Dienstwagen, Lohn

Dienstwagen statt Lohn: BSG weist Arbeitgeber in Schranken

19.11.2025 - 03:30:12

Ein folgenschweres Urteil des Bundessozialgerichts dürfte so manchen Arbeitgeber kalt erwischt haben: Wer Beschäftigten einen Firmenwagen gibt, kann damit nicht den gesetzlichen Mindestlohn ersetzen. Die Folge? Nachzahlungen bei den Sozialabgaben – und zwar zusätzlich zu den bereits entrichteten Beiträgen für den Sachbezug.

Am 13. November 2025 hat das Bundessozialgericht in Kassel eine eindeutige Grenze gezogen. Die Botschaft an deutsche Unternehmen: Der Mindestlohn ist eine Barzahlungspflicht, an der es nichts zu rütteln gibt. Wer glaubte, diese Vorgabe durch geschickte Gestaltung von Vergütungspaketen umgehen zu können, sieht sich nun einem erheblichen finanziellen Risiko ausgesetzt.

Die Entscheidung betrifft vor allem Branchen mit niedrigen Löhnen, in denen kreative Vergütungsmodelle mitunter zur Normalität gehörten. Doch was bedeutet das Urteil konkret für die betroffenen Betriebe?

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Die Richter hatten über zwei verbundene Verfahren zu entscheiden (Az: B 12 BA 8/24 R und B 12 BA 6/23 R). In beiden Fällen hatten Arbeitgeber Teilzeitbeschäftigten ausschließlich einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt – ohne zusätzliche Barzahlung. Für den ermittelten Wert des Fahrzeugs führten die Unternehmen ordnungsgemäß Sozialversicherungsbeiträge ab.

Bei Routineprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung Bund fiel jedoch auf: Die Mitarbeiter hatten keinen Cent Mindestlohn in bar erhalten. Die Rentenversicherung forderte daraufhin Sozialabgaben auf den gesetzlich geschuldeten, aber nie ausgezahlten Mindestlohn nach. Die Arbeitgeber wehrten sich durch alle Instanzen – vergeblich.

Das BSG bestätigte die Position der Rentenversicherung. Die bereits gezahlten Beiträge für den Firmenwagen? Völlig irrelevant für die Mindestlohn-Verpflichtung.

Warum das Gericht so entschied

Die Begründung der Kasseler Richter fußt auf dem Kern des Mindestlohngesetzes. Der gesetzliche Mindestlohn ist eine “Geldschuld” – eine monetäre Verpflichtung, die der Existenzsicherung der Beschäftigten dient. Diesen Zweck kann ein Sachbezug nicht erfüllen, so eindeutig die Richter.

Entscheidend: Der Mindestlohnanspruch entsteht kraft Gesetzes für jede geleistete Arbeitsstunde. Damit werden automatisch auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge fällig. Die Tatsache, dass ein Arbeitgeber bereits Beiträge auf den Wert des Dienstwagens entrichtet hat, ändert daran nichts. Beide Verpflichtungen existieren unabhängig voneinander.

Ob der Arbeitnehmer durch die Kombination aus Firmenwagen und nachträglichem Lohnanspruch letztlich überkompensiert wird? Das sei eine Angelegenheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, urteilten die Richter. Die Rentenversicherung könne dennoch die vollen Beiträge auf den gesetzlichen Mindestlohn fordern.

Zweifache Belastung für Unternehmen

Die praktischen Konsequenzen sind gravierend. Betroffene Arbeitgeber müssen nun eine doppelte finanzielle Last schultern: Sie sind verpflichtet, den Mindestlohn nachträglich bar auszuzahlen und gleichzeitig jahrelange Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten.

Bei Betriebsprüfungen kann die Deutsche Rentenversicherung diese Beiträge nun rückwirkend einfordern. Dabei geht es nicht nur um den Arbeitgeberanteil – potenziell müssen Unternehmen auch den Arbeitnehmeranteil übernehmen. Die rechtliche Lage ist klar: Jede Vereinbarung, die Sachbezüge gegen den Mindestlohn aufrechnet, ist nichtig.

Besonders brisant dürfte die Entscheidung für Betriebe im Niedriglohnsektor werden. Dort könnten die Nachzahlungen existenzbedrohende Ausmaße annehmen.

Schlupfloch endgültig geschlossen

Das BSG-Urteil schließt eine Lücke, die manche Arbeitgeber zuvor zu nutzen versuchten. Während das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits den Anspruch auf Barzahlung des Mindestlohns klargestellt hatte, fehlte bislang die sozialversicherungsrechtliche Dimension.

Einige Unternehmen waren offenbar davon ausgegangen, dass eine Einigung mit dem Beschäftigten ausreicht – etwa die Überlassung eines hochwertigen Dienstwagens statt Bargeld. Mit den Sozialabgaben auf den Wert dieses Fahrzeugs glaubten sie, ihrer Pflicht Genüge getan zu haben.

Das BSG stellt nun unmissverständlich klar: Die gesetzliche Verpflichtung zur Mindestlohnzahlung erzeugt eine eigenständige, unvermeidbare Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Und diese lässt sich nicht durch private Vertragsgestaltungen umgehen. Ein fundamentaler Grundsatz des deutschen Rechts greift hier: Gesetzliche Schutzvorschriften wie der Mindestlohn können nicht wegverhandelt werden.

Dringender Handlungsbedarf für Betriebe

Die Konsequenz aus dem Urteil ist eindeutig: Unternehmen sollten ihre Vergütungssysteme schnellstmöglich auf den Prüfstand stellen. Jeder Arbeitsvertrag, der Sachbezüge anstelle des gesetzlichen Mindestlohns vorsieht, muss umgehend identifiziert und korrigiert werden.

Der aktuelle Mindestlohn von 12,82 Euro brutto pro Stunde ist als Barzahlung für jede geleistete Arbeitsstunde zwingend. Alle zusätzlichen Leistungen wie Dienstwagen müssen on top kommen – als Extra, nicht als Ersatz. Wer diese Vorgabe missachtet, riskiert bei der nächsten Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung empfindliche finanzielle Sanktionen.

Das BSG-Urteil ist unmissverständlich: Beim Mindestlohn zählt nur bares Geld.

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