Deutschland, Frankreich

Deutschland und Frankreich fordern: KI-Regeln lockern, DSGVO anpassen

18.11.2025 - 21:40:12

Brüssel, 18. November 2025 – Die europäische KI-Politik steht vor einem Richtungswechsel: Deutschland und Frankreich verlangen gemeinsam, die strengen EU-Vorgaben für Künstliche Intelligenz zu entschärfen. Im Visier stehen sowohl der erst kürzlich in Kraft getretene AI Act als auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das Argument: Europa drohe im globalen Wettlauf um KI-Innovation den Anschluss zu verlieren. Zeitgleich arbeitet die EU-Kommission bereits an Gesetzesvorschlägen, die den Datenschutz zugunsten der KI-Entwicklung aufweichen könnten. Während die Wirtschaft aufatmet, schlagen Datenschützer Alarm – sie befürchten nichts Geringeres als die Aushöhlung europäischer Grundrechte.

Doch was steckt wirklich hinter diesem Vorstoß? Und welche Konsequenzen hätte eine Lockerung der Regeln für Unternehmen und Bürger?

Der deutsch-französische Vorstoß könnte zum Wendepunkt der europäischen Digitalpolitik werden. Beide Regierungen argumentieren unisono: Der AI Act und die DSGVO würden Innovation ersticken. Die Forderung lautet, das KI-Gesetz “zu vereinfachen und zeitlich zu verschieben, weil wir noch nicht bereit sind”. Paris geht noch einen Schritt weiter und fordert eine Verschiebung bestimmter KI-Vorgaben um ein ganzes Jahr.

Der Kern der Kritik: Die Compliance-Anforderungen seien zu komplex, die Hürden zu hoch. Besonders brisant ist der Ruf nach einer Anpassung der DSGVO – dem Herzstück des europäischen Datenschutzes. Denn ohne Zugang zu großen Datenmengen lassen sich moderne KI-Modelle kaum trainieren. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis?

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Geleakte Pläne: EU-Kommission will DSGVO für KI aufweichen

Die deutsch-französische Initiative kommt nicht zufällig genau jetzt. In den vergangenen Wochen sind interne Pläne der EU-Kommission durchgesickert, die aufhorchen lassen. Unter dem Arbeitstitel “Digitaler Omnibus” entsteht ein Gesetzespaket, das mehrere Digitalgesetze “vereinfachen” soll. Im Klartext: Die Verarbeitung personenbezogener Daten für KI-Training soll erheblich erleichtert werden.

Wie das funktionieren soll? Unternehmen könnten sich künftig einfacher auf “berechtigte Interessen” als Rechtsgrundlage berufen. Das Problem: Was als technische Vereinfachung daherkommt, könnte zentrale Schutzmechanismen der DSGVO aushebeln.

Besonders brisant: Die geleakten Entwürfe deuten darauf hin, dass der Schutz sensibler Daten – wie politische Meinungen oder ethnische Herkunft – geschwächt werden könnte. Zumindest dann, wenn diese Daten nicht direkt vom Nutzer stammen, sondern aus seinem Verhalten abgeleitet werden. Datenschützer warnen bereits vor einer “Entkernung” der DSGVO.

Der AI Act im Detail: Was steht eigentlich auf dem Spiel?

Um zu verstehen, worum es geht, lohnt ein Blick auf das, was Berlin und Paris verändern wollen. Der AI Act, seit August 2024 in Kraft, gilt als weltweit erstes umfassendes KI-Gesetz. Sein Ansatz: KI-Systeme werden nach Risiko kategorisiert.

Inakzeptables Risiko bedeutet Totalverbot. Betroffen sind etwa Social-Scoring-Systeme durch Behörden oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Diese Verbote greifen bereits ab Februar 2025.

Hohes Risiko führt zu strengen Auflagen. KI-Systeme in der Personalauswahl, bei Behörden oder in der Strafverfolgung müssen hohe Datenqualität nachweisen, menschliche Aufsicht garantieren und lückenlos dokumentiert sein.

Begrenztes Risiko verlangt Transparenz. Chatbots und Deepfake-Generatoren müssen klar kennzeichnen, dass eine KI am Werk ist.

Minimales Risiko lässt den meisten KI-Anwendungen – von Videospielen bis Spamfiltern – freie Hand.

Die Strafen bei Verstößen sind drastisch: Bis zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes können fällig werden.

Der Grundkonflikt: Innovation gegen Grundrechte

Was sich hier abspielt, ist mehr als ein technischer Streit über Paragrafen. Es geht um die fundamentale Frage: Welche Rolle will Europa in der digitalen Welt spielen?

Auf der einen Seite steht die Wirtschaft. Ihr Argument: Strenge Datenschutzregeln verhindern datenintensives KI-Training und schaffen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und China. SAP, die Deutsche Telekom und andere DAX-Konzerne drängen auf Lockerungen, um im globalen Rennen mithalten zu können.

Auf der anderen Seite stehen Datenschützer. Sie halten dagegen: Gerade die hohen Standards könnten zum Vertrauenssiegel für “AI made in Europe” werden. Eine Aufweichung der Regeln diene vor allem Tech-Giganten und untergrabe Bürgerrechte. Die Warnung: Europa riskiere seine Vorreiterrolle beim Datenschutz und verwandle den digitalen Binnenmarkt in ein “rechtsfreies Experimentierfeld”.

Die Frage dahinter ist ebenso simpel wie komplex: Kann Europa sich ethische Standards leisten, wenn andere Weltregionen ohne solche Fesseln voranpreschen?

Wie geht es weiter? Die nächsten Monate werden entscheidend

Der politische Druck aus Berlin und Paris verleiht den Deregulierungsplänen erhebliches Gewicht. Die EU-Kommission wird in Kürze formelle Gesetzesvorschläge im Rahmen des “Digitalen Omnibus” vorlegen. Dann beginnt das politische Tauziehen.

Das Europäische Parlament, traditionell ein Verfechter starker Datenschutzrechte, steht dem Rat der EU gegenüber – und letzterer wird von Deutschland und Frankreich dominiert. Die Verhandlungen dürften intensiv werden.

Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen parallel zweigleisig fahren. Einerseits gilt es, die bereits geltenden Bestimmungen des AI Acts umzusetzen – die schrittweise in Kraft treten. Andererseits sollten sie die politische Debatte genau verfolgen, denn mögliche Anpassungen könnten ihre Strategien grundlegend verändern.

Die Entscheidung, die jetzt ansteht, wird die digitale Landschaft Europas für Jahre prägen. Bleibt die EU beim strengen Grundrechtsschutz? Oder öffnet sie die Schleusen für einen datengetriebenen KI-Boom – mit allen Risiken, die das birgt?

Eines steht fest: Die Weichenstellung für Europas digitale Zukunft läuft auf Hochtouren.

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