EU führt zentrale Meldestelle für Cyberangriffe ein
20.11.2025 - 19:51:12Die Ära zersplitterter Meldepflichten ist vorbei: Mit dem “Digital Omnibus”-Paket schafft die EU-Kommission eine einheitliche Plattform für Cybervorfall-Meldungen. Unternehmen können künftig über einen einzigen Kanal allen Meldepflichten gleichzeitig nachkommen – eine Revolution im europäischen Datenschutz- und Sicherheitsrecht.
Das am 19. November in Brüssel vorgestellte Gesetzespaket sieht tiefgreifende Änderungen des EU-Cybersicherheitsgesetzes vor. Im Zentrum steht der Single-Entry Point, eine zentrale Anlaufstelle unter Verwaltung der EU-Cybersicherheitsagentur ENISA. Was bedeutet das konkret für die tausenden betroffenen Unternehmen?
Bisher mussten europäische Firmen bei einem gravierenden Cyberangriff oft vier oder mehr separate Meldungen abgeben: an Datenschutzbehörden nach DSGVO, an nationale Cybersicherheitsstellen nach NIS2-Richtlinie, an Finanzaufsichten nach DORA und an Behörden für kritische Infrastrukturen nach CER-Richtlinie. Jede Meldung mit eigenen Formularen, Fristen und Anforderungen.
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“Wir führen eine zentrale Eingangsstelle ein, über die Unternehmen eine einzige Meldung abgeben können, um alle ihre Meldepflichten gleichzeitig zu erfüllen”, erklärte die EU-Kommission in ihrer Ankündigung. Das Prinzip: Einmal melden, mehrfach teilen.
Die neue Plattform soll die übermittelten Informationen automatisch an die zuständigen nationalen Behörden weiterleiten – je nachdem, welche rechtlichen Meldepflichten der jeweilige Vorfall auslöst. Nach Schätzungen der Kommission könnte diese Maßnahme den Meldeaufwand für die große Mehrheit der Organisationen halbieren.
ENISA wird zur Nervenzentrale Europas
Die Überarbeitung des EU-Cybersicherheitsgesetzes erweitert die Befugnisse von ENISA erheblich. Als Hüterin des zentralen Meldeportals rückt die Agentur ins operative Zentrum der europäischen Cyber-Resilienz.
Diese Entwicklung baut auf einer gezielten Änderung des Cybersicherheitsgesetzes zu Managed Security Services auf, die bereits am 15. Januar 2025 formell verabschiedet wurde. Jene Änderung ermöglichte europäische Zertifizierungssysteme für kritische Dienste wie Incident Response und Sicherheitsaudits. Der neue Omnibus-Vorschlag geht nun deutlich weiter: ENISA wird direkt in den täglichen Compliance-Ablauf tausender EU-Organisationen eingebunden.
Wichtig für Datenschützer: Obwohl ENISA die Plattform verwaltet, erhält die Agentur nicht automatisch Zugriff auf alle Meldungsinhalte. “Die Einführung der zentralen Anlaufstelle ändert nichts an den bestehenden Meldepflichten oder den als Empfänger bestimmten Behörden”, stellte die Kommission klar. Die nationale Hoheit über Sicherheitsvorfälle bleibt gewahrt.
KI-Regeln werden flexibler
Das Digital-Omnibus-Paket beschränkt sich nicht auf Cybersicherheit. Die Kommission reagiert damit auf die “kumulative Belastung” durch fünf Jahre intensiver Digital-Regulierung.
Anpassungen beim KI-Gesetz:
Ein eigener “Digital Omnibus zu KI” koppelt die Anwendung der Hochrisiko-KI-Regeln an die Verfügbarkeit harmonisierter Standards. Diese realitätsnähere Zeitplanung könnte Unternehmen bis zu 16 Monate zusätzliche Vorbereitungszeit verschaffen, falls sich die Standardentwicklung verzögert.
Datenrecht-Konsolidierung:
Verschiedene Datenvorschriften sollen im Data Act und der DSGVO zusammengeführt werden. Die Kommission verspricht klarere Definitionen personenbezogener Daten in spezifischen Kontexten – ein Balanceakt zwischen KI-Innovation und Datenschutz.
Zwischen Erleichterung und Warnung
Die Wirtschaft reagiert vorsichtig optimistisch. Die Computer & Communications Industry Association (CCIA Europe) bezeichnete das Paket als “vielversprechenden ersten Schritt”. Die Business Software Alliance (BSA) lobte, der Single-Entry Point entspreche “langjährigen Forderungen der Industrie”.
Datenschutzorganisationen schlagen hingegen Alarm. EDRi (European Digital Rights) warnte am 19. November, das Omnibus-Paket könne “den ePrivacy-Rahmen schwächen” und grundlegende digitale Schutzrechte unter dem Deckmantel der Vereinfachung aushöhlen.
Parallel zum Omnibus-Paket startete die Kommission einen “Digital Fitness Check” – eine öffentliche Konsultation bis zum 11. März 2026. Dieser “Stresstest” lädt Interessengruppen ein, Belege für Kohärenz und Kosten der EU-Digitalregeln vorzulegen. Weitere Vereinfachungen könnten folgen.
Was kommt jetzt?
Die Gesetzesvorschläge wandern nun ins Europäische Parlament und den Rat. Angesichts des Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit und der breiten Unterstützung für Bürokratieabbau dürften die Cybersicherheitsbestimmungen prioritär behandelt werden.
Für Sicherheitsverantwortliche und Compliance-Beauftragte bedeutet das: Die regulatorische Messlatte bleibt hoch, doch der Weg darüber wird erheblich effizienter. Unternehmen sollten sich auf die Umstellung zum Single-Entry Point vorbereiten – geplant ist die Implementierung etwa 18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung.
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