EU will DSGVO für KI-Training aufweichen
19.11.2025 - 17:10:12Die Europäische Kommission will den Datenschutz lockern und die Durchsetzung des KI-Gesetzes verzögern. Mit ihrem „Digital Omnibus”-Paket zielt Brüssel auf mehr Wettbewerbsfähigkeit – Datenschützer schlagen Alarm.
Was auf den ersten Blick wie eine technische Reform aussieht, könnte die europäische Digitalpolitik auf den Kopf stellen: Die EU-Kommission hat heute ein umfassendes Gesetzespaket vorgestellt, das ausgerechnet zwei Flaggschiff-Regulierungen auf den Prüfstand stellt. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) soll für KI-Entwickler gelockert, das gerade erst verabschiedete KI-Gesetz in seiner Durchsetzung um über ein Jahr verzögert werden.
Brüssel begründet den Vorstoß mit der Notwendigkeit, Europas technologische Souveränität zu stärken. Die Rechnung der Kommission: Weniger Bürokratie bedeutet mehr Innovation. Bis 2029 könnten Unternehmen bis zu 5 Milliarden Euro an Verwaltungskosten einsparen. Doch der Preis könnte hoch sein – möglicherweise zu hoch für den Datenschutz.
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Der Kern des Vorschlags zielt direkt auf das Herzstück der DSGVO: Künftig sollen Unternehmen personenbezogene Daten für das Training von KI-Modellen auf Basis eines „berechtigten Interesses” verarbeiten dürfen. In der Praxis hieße das: Google, Meta und OpenAI könnten auf riesige Datenmengen zugreifen, ohne in vielen Fällen die explizite Zustimmung der Nutzer einholen zu müssen.
Noch brisanter ist die geplante Neuinterpretation des Begriffs „personenbezogene Daten”. Die DSGVO würde künftig nur noch greifen, wenn eine Person mit „vertretbarem Aufwand” identifiziert werden kann. Datenschutzexperten warnen: Diese Einschränkung könnte den Schutz in zahlreichen Bereichen praktisch aushebeln – allen voran in der Online-Werbung.
Eine Erleichterung gibt es immerhin für genervte Internetnutzer: Die allgegenwärtigen Cookie-Banner sollen verschwinden. Stattdessen könnten Nutzer ihre Einwilligungspräferenzen zentral im Browser hinterlegen.
KI-Gesetz auf Eis: 16 Monate Aufschub für Hochrisiko-Systeme
Was kommt nach dem Kompromiss? Weiterer Kompromiss. Die strengen Vorgaben für Hochrisiko-KI-Systeme – etwa in Medizin, Strafverfolgung oder kritischer Infrastruktur – sollten ursprünglich im August 2026 scharf gestellt werden. Nun gewährt die Kommission der Industrie eine Atempause bis mindestens Dezember 2027.
Die Verschiebung ist eine direkte Reaktion auf massiven Druck aus der Tech-Branche. Unternehmen hatten argumentiert, die komplexen Anforderungen des KI-Gesetzes seien in der vorgesehenen Zeit kaum umsetzbar. Die Kommission verspricht gleichzeitig, verschiedene Datengesetze wie den Data Act und die Open-Data-Richtlinie zu harmonisieren – ein Versuch, das regulatorische Dickicht zu lichten.
Grundrechte gegen Wettbewerbsfähigkeit: Der Graben wird tiefer
Die Reaktionen auf das Paket könnten kaum gegensätzlicher ausfallen. Konservative Politiker und Industrieverbände feiern die Initiative als überfälligen Befreiungsschlag für europäische Innovation. „Made in Europe”-KI brauche eben Daten – und zwar viele.
Auf der anderen Seite formiert sich heftiger Widerstand. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt vor einer Deregulierung im Gewand der Vereinfachung. Die Grünen-Digitalpolitikerin Alexandra Geese wirft der Kommission vor, vor dem Druck großer Tech-Konzerne eingeknickt zu sein. Besonders scharf äußert sich Datenschutz-Aktivist Max Schrems: Die EU werfe Sicherheitsvorkehrungen „aus dem Fenster” – und das ausgerechnet bei einer der einflussreichsten und potenziell gefährlichsten Technologien überhaupt.
Brüsseler Hängepartie: Jetzt beginnt das politische Tauziehen
Die Kommission hat den ersten Schritt gemacht, doch der Weg zum Gesetz ist lang. Bereits nächste Woche könnte das Europäische Parlament mit der Debatte beginnen. Danach müssen auch die Mitgliedstaaten zustimmen – ein Prozess, der Monate dauern und das Paket grundlegend verändern könnte.
Steht Europa am Scheideweg? Die Frage lautet nicht mehr, ob die EU ihre Regulierungsambitionen aufrechterhalten kann, sondern wie weit sie bereit ist, für den KI-Wettlauf zu gehen. Für Unternehmen bedeutet das Paket eine mögliche Erleichterung, aber zunächst auch neue Rechtsunsicherheit. Verbraucher und Datenschützer werden genau beobachten, ob Europas stolze Datenschutz-Tradition der Verlockung der KI-Vorherrschaft standhält.
Die kommenden Monate werden zeigen, welches Europa sich durchsetzt: das der harten Regeln oder das der Innovation um jeden Preis.
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