FCA greift durch: Großbritannien plant ESG-Rating-Reform
03.12.2025 - 00:49:12Die europäische Nachhaltigkeitsregulierung spaltet sich: Während Brüssel und Berlin Unternehmen Aufschub bei Lieferkettenberichten gewähren, schaltet die britische Finanzaufsicht einen Gang höher. Die Financial Conduct Authority will ESG-Ratingagenturen künftig streng überwachen.
Am Montag veröffentlichte die britische Finanzaufsicht FCA das Konsultationspapier CP25/34 zur künftigen Regulierung von ESG-Ratinganbietern. Bis zum 29. Juni 2028 sollen alle Anbieter von Nachhaltigkeitsbewertungen unter die direkte Aufsicht der Behörde fallen – das Ende einer unregulierten Ära.
Die Konsultation läuft bis zum 31. März 2026 und reagiert auf wachsende Zweifel am Markt. 48 Prozent der Nutzer von ESG-Ratings kritisieren die mangelnde Transparenz der Bewertungsmethoden, 55 Prozent bemängeln schwache Kontrollsysteme der Anbieter. Das zeigt eine von der FCA parallel veröffentlichte Marktstudie.
„Wir wollen ESG-Ratings transparenter, verlässlicher und verständlicher machen”, heißt es im Papier. Ab Juni 2027 können Unternehmen die Zulassung beantragen, ein Jahr später tritt das neue Regime in Kraft.
Der britische Vorstoß orientiert sich an internationalen Empfehlungen der IOSCO, schlägt aber einen anderen Weg ein als die EU – die aktuell vor allem Fristen verlängert.
EU verschiebt Entwaldungsverordnung um ein Jahr
Während London auf Regulierung setzt, gibt Brüssel seinen Unternehmen Luft zum Atmen. Nach der Abstimmung im Europaparlament am 26. November steht fest: Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) wird um zwölf Monate verschoben.
Große und mittlere Unternehmen müssen nun erst ab dem 30. Dezember 2026 nachweisen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sind. Für Kleinstunternehmen und kleine Betriebe gilt eine Schonfrist bis 30. Juni 2027. Die Verschiebung soll IT-Systeme für komplexe Rückverfolgbarkeitsanforderungen schaffen.
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Diese Entwicklung folgt der bereits im April beschlossenen „Stop-the-Clock”-Richtlinie (EU) 2025/794. Sie hatte bereits die Umsetzungsfrist für die Lieferketten-Sorgfaltspflicht-Richtlinie (CSDDD) auf den 26. Juli 2027 verschoben, die erste Anwendungswelle startet erst am 26. Juli 2028.
Deutschland setzt Berichtspflichten aus
Die Bundesrepublik geht noch weiter: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) verzichtet faktisch auf die Durchsetzung der Berichtspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
Unternehmen, die ihren LkSG-Bericht nicht bis zum 31. Dezember 2025 einreichen, müssen keine Sanktionen befürchten. Die administrative Pause ist eine direkte Reaktion auf die anstehende Harmonisierung mit der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD).
Darüber hinaus plant die Bundesregierung, die separate LkSG-Berichtspflicht rückwirkend zum 1. Januar 2023 komplett abzuschaffen. Die im September vom Kabinett gebilligten Gesetzesänderungen stehen kurz vor der Umsetzung. Während die Papierflut abnimmt, bleiben die Kernpflichten bestehen: Risikoanalysen und Präventivmaßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten sind weiterhin verpflichtend.
„Der Fokus hat sich vom Papierkram auf echtes Risikomanagement verschoben”, konstatieren Branchenbeobachter. Das BAFA behält sich allerdings vor, materielle Verstöße gegen Sorgfaltspflichten zu ahnden.
Greenwashing bleibt im Visier
Trotz aller Fristverlängerungen: Die Kontrolle von Nachhaltigkeitsversprechen wird schärfer. Eine aktuelle Analyse der Kanzlei Freshfields vom 1. Dezember warnt, dass „Greenwashing” oberste Priorität für Aufsichtsbehörden bleibt. Besonders die britische Werbeaufsicht ASA kontrolliert Umweltwerbeversprechen engmaschig.
Unternehmen investieren derweil unabhängig von Regulierungsfristen: Die Lloyds Banking Group kündigte am Montag an, umgerechnet 137 Millionen Euro in die Modernisierung und Dekarbonisierung ihres Halifax-Hauptsitzes zu stecken. Ein Signal, dass Marktkräfte und operative Effizienz ESG-Ausgaben treiben – ungeachtet schwankender Compliance-Termine.
Der Weg in die Zwei-Geschwindigkeiten-Welt
Für Compliance-Teams entsteht ein komplexes Umfeld mit unterschiedlichen Takten:
Erstes Quartal 2026: Finalisierung der EUDR-Verzögerung und Auswertung der FCA-Konsultation erwartetet.
Ende 2026: Großunternehmen müssen voll funktionsfähige Rückverfolgbarkeitssysteme vorweisen können.
2027-2028: Die „Compliance-Klippe” kommt – das britische Rating-Regime und die EU-CSDDD treten nahezu zeitgleich in Kraft.
Die unmittelbare Dezember-Deadline ist für EU-Lieferketten vorerst entschärft. Doch während Brüssel die Pause-Taste drückt, dreht London am Regulierungsrad. Wer auf beiden Märkten aktiv ist, muss künftig zweigleisig fahren: abbremsen für die EU, beschleunigen für Großbritannien.
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