Rechtswende in der Unfallversicherung trifft Logistikbranche
03.12.2025 - 00:42:12Die deutsche Logistik- und Transportbranche steht vor widersprüchlichen Signalen: Während Brüssel die Lieferkettenpflichten lockern könnte, verschärfen Sozialgerichte die Auslegung des Unfallversicherungsschutzes dramatisch. Zwei aktuelle Urteile definieren neu, wo der gesetzliche Schutz endet – mit weitreichenden Folgen für Bereitschaftsdienste und Kleinunternehmen.
Für Logistikverantwortliche bedeutet das: Weniger Bürokratie ist möglich, aber größere Haftungslücken sind bereits Realität.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat mit einem Urteil vom 6. November 2025 (Az. L 3 U 42/24) eine klare Grenze gezogen: Wer im Bereitschaftsdienst zu Hause auf Abruf wartet und sich beim Weg zur Haustür verletzt, steht ohne gesetzlichen Unfallschutz da.
Der Fall betraf einen 72-jährigen Abschleppwagenfahrer. Um 2 Uhr nachts erreichte ihn ein Noteinsatz. Beim Abstieg im Treppenhaus seines Wohnhauses stürzte er und verletzte sich. Die Klage auf Anerkennung als Arbeitsunfall scheiterte.
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Das Gericht etablierte das sogenannte “Schwellenprinzip”: Anders als beim Home Office, wo bestimmte Wege innerhalb der Wohnung versichert sein können, beginnt der Schutz bei Rufbereitschaft erst beim Überschreiten der Außentür des Wohngebäudes. Der Weg durchs Treppenhaus galt als vorbereitende Handlung im privaten Bereich.
Konsequenz: Logistikunternehmen, die Bereitschaftsdienste für Disponenten oder Fahrer nutzen, müssen ihre privaten Unfallversicherungen überprüfen. Die gesetzliche Absicherung der DGUV endet faktisch an der Wohnungstür.
Bürohund wird zur Haftungsfalle
Das Sozialgericht Dortmund verschärfte den restriktiven Kurs mit einer weiteren Entscheidung (Az. S 18 U 347/24): Ein Unternehmer, der auf seinem Firmengelände über die Leine seines eigenen Hundes stolperte, erhielt keine Anerkennung als Arbeitsunfall.
Der Kläger hatte argumentiert, der Hund diene als Wachhund und verbessere die Büroatmosphäre. Das Gericht wies dies zurück: Die Hundehaltung sei eine “private Entscheidung”, unabhängig vom Aufenthaltsort des Tieres. Das Sturzrisiko durch die Leine gehöre zur persönlichen Sphäre, nicht zu den betrieblichen Risiken. Argumente über Sicherheits- oder Marketingfunktionen wurden als unzureichend abgelehnt.
Warnsignal: Gerade für kleine und mittlere Logistikunternehmen, wo private und geschäftliche Sphären oft verschwimmen, wird die Grenze schärfer gezogen. Unfälle durch “private” Elemente – Haustiere, Kinder oder Hobbyausrüstung – dürften selbst bei Arbeitszeit auf Firmengelände vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben.
Brüssel plant Entlastung bei Lieferkettenpflichten
Während Gerichte die Haftung verschärfen, könnte sich der Regulierungsdruck bei Lieferketten entspannen. Das Europäische Parlament verabschiedete Mitte November 2025 eine Verhandlungsposition zur “Omnibus”-Richtlinie, die die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) deutlich abschwächen könnte.
Der Vorschlag sieht vor, die Schwellenwerte auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und 1,5 Milliarden Euro Umsatz anzuheben. Diese drastische Erhöhung würde etwa 80 Prozent der ursprünglich betroffenen Firmen von direkten Compliance-Pflichten befreien.
Aktueller Stand: Die Abstimmung ist eine Verhandlungsposition, kein geltendes Recht. Dennoch hat sie in Berlin intensive Debatten über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ausgelöst. Industrieverbände fordern eine Aussetzung oder Anpassung des deutschen Gesetzes, um “Wettbewerbsnachteile” gegenüber EU-Konkurrenten zu vermeiden.
Für Logistikdienstleister entsteht ein “Compliance-Limbo”: Während die gesetzliche Pflicht zur Lieferantenprüfung nach aktuellem deutschen Recht bestehen bleibt, deutet die politische dynamik auf künftige Bürokratieentlastung hin.
DGUV warnt vor Hitze und Gewalt
Neben Gerichtssaal und Parlament hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Ende November neue Praxisleitlinien für unmittelbare Betriebsrisiken veröffentlicht.
Die Ankündigungen vom 27. und 28. November 2025 betreffen zwei kritische Bereiche:
Klimaanpassung: Die Nationale Präventionskonferenz hat “Klimaanpassung” in ihre bundesweiten Rahmenempfehlungen integriert. Nach Rekordtemperaturen 2025 werden von Logistikunternehmen nun explizit Hitzeschutzkonzepte für Fahrer und Lagerpersonal als Teil der Arbeitsschutzpflichten erwartet.
Gewaltprävention: Als Reaktion auf zunehmende Aggressionen gegen Lieferfahrer und Servicekräfte hat die DGUV ein neues Präventionskonzept vorgelegt. Es setzt auf Deeskalationstraining und technische Sicherheitsmaßnahmen. Die Initiative “Beschäftigte durch Prävention vor Gewalt schützen” bietet einen strukturierten Ansatz zur Risikobewertung physischer und verbaler Angriffe.
Zweischneidiges Jahresende
Die Logistikbranche muss zum Jahresende 2025 eine Realität mit zwei Geschwindigkeiten bewältigen. Einerseits wird die Sicherheits-Compliance granularer, Gerichte ziehen strikte Grenzen zwischen “betrieblichen” und “privaten” Risiken. Andererseits befindet sich das makroregulatorische Umfeld für Lieferketten im Umbruch – mit möglicher Entlastung bei Berichtspflichten ab 2026.
Handlungsempfehlungen für Dezember:
- Versicherungsprüfung: Klären Sie, ob private Unfallpolicen für Mitarbeiter mit Bereitschaftsdiensten die “Treppenlücke” abdecken.
- Betriebsgeländecheck: Bewerten Sie “Mischnutzungsrisiken” durch Haustiere oder private Gegenstände auf Firmengelände neu.
- Wintervorbereitung: Setzen Sie die DGUV-Empfehlungen zum Eis- und Rutschschutz um, besonders für Zustellpersonal, wie am 25. November aktualisiert.
Hinweis: Dieser Artikel informiert über aktuelle rechtliche und regulatorische Entwicklungen und stellt keine Rechtsberatung dar. Unternehmen sollten für spezifische Compliance-Pflichten rechtlichen Rat einholen.
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