EU-Kommission, Nachhaltigkeitsregeln

EU-Kommission schlankt Nachhaltigkeitsregeln drastisch ab

22.12.2025 - 15:51:12

Die EU vereinfacht ihr Nachhaltigkeitsrecht radikal und entlastet Zehntausende Unternehmen von Berichtspflichten. Ab heute gelten neue, deutlich höhere Schwellenwerte – ein Paradigmenwechsel im europäischen Green Deal.

Brüssel setzt ein klares Signal für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Mit dem sogenannten Omnibus-I-Paket, das das EU-Parlament vergangene Woche beschlossen hat, werden tausende Mittelständler von aufwendigen Berichtspflichten befreit. Die neuen Regeln, deren finale Texte am Wochenende vorlagen, treten ab sofort in Kraft und reduzieren den bürokratischen Aufwand massiv. Umweltverbände sprechen hingegen von einem „Rückzug“ beim Klimaschutz.

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Das Kernstück der Reform ist eine drastische Anhebung der Schwellenwerte für die beiden zentralen Nachhaltigkeitsrichtlinien. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gilt künftig nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern (bisher 250) und einem Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro. Laut Schätzungen fallen damit rund 90 Prozent der bisher betroffenen Firmen aus der Pflicht.

Noch strenger sind die neuen Hürden für die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD): Sie zielt nun nur auf Konzerne mit über 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. „Das ist keine kosmetische Korrektur, sondern eine grundlegende Architekturänderung“, kommentieren Analysten.

Ein zentraler neuer Mechanismus ist die „Wertschöpfungsketten-Bremse“. Große Konzerne dürfen ihren kleineren Zulieferern (mit unter 1.000 Mitarbeitern) keine vollständigen CSRD-Daten mehr abverlangen. Anfragen sind auf einen freiwilligen, vereinfachten Standard beschränkt. Dies soll den „Durchreich-Effekt“ von Bürokratie in globalen Lieferketten stoppen.

Freiwillige Standards und längere Fristen

Neben den Schwellenwerten bringt das Paket technische Vereinfachungen, die Compliance-Prozesse ab 2026 grundlegend verändern.

  • Sektorberichte werden freiwillig: Die branchenspezifischen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für Hochrisikosektoren wie Textil, Bergbau oder Landwirtschaft sind nicht mehr verpflichtend. Unternehmen müssen diese detaillierten Daten nur noch auf freiwilliger Basis offenlegen.
  • Strafen gemildert, Pflichten gestrichen: Die maximale Geldstrafe bei Verstößen wurde von ursprünglich geplanten 5 Prozent auf 3 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes gedeckelt. Zudem wurde die verbindliche Pflicht zur Einführung von Klima-Transformationsplänen im Einklang mit dem Pariser Abkommen gestrichen.
  • Mehr Zeit für die Umsetzung: Die vollständigen Sorgfaltspflichten der CSDDD gelten erst ab Juli 2029. Die EU-Kommission muss bis Mitte 2026 ein digitales Portal mit standardisierten Vorlagen bereitstellen.

Geteilte Reaktionen: Erleichterung trifft auf scharfe Kritik

Die Reaktionen auf die Reform fallen erwartungsgemäß gespalten aus. Wirtschaftsverbände wie der VDMA oder der Wirtschaftsrat der CDU begrüßen die Entlastung als „wettbewerbsentscheidend“ in Zeiten scharfer Konkurrenz aus den USA und China.

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen laufen dagegen Sturm. Die European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) kritisiert, die abgeschwächte CSDDD habe „ihre Zähne verloren“. Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten hätten weniger rechtliche Handhabe. Der WWF warnt, dass der Wegfall verbindlicher Transformationspläne die EU-Klimaziele untergrabe.

Der Kurswechsel Brüssels wird auch als Reaktion auf massive Lobbyarbeit großer Konzerne gewertet. Erst kürzlich hatte etwa ExxonMobil-Chef Darren Woods die ursprünglichen Regeln als Bedrohung für die Geschäftstätigkeit in Europa kritisiert.

Das müssen Unternehmen jetzt tun

Während die finalen Gesetzestexte für das Amtsblatt vorbereitet werden, müssen Compliance-Abteilungen sofort handeln.

  1. Prüfung der Berichtspflicht: Unternehmen müssen prüfen, ob sie unter die neuen Schwellenwerte von 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz fallen. Wer herausfällt, sollte entscheiden, ob aus Investor Relations-Gründen dennoch freiwillig berichtet wird.
  2. Kommunikation mit Lieferanten: Große Konzerne, die weiterhin in der Pflicht sind, müssen ihre Lieferantenverträge und Datenabfragen an die neue „Wertschöpfungsketten-Bremse“ anpassen. Von KMU dürfen keine umfangreichen CSRD-Daten mehr verlangt werden.
  3. Risikobewertung aktualisieren: Viele mittelständische Unternehmen sind durch die höheren CSDDD-Schwellen von direkten Sorgfaltspflichten befreit. Nationale Gesetze wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gelten aber vorerst weiter, auch wenn eine Harmonisierung mit dem EU-Recht erwartet wird.

Mit „Omnibus I“ sendet die EU ein deutliches Signal: Die grüne Transformation soll die Industrie nicht erdrücken. Die Herausforderung für die verbleibenden Großkonzerne verschiebt sich nun von der Frage „Wer muss berichten?“ zu „Wie berichten wir effizient?“.

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