Österreich: Bürokratie-Kahlschlag soll Wirtschaft 15 Milliarden sparen
03.12.2025 - 18:50:12
Die österreichische Bundesregierung will Ernst machen mit dem Abbau überbordender Vorschriften. Am heutigen Mittwoch präsentierte die ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition ein umfassendes Entbürokratisierungspaket mit 113 konkreten Maßnahmen. Das Versprechen: Jährliche Einsparungen von rund 15 Milliarden Euro für die Wirtschaft. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) und Staatssekretär Josef Schellhorn (Neos) stellten das Reformprogramm vor, das bereits zum 1. Januar 2026 in Kraft treten soll.
Im Zentrum stehen deutlich höhere Buchführungsgrenzen, das Ende der Papierarchivierung bei Betriebsprüfungen und die Akzeptanz englischsprachiger Firmenbuchdokumente. Kann das die lahmende Konjunktur ankurbeln?
Die wohl spürbarste Entlastung für Klein- und Mittelbetriebe: Die Umsatzgrenze für die doppelte Buchführungspflicht steigt von derzeit 700.000 Euro auf eine Million Euro. Zusätzlich führt die Regierung eine Toleranzgrenze von 1,5 Millionen Euro ein – als Puffer gegen einmalige Umsatzspitzen.
„Wir passen die Grenzen endlich an die wirtschaftliche Realität an”, erklärte Hattmannsdorfer bei der Pressekonferenz im Anschluss an den Ministerrat. „Damit befreien wir faktisch Tausende kleinere Unternehmen von komplexer und teurer Buchhaltung. Sie können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren statt auf Papierkram.”
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Die Anpassung folgt ähnlichen Schritten in Deutschland, wo die Schwellenwerte kürzlich im Rahmen des Wachstumschancengesetzes angehoben wurden. Ein DACH-weiter Trend zur inflationsbereinigten Rechnungslegung zeichnet sich ab.
Das Papierzeitalter ist vorbei
Revolutionär könnte sich die vollständige Digitalisierung der Betriebsprüfung erweisen. Kernstück: Die Abschaffung der Aufbewahrungspflicht für physische Belege wie Rechnungen und Lieferscheine.
Unternehmen dürfen künftig sämtliche prüfungsrelevanten Dokumente ausschließlich digital archivieren – vorausgesetzt, die digitalen Archive erfüllen Sicherheits- und Zugangsstandards. Auch die Gewerbeanmeldung wird „sofort und vollständig digital” möglich, ohne Gang zur Bezirksbehörde.
„Wir verlassen endlich das Papierzeitalter”, betonte Staatssekretär Schellhorn, der die Taskforce leitete. „Ein digitaler Beleg ist genauso gültig wie ein physischer. Das klingt simpel, aber seit Jahrzehnten mieten Firmen Lagerhallen, nur um Papier fürs Finanzamt aufzubewahren. Damit ist jetzt Schluss.”
Steuerexperten geben allerdings zu bedenken: Der rechtliche Zwang zum Papier fällt weg, doch die technische Anforderung an die Datenintegrität bleibt hoch. Unternehmen müssten ihre digitalen Archive GoBD-konform gestalten, um risikofrei von den Vereinfachungen zu profitieren.
Englisch fürs Firmenbuch
Lange gefordert, nun umgesetzt: Das Firmenbuch akzeptiert künftig englischsprachige Dokumente ohne vereidigte deutsche Übersetzung. Eine Maßnahme, die vor allem die Startup-Szene und internationale Investoren aufhorchen lässt.
„Österreich konkurriert global”, sagte Infrastrukturminister Hanke. „Ausländische Investoren zu zwingen, Standarddokumente ins Deutsche zu übersetzen, war eine unnötige Hürde.” Die Neuregelung dürfte Gründungsprozesse für internationale Holdingstrukturen deutlich beschleunigen und Rechtskosten senken.
Pickerl-Reform: Längere Intervalle
Auch jenseits der Buchhaltung greift das Paket. Bemerkenswert: Die Verlängerung der Fahrzeugprüfintervalle für die §57a-Begutachtung, besser bekannt als „Pickerl”.
Das bisherige „3-2-1-Schema” (erste Prüfung nach drei Jahren, dann nach zwei, dann jährlich) wird auf ein „4-2-2-2-1-Modell” umgestellt. Neuwagen müssen erst nach vier Jahren zur Erstprüfung, danach alle zwei Jahre bis zum zehnten Lebensjahr. Die Angleichung an andere EU-Staaten wie Frankreich soll Flottenbetreibern und Privathaltern Millionen an Prüfgebühren und Ausfallzeiten ersparen.
Wirtschaft applaudiert – mit Vorbehalten
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) lobte den „pragmatischen Ansatz” bei den Buchführungsgrenzen. Die Industriellenvereinigung (IV) hob die Akzeptanz englischer Dokumente als „längst überfälliges Signal an internationale Investoren” hervor.
Doch Vorsicht ist geboten: Die Umstellung auf volldigitale Prüfungen erfordert robuste IT-Systeme. „Die rechtliche Pflicht zum Papier entfällt, aber die technische Anforderung an die Datenintegrität bleibt hoch”, warnten Steuerberater in ersten Reaktionen. Unternehmen ohne solide digitale Infrastruktur könnten Probleme bekommen.
Schnelle Umsetzung geplant
Die heute vorgestellten Maßnahmen sollen im Eilverfahren durch das Parlament gebracht werden. Die meisten Änderungen – einschließlich der neuen Buchführungsgrenzen – treten voraussichtlich am 1. Januar 2026 in Kraft.
Staatssekretär Schellhorn kündigte an, dies sei erst der Anfang: „Wir haben 113 ‚Steinchen im Schuh’ unserer Unternehmer identifiziert. Wir entfernen sie heute, aber das Entrümpeln unserer Gesetze geht weiter.”
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
| Maßnahme | Aktuell | Neu (geplant ab 2026) |
|---|---|---|
| Buchführungsgrenze | 700.000 Euro Umsatz | 1.000.000 Euro Umsatz |
| Belegarchivierung | Physisch/Hybrid oft vorgeschrieben | Rein digital (Rechnungen/Lieferscheine) |
| Firmenbuch | Deutsche Übersetzung Pflicht | Englische Dokumente akzeptiert |
| §57a-Prüfung (Pickerl) | 3-2-1-Intervall | 4-2-2-2-1-Intervall |
| Gewerbeanmeldung | Hybrid/Papierbasiert | Sofort & vollständig digital |
Mit Bürokratiekosten von geschätzten 3,8 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung setzt die Koalition auf schnelle Entlastung. Ob die 15 Milliarden Euro Einsparpotenzial realistisch sind, wird sich in der Praxis zeigen müssen. Die parlamentarische Debatte dürfte in den kommenden Wochen zeigen, ob alle 113 Maßnahmen Bestand haben.
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