EU-Entwaldungsverordnung: Parlament und Rat im Stillstand
24.11.2025 - 03:19:12Die EU-Entwaldungsverordnung droht an internem Streit zu scheitern. Während die Frist bis Ende Dezember läuft, blockieren sich Parlament und Rat gegenseitig – mit weitreichenden Folgen für globale Lieferketten.
Brüssel – Kaum sechs Wochen vor dem ursprünglichen Stichtag versinkt die europäische Gesetzgebung im Chaos. Die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR), gedacht als Meilenstein gegen die Zerstörung von Wäldern, ist zum Spielball institutioneller Machtkämpfe geworden. Während das EU-Parlament weitreichende Änderungen durchdrückt, beharrt der Rat der Mitgliedstaaten auf einer simplen Verschiebung. Das Ergebnis? Unternehmen weltweit stehen vor einem Rätsel.
Am 14. November stimmten die Abgeordneten nicht nur für die von der EU-Kommission vorgeschlagene einjährige Verzögerung – sie nutzten die Gelegenheit für eine grundlegende Überarbeitung. Der Kern: eine neue Länderkategorie für Staaten mit “null Risiko”.
Die Idee stammt von der Europäischen Volkspartei (EVP) und klingt zunächst einleuchtend: Länder mit stabiler oder wachsender Waldfläche sollen deutlich weniger Bürokratie durchlaufen müssen. Exporteure aus diesen Regionen würden von vereinfachten Sorgfaltspflichten profitieren. Mit 371 zu 240 Stimmen setzte sich diese Linie durch – ein klares Signal, dass europäische Produzenten und kooperative Handelspartner entlastet werden sollen.
Doch was auf dem Papier nach Effizienz aussieht, birgt politischen Sprengstoff. Wie werden diese “Null-Risiko”-Länder bestimmt? Nach welchen Kriterien? Und vor allem: Wer fällt durch das Raster?
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Rat blockt komplett: “Nehmt die Verzögerung oder lasst es”
Die Antwort der Mitgliedstaaten kam am 20. November – und war eindeutig. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter (Coreper) lehnten die Regierungen die Parlamentsänderungen geschlossen ab. Ihre Begründung: Jede inhaltliche Überarbeitung zu diesem späten Zeitpunkt gefährde die gesamte Gesetzgebung.
Diplomatische Quellen warnen vor monatelangen Verzögerungen, sollte eine neue Risikomethodik entwickelt werden müssen. Schlimmer noch: Eine “Null-Risiko”-Klassifizierung könnte gegen WTO-Diskriminierungsverbote verstoßen, da sie bestimmte Länder willkürlich bevorzuge. Der Rat bleibt hart: einjährige Verschiebung ja, Änderungen am Text nein.
Die sogenannten Trilog-Verhandlungen am 21. November endeten erwartungsgemäß ergebnislos. Die Fronten sind verhärtet, die Zeit läuft ab.
Wirtschaft im Blindflug
Für Unternehmen, die mit Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja oder Holz handeln, wird die Situation zunehmend absurd. Monatelang bereiteten sich Firmen auf den 30. Dezember 2024 vor. Dann kam die angekündigte Verzögerung – und nun droht ein “No-Deal”-Szenario.
Scheitern Parlament und Rat an einer Einigung, tritt die ursprüngliche Verordnung automatisch in Kraft. Ohne funktionierende IT-Systeme. Ohne ausreichende Vorbereitungszeit. Ohne klare Richtlinien. Viele Unternehmen hatten ihre Compliance-Maßnahmen pausiert, in Erwartung der Verschiebung.
“Die Unsicherheit ist das Worst-Case-Szenario für Lieferketten”, erklärte der Sprecher eines europäischen Handelsverbandes diese Woche. “Wir brauchen sofort Klarheit über die einjährige Verzögerung. Die Debatte über eine ‘Null-Risiko’-Kategorie mag gut gemeint sein, aber sie riskiert genau das chaotische Inkrafttreten, das wir vermeiden wollen.”
Protektionismus durch die Hintertür?
Die EUDR soll verhindern, dass Produkte aus Entwaldungsgebieten auf den EU-Markt gelangen – ein hehres Ziel. Doch bereits jetzt protestieren Brasilien, Indonesien und selbst die USA gegen die Verordnung. Innerhalb der EU regt sich Widerstand aus der Landwirtschaft.
Das Parlament reagiert auf diese Kritik mit der “Null-Risiko”-Kategorie. Dahinter steckt politisches Kalkül: Nach den jüngsten Bauernprotesten quer durch Europa wächst der Druck, Regularien abzufedern. Kritiker befürchten jedoch, dass die Kriterien so gestaltet werden, dass vorrangig EU-Mitgliedstaaten profitieren – ein klassischer Fall von grünem Protektionismus.
Die Entwicklung erinnert an ähnliche Spannungen beim European Green Deal, wo ambitionierte Klimaziele zunehmend auf wirtschaftliche und politische Realitäten treffen. Die Frage bleibt: Wie grün kann die EU sein, ohne ihre Handelspartner und die eigene Wirtschaft zu verprellen?
Showdown Anfang Dezember
Die nächste Verhandlungsrunde ist voraussichtlich für den 3. Dezember angesetzt. Der Zeitplan ist brutal: Ein Kompromisstext muss ausgehandelt, juristisch geprüft und von beiden Institutionen formal angenommen werden. Anschließend folgt die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt – alles vor dem 30. Dezember.
Analysten gehen davon aus, dass das Parlament bei den “Null-Risiko”-Änderungen nachgeben muss, um die Verzögerung zu retten. Ein Scheitern würde massive Nichtbefolgung und potenzielle Versorgungsengpässe Anfang 2025 nach sich ziehen. Die EVP könnte jedoch auf eine Zusage der Kommission pochen, die Risiko-Benchmarks mittelfristig zu überarbeiten – ein Kompromiss, der beiden Seiten das Gesicht wahrt.
Doch was, wenn nicht? Dann stünde die EU vor einem selbstverschuldeten Debakel: Eine Verordnung, die niemand umsetzen kann, und ein Gesetzgebungsprozess, der spektakulär gescheitert ist. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Brüssel liefern kann – oder an sich selbst scheitert.
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