Gericht, Zeiterfassung

Gericht bestätigt: Zeiterfassung ist Pflicht für alle

24.12.2025 - 21:30:12

Das Hamburger Verwaltungsgericht hat die Zeiterfassung als Gesundheitsschutzmaßnahme eingestuft. Diese Entscheidung löst für Arbeitgeber sofortige Unterweisungspflichten aus.

HAMBURG/BERLIN – Ein Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts (VG Hamburg) stellt die Arbeitswelt auf den Kopf. Das Gericht bestätigte diese Woche, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes ist. Damit sind Arbeitgeber nach § 12 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sofort zur verbindlichen Unterweisung ihrer Mitarbeiter verpflichtet. Diese Entscheidung trifft insbesondere Branchen mit „vertrauensbasierter Arbeitszeit“ wie Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen.

Im konkreten Fall hatte eine internationale Hamburger Anwaltskanzlei gegen eine Anordnung der Arbeitsschutzbehörde geklagt. Die Kanzlei argumentierte, ihre Anwälte arbeiteten nach einem Vertrauensmodell und eine Zeiterfassung schränke die berufliche Flexibilität ein. Das Gericht wies diese Argumentation am 18. November 2025 entschieden zurück.

Die Richter stellten klar: Die Erfassung der Arbeitszeit ist keine bloße Verwaltungsaufgabe. Sie ist eine „notwendige Maßnahme des Arbeitsschutzes“, die sich aus § 3 ArbSchG und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019 ableitet. Das Gericht sah im Fall der Kanzlei einen „berechtigten Verdacht auf regelmäßige Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeiten“.

Anzeige

Passend zum Thema Zeiterfassung und Arbeitsschutz: Arbeitgeber stehen jetzt unter Druck, Nachweise und Unterweisungen lückenlos zu dokumentieren – bei Verstößen drohen Anordnungen und Bußgelder. Ein kostenloses E‑Book erklärt praxisnah, wie Sie die Arbeitszeiterfassung gesetzeskonform umsetzen, welche Mustervorlagen (Stundenzettel, Dokumentationsformulare) Sie benötigen und wie Sie Unterweisungen rechtssicher festhalten. So sind Sie auf Kontrollen vorbereitet und können rechtliche Risiken minimieren. Jetzt gratis E‑Book zur Arbeitszeiterfassung sichern

„Das Gericht hat klargestellt: Wenn Zeiterfassung Gesundheitsschutz ist, dann trägt der Arbeitgeber die Verantwortung dafür“, kommentiert Arbeitsrechtsexperte Dr. Franz Anwey. „Das aktiviert automatisch die Unterweisungspflicht. Man kann Mitarbeiter nicht einfach auffordern, ihre Zeit zu erfassen, ohne sie über die Gesundheitsrisiken überlanger Arbeit und den korrekten Umgang mit dem Erfassungssystem zu belehren.“

Die Unterweisungspflicht: Mehr als nur Software-Einführung

Die Einstufung als Gesundheitsschutzmaßnahme hat gravierende Folgen. § 12 ArbSchG verpflichtet Arbeitgeber, ihre Beschäftigten „ausreichend und angemessen“ über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen. Bislang betrachteten viele Unternehmen die Zeiterfassung als reine Lohn- oder Personalabrechnungsfrage.

Die bestätigte Unterweisungspflicht umfasst nun:
* Verpflichtende Schulung: Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter formal unterweisen – über die Gründe für Arbeitszeitgrenzen (wie die 10-Stunden-Grenze im Arbeitszeitgesetz) und die korrekte Dokumentation.
* Dokumentation: Die Unterweisung selbst muss dokumentiert werden. Ein Software-Handbuch reicht nicht aus. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass die Mitarbeiter die gesundheitlichen Folgen von Grenzüberschreitungen verstanden haben.
* Keine Delegation der Verantwortung: Mitarbeiter können die Zahlen eintragen, aber der Arbeitgeber bleibt für die Unterweisung zur wahrheitsgemäßen und sicheren Handhabung verantwortlich.

Behörden verschärfen Kontrollen

Parallel zum Urteil mehren sich Berichte über verschärfte Kontrollen der Gewerbeaufsichtsämter. Das Handwerksblatt berichtete am 23. Dezember, dass Behörden in Hamburg und anderen Bundesländern begonnen haben, verbindliche Anordnungen an Unternehmen zu erteilen, die bei Kontrollen keine nachvollziehbaren Zeiterfassungsnachweise vorlegen können.

„Wir beobachten einen Wechsel von beratenden Hinweisen zu behördlichen Anordnungen“, heißt es in dem Bericht. In einem Fall wurde einem Hamburger Arbeitgeber auferlegt, „ein vollständiges System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten“ und den Nachweis der Mitarbeiterunterweisung innerhalb einer Frist vorzulegen. Bei Nichtbefolgung drohen Bußgelder von bis zu 30.000 Euro pro Verstoß.

Diese aggressive Haltung zeigt: Die Behörden warten nicht auf die seit 2023 verschleppte Novelle des Arbeitszeitgesetzes. Sie setzen die bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von 2022 direkt über das Arbeitsschutzgesetz durch.

Politische Pläne bieten keinen Aufschub

Die Entscheidung fällt in eine politisch sensible Phase. Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sieht vor, die elektronische Zeiterfassungspflicht „bürokratiearm“ umzusetzen. Juristen warnen Unternehmen jedoch davor, auf neue Gesetze zu warten.

„Das Urteil des VG Hamburg bestätigt, dass die Rechtsgrundlage für die Durchsetzung heute existiert“, erklärt Arbeitsrechtsexpertin Katharina Primke. „Das Argument, man warte auf das neue Gesetz, ist keine gültige Verteidigung gegen Arbeitsschutzanordnungen mehr.“ Die Gerichte signalisieren: „Flexibilität“ darf nicht auf Kosten von Gesundheit und Transparenz gehen.

Handlungsbedarf für Arbeitgeber vor Jahresende

Angesichts der Urteilsbekanntgabe und der verschärften Kontrollen sollten Unternehmen noch vor dem Jahreswechsel handeln:

  1. Unterweisungsprotokolle prüfen: Die jährliche Sicherheitsunterweisung muss ein Modul zu Arbeitszeitvorschriften und Gesundheitsrisiken bei Nichteinhaltung enthalten.
  2. „Vertrauensarbeitszeit“-Modelle auditieren: Für bisher vermeintlich freigestellte Positionen ist ein Erfassungssystem einzuführen, das den EuGH-Kriterien „objektiv, verlässlich und zugänglich“ entspricht.
  3. Alles dokumentieren: Beweise für alle durchgeführten Unterweisungen zur Zeiterfassung sicher aufbewahren. Diese Dokumentation ist bei einer Kontrolle die primäre Verteidigung gegen Vorwürfe der Fahrlässigkeit.

Die Botschaft der Justiz zum Start ins Jahr 2026 ist eindeutig: Zeiterfassung dient dem Gesundheitsschutz. Die Pflicht, Mitarbeiter über diese kritische Sicherheitsmaßnahme zu unterweisen, ist jetzt eine unmittelbare rechtliche Verpflichtung.

Anzeige

PS: Wenn Sie die neue Unterweisungspflicht schnell und rechtskonform umsetzen wollen, nutzen Sie das kostenlose E‑Book mit praxisnahen Mustervorlagen, Checklisten für Unterweisungsnachweise und konkreten Anleitungen zur Einführung einer verlässlichen Zeiterfassung. So können Sie Nachweise bei Kontrollen sofort vorlegen und Bußgelder vermeiden. Arbeitszeiterfassung jetzt mit Mustervorlagen herunterladen

@ boerse-global.de