BOLOGNA - Im juristischen Hin und Her um die Auslieferung des mutmaĂlichen Drahtziehers der AnschlĂ€ge auf die Nord-Stream-Gasleitungen nach Deutschland gibt es aus Italien nun wieder grĂŒnes Licht.
27.10.2025 - 13:59:03Gericht erlaubt Auslieferung von Nord-Stream-VerdÀchtigem
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BOLOGNA (dpa-AFX) - Im juristischen Hin und Her um die Auslieferung des mutmaĂlichen Drahtziehers der AnschlĂ€ge auf die Nord-Stream-Gasleitungen nach Deutschland gibt es aus Italien nun wieder grĂŒnes Licht. Ein Gericht in Bologna gab der Ăberstellung des 49 Jahre alten Ukrainers an die deutschen Behörden statt. Das letzte Wort ist damit allerdings noch nicht gesprochen: Der Anwalt von Serhij K. kĂŒndigte an, den Fall erneut vor Italiens oberstes Gericht zu bringen. Dieses hatte die Auslieferung schon einmal gestoppt.
K. gilt als mutmaĂlicher Drahtzieher der AnschlĂ€ge auf die Gasleitungen aus Russland in der Ostsee vor drei Jahren. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Ukrainer gemeinschaftliches HerbeifĂŒhren einer Sprengstoffexplosion an dem frĂŒheren deutsch-russischen Prestigeprojekt sowie verfassungsfeindliche Sabotage vor. Deshalb soll er in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Derzeit sitzt er in Italien in einem HochsicherheitsgefĂ€ngnis in Untersuchungshaft.
Polen will anderen VerdÀchtigen nicht ausliefern
Die AnschlĂ€ge im September 2022 - ein halbes Jahr nach Russlands Ăberfall auf das Nachbarland Ukraine - hatten weltweit Schlagzeilen gemacht. Bislang wurde dafĂŒr noch niemand zur Verantwortung gezogen. AuĂer K. wurde nur ein einziger weiterer VerdĂ€chtiger verhaftet, ebenfalls ein Ukrainer. Polen will den Mann jedoch nicht an Deutschland ausliefern. Vermutet wird, dass die AnschlĂ€ge das Werk eines Teams aus insgesamt sieben VerdĂ€chtigen waren.
Im Fall von K. hatte das Berufungsgericht der norditalienischen Stadt Bologna bereits im September grĂŒnes Licht fĂŒr die Auslieferung gegeben. Dessen Anwalt Nicola Canestrini brachte das Verfahren jedoch schon damals vor den Kassationsgerichtshof in Rom. Dieser stoppte Mitte Oktober die Auslieferung wegen VerfahrensmĂ€ngeln auf italienischer Seite. Deshalb ging der Fall wieder zurĂŒck nach Bologna - zum selben Gericht, aber in neuer Zusammensetzung.
Anwalt bemĂ€ngelt VerfahrensverstöĂe
Das Gericht bestĂ€tigte nun die Entscheidung aus erster Instanz. Rechtsanwalt Canestrini geht davon aus, dass die nĂ€chste Verhandlung in Rom innerhalb eines Monats stattfinden wird. Bis dahin soll K. in Italien bleiben. Der Verteidiger bemĂ€ngelte "schwerwiegende VerfahrensverstöĂe". Dadurch wĂŒrden die "RechtmĂ€Ăigkeit und Einhaltung der GrundsĂ€tze eines fairen Verfahrens" verletzt.
K. war im Sommer auf Grundlage eines europĂ€ischen Haftbefehls an der italienischen AdriakĂŒste festgenommen worden, wo er mit seiner Frau und seinen Kindern Urlaub machte. Offenbar rechnete er nicht damit, dass ihm der Urlaub in Italien zum VerhĂ€ngnis werden könnte. Er bestreitet alle VorwĂŒrfe.
Rechtsanwalt Canestrini erklĂ€rte, nicht aufgeben zu wollen, "bis ein Gericht die völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Fragen des Falles vollstĂ€ndig geprĂŒft hat". Falls es zum Prozess in Deutschland kommt, wĂŒrde dieser wahrscheinlich in Hamburg stattfinden.
Explosionen an Pipelines sorgten weltweit fĂŒr Aufsehen
Die AnschlÀge in der NÀhe der dÀnischen Ostsee-Insel Bornholm hatten die beiden Nord-Stream-Pipelines so sehr beschÀdigt, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. Durch Nord Stream 1 floss damals noch russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine noch nicht in Betrieb.
Nach Ăberzeugung der deutschen Ermittler soll K. ein Team von insgesamt sieben VerdĂ€chtigen geleitet haben, darunter vier Taucher. FĂŒr die AnschlĂ€ge sollen sie in Deutschland eine Segeljacht namens "Andromeda" angemietet haben, mit der sie dann hinaus auf die Ostsee gefahren sein sollen, um die Pipelines zu sprengen.
Bei Àhnlichem Fall in Polen bereits Fakten geschaffen
Der weitere VerdÀchtige aus der Ukraine war in Polen gefasst worden und hatte sich dort bis vor kurzem in U-Haft befunden. Auch in diesem Fall stellten die deutschen Behörden einen Auslieferungsantrag. Ein polnisches Gericht entschied jedoch vor gut einer Woche, dass der 46 Jahre alte Wolodymyr Z. nicht ausgeliefert wird. Er wurde zudem aus dem GefÀngnis entlassen. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft keine Berufung eingelegt.
Polens Regierungschef Donald Tusk sagte nach der Entscheidung, das Gericht habe die Auslieferung "zu Recht" abgelehnt. "Der Fall ist abgeschlossen", schrieb er auf X.
Polens Regierungen der vergangenen Jahre waren stets gegen den Bau der Pipelines. Warschau warnte schon frĂŒh davor, dass die Nord-Stream-Gasleitungen von Russland zur Erpressung missbraucht werden könnten.

