E-Akte, Bundestag

E-Akte: Bundestag stimmt für flexiblen Digitalisierungskurs

13.11.2025 - 05:21:12

Die Digitalisierung der deutschen Justiz nimmt Fahrt auf – allerdings mit Augenmaß statt starrer Fristen. Heute debattiert und verabschiedet der Bundestag eine Übergangslösung für die elektronische Akte, die ursprünglich ab Januar 2026 flächendeckend Pflicht werden sollte. Die Botschaft ist klar: Der Kurs Richtung digitaler Staat bleibt, aber die Realität der föderalen IT-Landschaft wird endlich ernst genommen.

Gleichzeitig hat die Bundesregierung zwei weitere Gesetzespakete auf den Weg gebracht, die Zwangsvollstreckung und Immobilienkäufe vollständig digitalisieren sollen. Zusammen mit einer neuen Strategie der Bund-Länder-Kooperation und 70 Millionen Euro jährlich ab 2027 entsteht erstmals ein Gesamtbild: Deutschland will den Rückstand bei der Verwaltungsdigitalisierung systematisch aufholen.

Am 12. November hat der Rechtsausschuss des Bundestages grünes Licht für eine entscheidende Anpassung gegeben. Die ursprüngliche Regelung sah vor, dass ab dem 1. Januar 2026 alle Gerichte bundesweit ausschließlich elektronische Akten für neue Verfahren führen müssen – ein ehrgeiziges Ziel, das sich in der Praxis als kaum umsetzbar erwies.

Der neue Gesetzentwurf, der heute final zur Abstimmung steht, führt eine Übergangsregelung ein. Was nach bürokratischem Kompromisskauderwelsch klingt, ist tatsächlich eine pragmatische Wende: Die Länder erhalten mehr Zeit und Spielraum, um ihre oft völlig unterschiedlichen IT-Systeme hochzufahren.

Anzeige

Passend zur Diskussion um die digitale Modernisierung von Justiz und Verwaltung – oft scheitert die Umsetzung weniger an Technik als an Organisation und Prioritätensetzung. Ein kostenloses Themenheft zeigt 7 praxiserprobte Methoden (ALPEN, Eisenhower, Pomodoro und Co.), mit denen Sie Aufgaben klar priorisieren und Projekte stressärmer voranbringen. Gratis E‑Book: 7 Methoden für ein effektives Zeit- und Aufgabenmanagement herunterladen

Kritiker mögen darin ein Zurückweichen sehen. Doch wer die technischen Hürden kennt – von inkompatiblen Softwarelösungen über Schulungsbedarf bis zu Datenschutzanforderungen – versteht: Eine flexible Einführung ist realistischer als ein bundesweiter Papierstau in überlasteten Gerichten.

Zwangsvollstreckung und Grundbuch: Digitalisierung mit Rendite

Parallel dazu hat das Bundeskabinett zwei weitere Reformvorhaben beschlossen, die jetzt in den parlamentarischen Prozess gehen. Das erste Gesetz zielt auf die digitale Zwangsvollstreckung ab. Künftig sollen gerichtlich angeordnete Vollstreckungen nahezu komplett elektronisch ablaufen – vom Beschluss über den Dokumentenaustausch zwischen Gerichten, Anwälten und Behörden bis zur Vollstreckung selbst.

Die Bundesregierung rechnet mit Einsparungen von rund sieben Millionen Euro jährlich. Das klingt überschaubar, doch die eigentliche Verbesserung liegt in der Geschwindigkeit: Wartezeiten sinken, Verfahren werden transparenter, Fehlerquellen durch Medienbrüche verschwinden.

Noch größer ist das Einsparpotenzial beim zweiten Vorhaben: der digitalen Immobilientransaktion. Hier sollen Kaufverträge vollständig elektronisch zwischen Notaren, Grundbuchämtern und anderen Stellen abgewickelt werden können. Die Bundesregierung kalkuliert mit jährlichen Einsparungen von etwa 49 Millionen Euro – davon allein 35 Millionen durch geringere Zinskosten, weil Eigentumsübergänge nicht mehr wochenlang auf dem Postweg hängen.

Beide Gesetzentwürfe gehen jetzt an Bundestag und Bundesrat. Widerstand ist kaum zu erwarten, denn die Vorteile liegen auf der Hand.

Strategie statt Stückwerk: Die neue Bund-Länder-Koordination

Was die jüngsten Entwicklungen von früheren Digitalisierungsankündigungen unterscheidet, ist der strategische Überbau. Beim letzten Bund-Länder-Digitalgipfel der Justizminister haben sich Bund und Länder auf eine gemeinsame Erklärung zur digitalen Säule des „Pakts für den Rechtsstaat” verständigt.

Kernelement ist ein sogenanntes Portfoliomanagement für künftige Digitalisierungsprojekte. Klingt sperrig, bedeutet aber: Künftig sollen Investitionen nach Priorität, Wirkung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit gesteuert werden – statt dass jedes Bundesland parallel eigene Lösungen entwickelt.

Die Minister betonten, dass allein die Einführung der E-Akte und anderer Basissysteme die Länder bereits stark belastet. Umso wichtiger sei es, Kräfte zu bündeln und nur die wirklich wichtigen Projekte voranzutreiben. Ein zentrales Zukunftsvorhaben unter dieser neuen Koordination: eine bundeseinheitliche Justiz-Cloud.

Um diese ambitionierten Pläne zu finanzieren, hat der Bund konkrete Summen zugesagt: Von 2027 bis 2029 fließen jährlich 70 Millionen Euro speziell in die Digitalisierung der Justiz. Das Geld ist unter anderem für ein zentrales Bundesjustizportal und digitale Systeme zur Online-Einreichung von Rechtsanträgen vorgesehen.

Was dahintersteckt: Deutschlands föderale Bremse wird gelockert

Die Entwicklungen der vergangenen Tage sind mehr als technische Anpassungen – sie markieren einen Mentalitätswandel. Jahrelang stockte die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland, nicht zuletzt wegen der komplexen föderalen Struktur. Während private Unternehmen ihre Prozesse längst digitalisiert haben, kämpfen Gerichte und Behörden noch immer mit Papierakten und Faxgeräten.

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte Abhilfe schaffen, doch die Umsetzung verlief schleppend. Zu unterschiedlich waren die IT-Landschaften der Bundesländer, zu starr die gesetzlichen Vorgaben, zu gering die Koordination.

Die aktuelle Entwicklung deutet auf einen Kurswechsel hin: weg von rigiden Stichtagen, hin zu realistischen Übergangsfristen. Weg von Einzelprojekten, hin zu abgestimmter Planung mit klarem Budgetrahmen. Das flexible E-Akten-Gesetz, die zielgerichteten Einzelvorhaben und das Portfoliomanagement ergeben zusammen erstmals ein schlüssiges Gesamtbild.

Ob dieser Ansatz funktioniert, wird sich zeigen. Doch die Signale sind positiv: Statt Aktionismus gibt es Strategie, statt Wunschdenken realistische Meilensteine.

Ausblick: 2026 wird das Testjahr

Die nächsten Monate werden zeigen, ob der neue Pragmatismus trägt. Unmittelbar steht heute die finale Abstimmung über die E-Akten-Übergangslösung im Bundestag an – eine Formsache, nachdem der Rechtsausschuss bereits zugestimmt hat. Anschließend beginnen die parlamentarischen Beratungen zu digitaler Zwangsvollstreckung und elektronischen Immobiliengeschäften.

Im Frühjahr 2026 sollen die ersten Projekte des neuen Portfolios definiert werden. Ab 2027 fließt dann das zugesagte Geld – und damit beginnt die eigentliche Bewährungsprobe. Kann Deutschland seine Justiz und Verwaltung tatsächlich in die digitale Gegenwart führen? Die Voraussetzungen dafür sind jetzt besser als je zuvor.

Anzeige

PS: Wer in Transformationsprojekten konzentriert und belastbar bleiben will, profitiert von gezieltem Gehirntraining. Der kostenlose Report „Gehirntraining leicht gemacht“ liefert 11 einfache Übungen, 7 Praxis-Tipps und einen Selbsttest, um Fokus und Gedächtnis zu stärken – ideal für alle, die im stressigen Arbeitsalltag ihre mentale Fitness erhöhen möchten. Gehirntraining-Report jetzt kostenlos downloaden

@ boerse-global.de