China-Strategie, Bundesregierung

Deutsche Wirtschaft fordert klare China-Strategie von Bundesregierung

15.11.2025 - 03:20:12

Kurz vor der Peking-Reise von Finanzminister Lars Klingbeil schlagen deutsche Wirtschaftsverbände Alarm: Sie verlangen eine pragmatische Handelspolitik statt ideologischer Abschottung. Die Botschaft ist eindeutig – Risikomanagement ja, Rückzug nein.

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) haben konkrete Erwartungen an die Bundesregierung formuliert. Im Zentrum steht die Forderung nach verlässlichen Rahmenbedingungen und fairem Wettbewerb – besonders im Umgang mit China. Klingbeils anstehender Beijing-Besuch gilt als entscheidende Chance, die Wirtschaftsbeziehungen neu zu justieren.

Doch wie soll das gelingen in Zeiten verschärfter geopolitischer Spannungen? Die deutsche Exportwirtschaft steht vor einem Dilemma: Einerseits sind die kommerziellen Interessen in China erheblich, andererseits wächst der Druck westlicher Partner, strategische Abhängigkeiten zu reduzieren.

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BGA-Präsident Dirk Jandura bringt es auf den Punkt: “Abhängigkeiten verringern darf nicht mit Rückzug verwechselt werden.” In einem Statement gegenüber der “Rheinischen Post” betont er, dass es um “Risikomanagement, Marktzugang und Dialog – nicht um Isolation” gehe.

Die Forderung spiegelt eine weit verbreitete Sorge in der deutschen Wirtschaft wider. Ein zu ideologischer Ansatz könnte den Außenhandel lähmen. Jandura verlangt von der Regierung, sich für faire Wettbewerbsbedingungen einzusetzen und auf Transparenz sowie Berechenbarkeit im EU-China-Dialog zu bestehen.

Konkret müssen Probleme wie industrielle Überkapazitäten und marktverzerrende Praktiken chinesischer Unternehmen direkt angesprochen werden. Deutsche Firmen brauchen “verlässliche Rahmenbedingungen statt wachsender Bürokratie” bei Exportkontrollen, Visaanträgen und Investitionen. “Ideologische Schranken dürfen den Außenhandel nicht weiter lähmen”, so Janduras Appell.

Kritische Rohstoffe im Fokus

Volker Treier, DIHK-Außenhandelschef, bezeichnet die Reise des Finanzministers als “zeitgemäß und essenziell”. Der Besuch biete der neuen Bundesregierung die wichtige Gelegenheit, frühzeitig in direkten Austausch mit der chinesischen Führung zu treten – “ein unverzichtbarer Schritt in geopolitisch angespannten Zeiten”.

Der DIHK drängt darauf, den Besuch zu nutzen, um wirtschafts- und handelspolitische Beziehungen neu auszurichten. Ein besonders heikles Thema: Deutschlands Verwundbarkeit bei kritischen Rohstoffen. Treier weist explizit auf Chinas Exportkontrollen strategischer Ressourcen wie Seltene Erden hin.

“Ohne Berechenbarkeit drohen Engpässe in Schlüsselsektoren von Elektroantrieben bis Medizintechnik – mit Folgen für Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit”, warnt der DIHK-Vertreter. Diese Abhängigkeit könnte Dominoeffekte in Kernbranchen auslösen: Automobilindustrie, erneuerbare Energien, Elektronikfertigung. Die Forderung lautet, Herausforderungen offen anzusprechen, ohne Chancen für deutsche Unternehmen zu ignorieren.

Balanceakt für das Erfolgsmodell

Der einhellige Appell führender Wirtschaftsverbände unterstreicht den enormen Druck auf Deutschlands Wirtschaftsmodell. Jahrzehntelang prosperierte das Land durch “Wandel durch Handel” und baute weltweite Wirtschaftsbeziehungen auf. China wurde zum unverzichtbaren Partner – als riesiger Markt für deutsche Autos und Maschinen, aber auch als kritisches Glied globaler Lieferketten.

Doch die Weltlage hat sich dramatisch gewandelt. Die strategische Rivalität zwischen den USA und China sowie Beijings zunehmend staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik zwingen Berlin zur schmerzhaften Neubewertung. Die offizielle China-Strategie der Bundesregierung vom Juli 2023 trägt dem bereits Rechnung und bezeichnet China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen zugleich.

Die aktuellen Forderungen der Wirtschaftsführer signalisieren: In der praktischen Politik sollten die Aspekte “Partner” und “Wettbewerber” Priorität haben. Die Einstufung als “Rivale” darf nicht zu selbstzerstörerischer wirtschaftlicher Abkopplung führen. Klingbeils Herausforderung wird sein, diese nuancierte Position in Beijing zu vermitteln – deutsche Wirtschaftsinteressen zu verteidigen und ein Level Playing Field einzufordern, dabei aber Kanäle für Kooperation offenzuhalten.

Testfall für die neue Bundesregierung

Klingbeils Besuch entwickelt sich zum Lackmustest für die Fähigkeit der Bundesregierung, strategische Doktrinen in praktische Außenhandelspolitik zu übersetzen. Die Wirtschaft wird genau beobachten, ob es konkrete Fortschritte gibt – nicht bei großen Erklärungen, sondern bei den von BGA und DIHK benannten Punkten: mehr Transparenz bei Exportkontrollen, Abbau bürokratischer Hürden für deutsche Firmen in China, klare Zusagen gegen marktverzerrende Subventionen.

Kann Deutschland die gefährlichen Strömungen einer neuen geopolitischen Ära erfolgreich navigieren? Die deutsche Wirtschaft fordert eine Außenhandelspolitik, die durchsetzungsstark und pragmatisch zugleich ist. Das Ziel: resilientere Lieferketten und diversifizierte Handelsbeziehungen aufbauen, ohne Märkte aufzugeben, die zentral für den Erfolg waren. Die Ergebnisse der Gespräche in Beijing dürften die EU-China-Wirtschaftsbeziehungen für absehbare Zeit prägen.

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