativen Konfliktlösung wird härter getestet denn je. Kann es diesen Belastungen standhalten?

Die rechtliche Grauzone

Beide Fälle offenbaren eine kritische rechtliche dynamik. Nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes müssen Unternehmen den Betriebsrat über alle „Betriebsänderungen” informieren und konsultieren, die erhebliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen.

Doch was genau ist eine Betriebsänderung? Bei Share Deals oder komplexen Verkäufen wie der geplanten Thyssenkrupp-Jindal-Transaktion verschwimmen die Grenzen. Bleibt die rechtliche Identität des Arbeitgebers technisch gleich, können Eigentümer argumentieren, dass § 111 nicht im gleichen Maße greift wie bei einer direkten Umstrukturierung.

Genau diese Grauzone will der Thyssenkrupp-Betriebsrat mit dem geforderten Agreement schließen. Indem die Zustimmung an diesen Vertrag geknüpft wird, entsteht eine privatrechtliche Absicherung – ein Ersatz oder eine Verstärkung für gesetzliche Rechte, die sonst verwässert werden könnten.

Rechtsexperten warnen: Verstöße gegen diese Rechte können teure einstweilige Verfügungen nach sich ziehen. Die IG Metall will bei Thyssenkrupp genau das vermeiden, indem sie präventiv Garantien sichert statt reaktiv vor Gericht zu ziehen.

Ein Winter der Entscheidungen

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob das deutsche Modell der Mitbestimmung fit für das 21. Jahrhundert ist. Der Thyssenkrupp-Betriebsrat hat den Vorstand aufgefordert, „kurzfristig” in Verhandlungen über die Eigentümervereinbarung einzutreten. Das Ergebnis könnte Signalwirkung für künftige internationale Übernahmen haben.

Bei Volkswagen schließt das Jubiläum eine Woche der Reflexion ab, doch die operativen Herausforderungen bleiben. Wie das Unternehmen seine Transformationsstrategien bis 2026 umsetzt, wird maßgeblich davon abhängen, ob der Betriebsrat seine historische Stärke nutzen kann.

Die Botschaft aus Deutschlands Industrieherz ist eindeutig: Betriebsänderungen werden nicht als einseitige Managemententscheidungen akzeptiert. Der Kampf um Mitbestimmung wird nicht erst im Gerichtssaal geführt – sondern am Verhandlungstisch, bevor die Tinte unter einem Kaufvertrag getrocknet ist.

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