Kölner Gericht schützt kranken Mitarbeiter vor Kündigung
22.11.2025 - 19:40:12Ein wegweisendes Urteil des Kölner Arbeitsgerichts stellt die Kündigungspraxis deutscher Unternehmen auf den Prüfstand. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wer Alternativmaßnahmen ergreift und damit Erfolg hat, darf nicht einfach zur Kündigung greifen – auch wenn der kranke Mitarbeiter das betriebliche Eingliederungsmanagement abbricht.
Die am Mittwoch, 19. November, veröffentlichte Entscheidung (Az. 13 Ca 3566/25) könnte Personalabteilungen bundesweit zum Umdenken zwingen. Denn das Gericht machte klar: Formale Prozesse zählen weniger als nachweisbare Verbesserungen beim Krankenstand.
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein langjähriger Beschäftigter eines großen Logistikunternehmens. Zwischen 2021 und 2025 hatte der Mitarbeiter regelmäßig die kritische Schwelle von sechs Wochen Krankheit pro Jahr überschritten – ein Wert, der in der deutschen Arbeitsrechtspraxis häufig als Indikator für eine negative Gesundheitsprognose gilt.
Im Mai 2025 startete der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM). Doch der Mitarbeiter brach das Verfahren ab. Nach gängiger Rechtsprechung hätte dies die Position des Unternehmens bei einer krankheitsbedingten Kündigung eigentlich stärken müssen.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) entscheidet zunehmend über Kündigungsfolgen. Wer BEM-Prozesse rechtssicher gestaltet, schützt Arbeitsplätze und minimiert Prozessrisiken. Das kostenlose E‑Book bietet eine komplette Anleitung für den BEM‑Ablauf, praxiserprobte Gesprächsleitfäden, eine Muster‑Betriebsvereinbarung und praktische Vorlagen zur Dokumentation erfolgreicher Wiedereingliederungen. Ideal für Personalabteilungen, Betriebsräte und Führungskräfte, die Verbesserungen sauber nachweisen wollen — gerade nach dem Kölner Urteil. Sofort einsetzbare Checklisten sparen Zeit bei der Vorbereitung und stärken Ihre Beweisführung vor Gericht. Jetzt kostenlosen BEM‑Leitfaden herunterladen
Doch es gab einen entscheidenden Unterschied: Bereits im August 2024 hatten beide Seiten vereinbart, den Mitarbeiter von der körperlich anspruchsvollen Nachtschicht im Außendienst auf eine weniger belastende Tagschicht im Innenbereich zu versetzen. Das Ergebnis war verblüffend: In den folgenden neun Monaten sank die Zahl der Krankheitstage auf nur noch 23 – hochgerechnet deutlich unter der Sechs-Wochen-Grenze.
Trotzdem kündigte das Unternehmen im Mai 2025. Die Begründung: Der Krankenstand sei weiterhin wirtschaftlich nicht tragbar.
Gericht: Verbesserung schlägt Formalität
Das Arbeitsgericht Köln wies die Kündigung am 18. November als “sozial ungerechtfertigt” zurück. Die Richter stellten drei zentrale Punkte heraus:
Vorrang milderer Mittel: Die Versetzung auf den Tagdienst war eine deutlich mildere Maßnahme als eine Kündigung – und musste daher Vorrang haben.
Bewiesene Wirksamkeit: Der drastische Rückgang der Krankheitstage bewies, dass die Maßnahme funktionierte. Das Unternehmen hätte diesem neuen Arbeitsmodell mehr Zeit geben müssen, um seine langfristige Tragfähigkeit unter Beweis zu stellen.
BEM-Abbruch irrelevant: Auch wenn der Mitarbeiter das formale BEM beendete, konnte sich der Arbeitgeber darauf nicht stützen – schließlich existierte bereits eine funktionierende Alternative. Die für eine Kündigung notwendige negative Gesundheitsprognose ließ sich angesichts der jüngsten Verbesserung nicht mehr halten.
“Diese Entscheidung macht deutlich: Ein abgebrochenes BEM ist kein Freifahrtschein für die Kündigung, wenn das Unternehmen bereits eine Lösung gefunden hat, die offensichtlich wirkt”, kommentieren Arbeitsrechtsexperten das Urteil.
Wirtschaftlicher Druck trifft auf juristische Realität
Das Urteil fällt zeitlich zusammen mit einer am 19. November veröffentlichten Studie über die wirtschaftliche Bedeutung von Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement. Die Zahlen sind beeindruckend: Für jeden investierten Euro in Präventions- und Eingliederungsmaßnahmen erzielen Unternehmen durchschnittlich 2,20 Euro Rendite durch vermiedene Unfälle und Ausfallzeiten.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt dieses Verhältnis bei umfassenden Sicherheitsstrategien sogar auf bis zu 1:4. “Investitionen in Arbeitssicherheit und BEM sind keine reinen Compliance-Kosten, sondern direkte Beiträge zur operativen Stabilität”, betont die Studie.
Mit dem Kölner Urteil, das nun strengere Integration fordert, wird das finanzielle Argument für effektive BEM-Prozesse noch gewichtiger.
Was Personalabteilungen jetzt tun müssen
Die Entwicklungen dieser Woche signalisieren einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Langzeiterkrankungen. HR-Abteilungen sollten ihre Prozesse umgehend anpassen:
Erfolg dokumentieren: Wird ein Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen versetzt, müssen die Krankheitsraten für diese Phase genau erfasst werden. Ein Abwärtstrend kann eine Kündigung rechtlich blockieren – selbst wenn die absoluten Zahlen zunächst noch hoch bleiben.
Geduld zeigen: Das Kölner Gericht kritisierte die “Eile” des Arbeitgebers. Zeigt eine Maßnahme erste Erfolge, erwarten Gerichte eine längere Beobachtungszeit – möglicherweise zwölf Monate oder mehr – bevor sie als gescheitert gelten darf.
Alle Maßnahmen festhalten: Auch außerhalb eines formalen BEM sind vereinbarte Änderungen der Arbeitsbedingungen – Schichtwechsel, ergonomische Verbesserungen – rechtlich bindende Beweise für Integrationsbemühungen.
Ausblick: Weitere Klärungen 2026?
Rechtsbeobachter erwarten, dass der Arbeitgeber möglicherweise vor das Landesarbeitsgericht zieht, was 2026 zu weiteren Präzisierungen führen könnte. Die unmittelbare Botschaft ist jedoch unmissverständlich: Deutsche Arbeitsgerichte prüfen zunehmend die tatsächliche medizinische Realität eines Mitarbeiters – und nicht nur die formalen Schritte eines BEM-Verfahrens.
Für den Rest des Jahres 2025 gilt: Personalabteilungen sollten substantielle Wiedereingliederungsmaßnahmen über reine Verfahrenskonformität stellen, um Prozessrisiken zu minimieren. Denn eines hat Köln gezeigt – am Ende zählt, was wirklich wirkt.
PS: Steht bei Ihnen ein BEM‑Gespräch an? Viele Betriebsräte und HR‑Teams machen Formfehler, die die rechtliche Wirkung schwächen. Der kostenlose Leitfaden zeigt die sieben häufigsten Fehler, liefert ein praxistaugliches Gesprächsleitfaden‑Set sowie eine Muster‑Betriebsvereinbarung und eine Checkliste zur lückenlosen Dokumentation. So sichern Sie Arbeitsplätze, wenn Maßnahmen wirken — genau wie das Kölner Gericht es einfordert. Sofort einsetzbar, rechtlich geprüft und kostenlos zum Download. Gratis BEM‑Checkliste & E‑Book sichern


