Brandenburg-Konferenz, Betriebsräte

Brandenburg-Konferenz: Betriebsräte rüsten sich für die KI-Arbeitswelt

28.11.2025 - 18:40:12

Die deutsche Mitbestimmungslandschaft erlebt einen Paradigmenwechsel: Künstliche Intelligenz und algorithmische Personalentscheidungen zwingen Betriebsräte zum Umdenken. Bei der 13. Brandenburger Betriebsrätekonferenz am Montag in Potsdam diskutierten 150 Arbeitnehmervertreter, wie sie ihre demokratischen Rechte in der digitalisierten Arbeitswelt durchsetzen können. Parallel läuft heute die Anmeldefrist für eine wegweisende Tagung des Hugo-Sinzheimer-Instituts (HSI) ab, die Anfang Dezember rechtliche Leitplanken für den Umgang mit KI-Systemen abstecken soll. Im Fokus: die Betriebsratswahlen 2026, die zur Bewährungsprobe für die Mitbestimmung im Algorithmus-Zeitalter werden könnten.

Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke empfing die Konferenzteilnehmer in der Staatskanzlei mit klaren Worten: „Betriebliche Mitbestimmung ist gelebte Demokratie am Arbeitsplatz.” Der SPD-Politiker betonte die Scharnierfunktion von Betriebsräten zwischen Belegschaft und Geschäftsführung – gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten.

„Die Herausforderungen unserer Zeit verändern Arbeits- und Wirtschaftswelt im Rekordtempo. Entscheidend ist, dass wir diesen Wandel gemeinsam gestalten”, so Woidke am Montag. Die Arbeitnehmervertreter kämpften täglich für faire Arbeitsbedingungen, Chancengleichheit, Weiterbildung und Gesundheitsschutz – Themen, die durch Automatisierung zusätzliche Brisanz erhielten.

Brandenburgs Wirtschafts- und Arbeitsminister Daniel Keller ergänzte: „Starke Betriebsräte und gute Arbeitsbedingungen sind Erfolgsfaktoren für die Wirtschaft.” Die Landesregierung sehe die Unterstützung der Gremien als strategische Investition in den Standort.

KI-Überwachung wird zur Kernkompetenz

Doch was bedeutet „Mitbestimmung” konkret, wenn Algorithmen darüber entscheiden, wer befördert wird oder welcher Schichtplan optimal ist? Die Potsdamer Konferenz widmete dieser Frage eigene Workshops zu „Transformationsherausforderungen im digitalen Zeitalter” und „Umgang mit Künstlicher Intelligenz”.

Die Teilnehmer lernten, wie sie KI-Systeme auf Diskriminierung prüfen und ihr Mitbestimmungsrecht bei deren Einführung durchsetzen können. Ein Beispiel: Automatisierte Bewerbungssysteme, die unbewusst Frauen oder Ältere benachteiligen, unterliegen der Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (technische Überwachungseinrichtungen). Doch viele Betriebsräte kämpfen noch mit der Komplexität dieser Systeme.

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Juristen-Elite trifft sich in Inzell

Dass das Thema die gesamte arbeitsrechtliche Community beschäftigt, zeigt die Agenda der HSI-Fachtagung. Die Konferenz vom 5. bis 7. Dezember in Inzell trägt den programmatischen Titel „Umbrüche gestalten” – und meint damit explizit KI und Entgelttransparenz.

Rechtswissenschaftler und Praktiker diskutieren dort, „welche Veränderungen sich aus dem Einsatz von KI im Personalwesen ergeben”. Ziel ist es, Betriebsräten juristische Argumente an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Rechte gegenüber Arbeitgebern durchsetzen können, die automatisierte Entscheidungssysteme einführen.

Die heute ablaufende Anmeldefrist deutet auf großes Interesse hin – verständlich, denn die Tagung könnte wegweisende Interpretationen liefern, bevor 2026 deutschlandweit neue Betriebsräte gewählt werden.

Entgelttransparenz als zweite Front

Neben KI steht ein weiteres Reizthema auf der HSI-Agenda: Lohngerechtigkeit. Die neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz verschärft die Auskunftspflichten von Arbeitgebern dramatisch. Betriebsräte erhalten erweiterte Einsichtsrechte in Gehaltsdaten – ein mächtiges Werkzeug im Kampf gegen Gender Pay Gaps.

Doch wie weit gehen diese Rechte konkret? Können Gremien algorithmische Gehaltsberechnungen überprüfen, wenn die Systeme als Geschäftsgeheimnisse deklariert werden? Die Inzeller Tagung soll Klarheit schaffen, bevor solche Fälle die Arbeitsgerichte erreichen.

2026: Schicksalswahl für die Mitbestimmung?

All diese Aktivitäten sind kein Zufall. Im Frühjahr 2026 (März bis Mai) stehen die regulären Betriebsratswahlen an – ein „zentraler Meilenstein für demokratische Mitbestimmung in unseren Unternehmen”, wie Woidke betonte. Der Ministerpräsident sieht darin ein Bekenntnis zu „fairer Teilhabe, moderner Arbeitskultur und dem gemeinsamen Willen, Brandenburg wirtschaftlich erfolgreich zu halten”.

Die Vorbereitung läuft längst auf Hochtouren. Gewerkschaften und Bildungsträger konzipieren Schulungsprogramme, die digitale Kompetenz in den Mittelpunkt rücken. Kandidaten sollen nicht nur Paragrafen kennen, sondern auch verstehen, wie Machine-Learning-Modelle funktionieren.

Vom Abwehrkampf zur Gestaltungsmacht

Arbeitsrechtler beobachten einen strategischen Wandel: Mitbestimmung entwickelt sich von der defensiven Jobsicherung zur proaktiven Mitgestaltung digitaler Arbeitsplätze. Die explizite Unterstützung durch Landespolitiker wie Minister Keller zeigt: Robuste Arbeitsbeziehungen gelten zunehmend als Standortvorteil, nicht als Hemmnis.

Diese Perspektive könnte sich als entscheidend erweisen. Während Unternehmen unter Automatisierungsdruck stehen, stellt sich die Frage: Wer definiert die Spielregeln der algorithmischen Arbeitswelt? Die Antwort darauf geben womöglich nicht nur Gerichte, sondern auch die 2026 neu gewählten Betriebsräte.

Was als Nächstes kommt

5.-7. Dezember: Die HSI-Tagung dürfte detaillierte Rechtsgutachten zu KI-Mitbestimmung und Entgelttransparenz produzieren – Material, das künftige Gerichtsverfahren und Betriebsvereinbarungen prägen wird.

Erstes Quartal 2026: Intensivierung der Kandidatenschulungen mit Schwerpunkt Digitalkompetenz und den in Potsdam diskutierten „modernen Arbeitskultur-Modellen”.

Langfristig: Beobachtung, wie die Entgelttransparenz-Reformen die Informationsrechte von Betriebsräten konkret erweitern – und ob der Gesetzgeber nachbessern muss.

Die 2026er-Wahlen werden zur Nagelprobe: Kann die deutsche Mitbestimmung den Sprung ins KI-Zeitalter schaffen? Oder werden algorithmische Systeme zur Blackbox, an der demokratische Teilhabe zerschellt? Die Weichen werden jetzt gestellt.

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