EU-Kommission will KI-Regulierung aufschieben
19.11.2025 - 10:29:12Die Europäische Union macht bei ihrer KI-Verordnung einen Rückzieher: Die strengen Auflagen für Hochrisiko-Systeme sollen um mindestens ein Jahr verschoben werden. Was die EU-Kommission heute als notwendige Entlastung der Wirtschaft präsentiert, löst bei Datenschützern Entsetzen aus. Steht der viel gepriesene europäische Weg bei künstlicher Intelligenz vor dem Aus?
Im Zentrum des sogenannten „Digital Omnibus”-Pakets steht ein brisanter Vorschlag: Die zentralen Vorschriften des KI-Gesetzes sollen statt im August 2026 erst ab August 2027 greifen. Neben dem AI Act sind auch Anpassungen an der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und anderen Datengesetzen geplant. Das erklärte Ziel: Bürokratie abbauen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Doch der Preis könnte hoch sein.
Die Kommission begründet den Aufschub mit erheblichen Verzögerungen bei der Entwicklung technischer Standards. Ohne diese harmonisierten Normen fehle Unternehmen die nötige Rechtssicherheit, um ihre Produkte konform zu gestalten. Deutschland und Frankreich hatten bereits zuvor in einer gemeinsamen Erklärung eine zwölfmonatige Verschiebung gefordert – aus Sorge, im globalen Wettbewerb mit den USA und China ins Hintertreffen zu geraten.
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Die Industrieverbände applaudieren: Zu schnelle und komplexe Regulierung gefährde die Innovationskraft des Standorts Europa. Können europäische Unternehmen tatsächlich nicht Schritt halten? Oder ist der Aufschub vielmehr ein Einknicken vor der Tech-Lobby?
Mehr als nur Aufschub: Umfassende Deregulierung geplant
Das „Digital Omnibus”-Paket geht weit über eine simple Fristverlängerung hinaus. Die Kommission will den gesamten EU-Digitalrechtsrahmen entschlacken. Geplant ist unter anderem ein zentrales Meldeportal für Cybersicherheitsvorfälle bei der EU-Agentur ENISA – nach dem Prinzip „einmal melden, mehrfach nutzen”. Das klingt zunächst vernünftig.
Doch es gibt auch heikle Punkte: Das zentrale EU AI Office soll deutlich mehr Befugnisse erhalten, insbesondere bei der Aufsicht über KI-Systeme von Großkonzernen wie Meta oder Google. Zudem prüft die Kommission Erleichterungen beim Training von KI-Modellen mit personenbezogenen Daten. Künftig könnte dies unter Berufung auf ein „berechtigtes Interesse” ohne explizite Einwilligung möglich sein – eine klare Aufweichung der DSGVO.
„Größter Rückschritt für digitale Rechte”
Während die Wirtschaft jubelt, läuten bei Datenschützern die Alarmglocken. Mehr als 120 zivilgesellschaftliche Organisationen haben in einem offenen Brief vor dem „größten Rückschritt für digitale Rechte in der Geschichte der EU” gewarnt. Die vorgeschlagenen Vereinfachungen würden nicht die Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern grundlegende Schutzstandards aushöhlen.
Die Kritik wiegt schwer: Ein Jahr ohne Hochrisiko-Regeln bedeutet eine gefährliche Schutzlücke. KI-Systeme in sensiblen Bereichen wie Gesundheitswesen, Strafverfolgung oder Personalbeschaffung könnten ohne die vorgesehenen Sicherheitsgarantien auf den Markt kommen. Sind die Bürger Europas nun das Experimentierfeld für unausgereifte Technologien?
Balanceakt zwischen Innovation und Schutz
Die Initiative ist eine Reaktion auf wachsende Sorgen, Europa könne im globalen KI-Wettlauf zurückfallen. Der einflussreiche Draghi-Report zur Wettbewerbsfähigkeit hatte den Druck auf die Kommission erhöht. Nun steht Brüssel vor einem schwierigen Balanceakt: Wie lässt sich die Wirtschaft unterstützen, ohne die europäischen Grundwerte zu opfern?
Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten müssen die Vorschläge nun verhandeln. Das Parlament hat sich in der Vergangenheit oft für stärkere Bürgerrechte eingesetzt, während viele Regierungen auf Wettbewerbsfähigkeit pochen. Der Ausgang dieser Debatte wird zeigen, ob Europa seinen Anspruch als globaler Standardsetzer für vertrauenswürdige KI behaupten kann – oder ob wirtschaftliche Interessen den Schutz der Bürger übertrumpfen.
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