EUDR: Europaparlament verschiebt Entwaldungsverordnung um ein Jahr
27.11.2025 - 23:10:12Brüssel am Scheideweg: Umweltschutz oder Wirtschaftsinteressen? Das EU-Parlament hat am Mittwoch die umstrittene Entwaldungsverordnung (EUDR) erneut verschoben – diesmal um ein volles Jahr. Mit 402 gegen 250 Stimmen wurde die Frist für große Unternehmen auf den 30. Dezember 2026 verlegt. Doch die Abstimmung brachte weit mehr als nur Aufschub: Weitreichende Ausnahmen und Vereinfachungen könnten das Gesetz grundlegend verändern.
Die Entscheidung vom 26. November 2025 markiert bereits die zweite große Verzögerung für das Regelwerk, das eigentlich den Import von Produkten verhindern soll, die mit Abholzung in Verbindung stehen. Umweltschützer sprechen von einer “Aushöhlung durch tausend Schnitte”, während die Industrie aufatmet.
Wochenlang wurde in Brüssel um den richtigen Kurs gerungen. Die EU-Kommission hatte im Oktober 2025 lediglich eine “Übergangsfrist” vorgeschlagen, um die Umsetzung zu erleichtern – ohne die Fristen formal zu ändern. Doch die Parlamentarier schlossen sich der härteren Linie des Europäischen Rates an und forderten eine vollständige gesetzliche Verschiebung.
Nach dem nun verabschiedeten Text gelten die Kernverpflichtungen der EUDR ab dem 30. Dezember 2026 für große Unternehmen. Kleine und Kleinstbetriebe erhalten sogar noch mehr Zeit: Ihre Frist wurde auf den 30. Juni 2027 verschoben.
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“Ziel ist es, die Umsetzung der bestehenden Regeln zu vereinfachen und ihre Anwendung zu verschieben, damit sich Betreiber, Händler und Behörden angemessen vorbereiten können”, erklärte der Rat in seinem Verhandlungsmandat. Die Zustimmung des Parlaments macht die Verzögerung praktisch sicher – die abschließenden Trilog-Verhandlungen sollen noch vor Jahresende zügig abgeschlossen werden.
Weitreichende Änderungen am Regelwerk
Der zeitliche Aufschub ist dabei nur die halbe Geschichte. Das Parlament beschloss mehrere einschneidende Änderungen, die Umfang und Durchsetzung der Verordnung fundamental verändern.
Die umstrittene “Kein-Risiko”-Kategorie
Besonders kontrovers ist die Einführung einer “Kein-Risiko”-Länderkategorie. Der ursprüngliche Text sah vor, Länder als niedrig, normal oder hoch riskant einzustufen. Die neue Regelung schafft eine vierte Kategorie für Staaten mit stabilem Waldbestand und strenger Durchsetzung. Unternehmen, die aus diesen “risikofreien” Ländern beziehen – vermutlich viele EU-Mitgliedstaaten, die USA und Kanada – müssen deutlich weniger Sorgfaltspflichten erfüllen.
Kritiker befürchten, dass diese Regelung ein Schlupfloch für das “Waschen” nicht konformer Waren über Niedrigrisiko-Länder schaffen könnte.
Printmedien vom Anwendungsbereich ausgenommen
Überraschend beschlossen die Abgeordneten, gedruckte Bücher und Zeitungen komplett aus der Verordnung herauszunehmen. Die Forst- und Verlagsindustrie hatte argumentiert, die Einbeziehung von Printmedien schaffe unverhältnismäßige administrative Lasten bei Produkten mit langen, komplexen Lieferketten und geringen Entwaldungsrisiken. Ein klarer Erfolg der europäischen Verlagsbranche.
Vereinfachte Berichtspflichten für Händler
Um Beschwerden über bürokratische Doppelarbeit zu begegnen, vereinfachte das Parlament die Meldeprozesse für nachgelagerte Händler. Die Pflicht zur Abgabe einer vollständigen Sorgfaltserklärung liegt künftig vor allem beim Betreiber, der das Produkt erstmals auf den EU-Markt bringt. Nachgelagerte Händler müssen nur noch auf die ursprüngliche Sorgfaltsnummer verweisen – das eliminiert Tausende redundanter Meldungen entlang der Lieferkette.
Technische Probleme als Begründung
Die Rechtfertigung für diese zweite Verschiebung ähnelt den Argumenten von Ende 2024: technische Unvorbereitetheit.
Trotz Zusicherungen der Kommission, dass das eigens entwickelte IT-System einsatzbereit sei, deuteten Industrieberichte und Rückmeldungen der Mitgliedstaaten auf das Gegenteil hin. Im September 2025 sollen interne Einschätzungen der Kommission Risiken aufgezeigt haben, dass das System die massiven Datenmengen für vollständige Rückverfolgbarkeit nicht bewältigen könne.
“Eine einjährige Verschiebung für alle Unternehmen ist unerlässlich, um Behörden und Betreibern die nötige Zeit für eine ordnungsgemäße Umsetzung zu geben”, erklärte Christine Schneider, die federführende Verhandlungsführerin des Parlaments. Die Verzögerung sei pragmatische Notwendigkeit, kein Rückzug von Umweltzielen.
Industrie atmet auf – NGOs schlagen Alarm
Die Reaktionen auf die Abstimmung könnten kaum gegensätzlicher ausfallen.
Erleichterung in der Wirtschaft
Unternehmensverbände, besonders aus Landwirtschaft und Holzwirtschaft, zeigten sich erleichtert. Eine Koalition von Branchenverbänden hatte am 17. November in einem Brief gewarnt, dass das Festhalten am 2025-Termin inmitten “rechtlicher Unsicherheit und technischer Pannen” Lieferketten stören und Verbraucherpreise erhöhen würde. Die Verschiebung verschafft Unternehmen Luft, ihre Tracking-Systeme anzupassen.
Allerdings äußerten einige Großkonzerne, die bereits Millionen in die Compliance investiert hatten, auch Frust über die sich ständig verschiebenden Ziele. “Das endlose Karussell der Gesetzesrevisionen schafft Marktunsicherheit”, kritisierte ein Vertreter eines großen Kakao-Importeurs. Unternehmen, die sich früh vorbereitet hätten, stünden nun im Nachteil gegenüber Nachzüglern.
Empörung bei Umweltorganisationen
Umweltverbände verurteilten die Abstimmung scharf und sprachen von einer Demontage des EU-Green-Deal-Erbes.
“EU-Abgeordnete fügen der EUDR den Tod durch tausend Schnitte zu”, sagte Nicole Polsterer von der Waldschutz-NGO Fern. Kritiker argumentieren, die “Kein-Risiko”-Kategorie schaffe faktisch ein Schlupfloch für das Waschen nicht konformer Waren und untergrabe die Glaubwürdigkeit der EU auf der Weltbühne.
Der WWF bezeichnete die Situation als “chaotisch und nicht beherrschbar” und warnte, die fortgesetzten Verzögerungen sendeten das Signal, Umweltvorschriften seien verhandelbar, wenn der Industriedruck stark genug ausfalle.
Wie geht es weiter?
Da Parlament und Rat nun weitgehend übereinstimmen, tritt der Gesetzgebungsprozess in seine Endphase:
Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission beginnen Anfang Dezember. Angesichts des breiten Konsenses dürfte dies Formsache sein.
Die formale Verabschiedung muss bis zum 30. Dezember 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden, um zu verhindern, dass die ursprüngliche Frist greift.
Eine Überprüfungsklausel verpflichtet die Kommission bis April 2026 zu einer “Vereinfachungsprüfung”. Diese soll den Verwaltungsaufwand bewerten und könnte vor dem neuen Umsetzungstermin 2026 weitere Änderungen anstoßen.
Für Unternehmen ist die Botschaft klar: Der unmittelbare Druck ist weg, doch die Verordnung verschwindet nicht. Die kommenden zwölf Monate werden sich voraussichtlich auf die Verfeinerung technischer Leitlinien und Bewertungsmethoden konzentrieren, die bestimmen, welche Länder den begehrten “Kein-Risiko”-Status erhalten.
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