BMDS erhält Veto-Recht über IT-Projekte des Bundes
04.12.2025 - 14:59:12Deutschland zieht die digitale Notbremse: Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) kann künftig Projekte anderer Ministerien stoppen. Parallel dazu baut Österreich seine digitale Identität “ID Austria” massiv aus – über 1.350 Kommunen können nun Bürger registrieren. Die DACH-Region macht Ernst mit der Digitalisierung.
Die Ära des digitalen Flickenteppichs ist vorbei. Am Mittwoch sicherte sich das BMDS unter Minister Karsten Wildberger (CDU) ein weitreichendes Vetorecht über IT-Vorhaben aller Bundesministerien. Wer künftig digitalisieren will, muss an Berlin vorbei – und an strengen Kompatibilitäts- und Budgetstandards. Gleichzeitig zeigt Österreich, wie man Akzeptanz schafft: 4,1 Millionen Nutzer hat ID Austria bereits, bis 2030 sollen es neun Millionen werden.
Die neue Regelung trifft alle IT-Projekte mit jährlichen Kosten über 500.000 Euro oder einem Gesamtvolumen von mehr als drei Millionen Euro. Strategische IT-Sicherheitsausgaben brauchen unabhängig von der Höhe das Okay aus dem BMDS. “Wir bewegen uns von der Experimentierphase in die Phase verbindlicher Standards”, erklärte ein Ministeriumssprecher in Berlin. “Passt ein Projekt nicht in die Bundesarchitektur, wird es nicht finanziert.”
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Der “Digitale Check” ist mehr als Theorie. Eine zentrale Datenbank erfasst bereits rund 2.000 laufende und geplante Vorhaben. Staatssekretär Markus Richter bestätigte auf einer Konferenz in Potsdam, dass das Vetorecht faktisch sofort greift. Das Ziel: Die berüchtigte Ressort-Mentalität beenden, bei der Ministerien jahrelang inkompatible Software-Lösungen entwickelten.
Die Zahlen unterstreichen den Ernst der Lage. Der Haushaltsentwurf für 2026 sieht für das BMDS rund 4,5 Milliarden Euro vor – ein Kriegsbudget für die Standardisierung der Bundes-IT. Ausnahmen gibt es primär für Verteidigung und Sicherheitsdienste. Bundeswehr und Nachrichtendienste bleiben operativ unabhängig.
Branchenanalysten reagieren positiv. Zentrale Steuerung sei in erfolgreichen Digital-Nationen wie Dänemark und Estland Standard. “Deutschland fehlte jahrelang ein ‘Chief Digital Officer’ mit echter Macht”, so ein Berliner Policy-Experte. “Das BMDS mit Budgethoheit auszustatten ist der Durchbruch, auf den die Branche gewartet hat.”
Österreich: ID Austria knackt kritische Schwelle
Während Berlin an Strukturen feilt, drückt Wien aufs Tempo. Am Donnerstag verkündeten österreichische Behörden eine massive Erweiterung des “ID Austria”-Registrierungsnetzes. Weitere 509 Kommunen dürfen nun die digitale Identität ausstellen – insgesamt sind es etwa 1.350 Anlaufstellen bundesweit. Rund zwei Drittel aller österreichischen Gemeinden können Bürger somit direkt an das System anbinden, das den Zugang zu über 500 digitalen Verwaltungsleistungen ermöglicht.
Hintergrund ist die massive Nachfrage. Die “ID Austria Servicetour” – eine mobile Registrierungsinitiative für ländliche Regionen – wurde bis Ende 2025 verlängert. Seit dem Start im Juli wurden allein über diese Tour mehr als 100.000 Neuregistrierungen abgewickelt.
“Die Zahlen sprechen für sich”, hieß es von Digital Austria. “Mit 4,1 Millionen Nutzern hat ID Austria eine kritische Schwelle überschritten. Wir digitalisieren nicht nur Pässe, wir schaffen einen Universalschlüssel für österreichische Bürger.”
Der Funktionsumfang wächst mit der Nutzerbasis. ID Austria ermöglicht inzwischen digitale Signaturen für Mietverträge, den Zugriff auf die “Digitales Amt”-App und sichere Speicherung digitaler Führerscheine. Das Ziel von neun Millionen Nutzern bis 2030 – faktisch die gesamte wahlberechtigte Bevölkerung – bekräftigte die Regierung erneut.
OZG 2.0: Die Plattform-Ökonomie entsteht
Konkrete Fortschritte zeigen sich beim Onlinezugangsgesetz (OZG). Am Donnerstag legte Mecklenburg-Vorpommern neue Zahlen zum Projekt “Digitaler Bauantrag” vor – ein Musterbeispiel für das “Einer für Alle”-Prinzip (EfA).
Bis Oktober 2025 wurden über 54.000 Anträge über die Plattform abgewickelt. Statt eigener Portale nutzen 377 untere Bauaufsichtsbehörden bundesweit die zentral in Mecklenburg-Vorpommern entwickelte Lösung.
“Wir haben bewiesen, dass eine zentral gehostete Plattform mit standardisierten Schnittstellen lokalen Insellösungen überlegen ist”, erklärte Christoph Vollmer vom Landesministerium für Inneres und Bauwesen. Die Plattform bietet inzwischen mehr als nur Dokumenten-Upload: In einem kollaborativen “Transaktionsraum” können Antragsteller, Architekten und Behörden in Echtzeit interagieren.
Für das BMDS ist diese Erfolgsgeschichte entscheidend. Sie liefert eine funktionierende Vorlage für weitere OZG-Bereiche. Der Wechsel von starren Formularen zu dynamischen, kollaborativen Plattformen gilt als nächste Evolution des deutschen E-Government – oft als “OZG 2.0” bezeichnet.
Unterschiedliche Wege, gleiches Ziel
Die Entwicklungen der letzten 72 Stunden zeigen die unterschiedlichen Strategien der DACH-Region bei gemeinsamem Ziel:
Deutschland setzt auf Strukturreform und Governance. Das BMDS mit Vetorecht adressiert die Hauptschwäche des Landes: fehlende zentrale Koordination im Föderalismus.
Österreich konzentriert sich auf Skalierung und Nutzerakzeptanz. Mit stabiler technischer Basis von ID Austria liegt der Fokus rein auf Marktdurchdringung und Zugänglichkeit.
Die Schweiz befindet sich nach dem erfolgreichen E-ID-Referendum im September 2025 in der “Build-and-Test”-Phase. Mit geklärten Rechtsfragen steht der technische Betatest der “Swiyu”-Vertrauensinfrastruktur an – geplanter Start: 2026.
Die Marktreaktion auf die deutschen Ankündigungen fällt verhalten optimistisch aus. IT-Beratungen und Software-Anbieter erwarten zunächst eine Verlangsamung bei Projektgenehmigungen durch den neuen BMDS-Prüfprozess, gefolgt von einer Welle größerer, standardisierter Ausschreibungen ab 2026.
2026: Das Jahr der Durchsetzung
Die rigide Haltung des BMDS dürfte eine Konsolidierungswelle bei öffentlichen IT-Dienstleistern auslösen. Projekte ohne nachweisbare länderübergreifende Kompatibilität werden im kommenden Bundeshaushalt vermutlich gestrichen.
Für Österreich steht bis Jahresende der Abschluss des kommunalen Rollouts an. Anfang 2026 plant die Regierung zusätzliche Features für ID Austria – möglicherweise Integration von Gesundheitsdaten und grenzüberschreitende Kompatibilität mit der kommenden EU Digital Identity Wallet.
In der Schweiz richten sich alle Augen auf das Startfenster im Frühjahr 2026. Mit politischem Mandat steht die Bundesregierung unter Druck, ein fehlerfreies Nutzererlebnis zu liefern – Datenschutzbedenken hatten frühere Versuche scheitern lassen.
Die DACH-Region hat die Planungsphase der digitalen Transformation offenbar hinter sich gelassen. Die Werkzeuge stehen, die Gesetze sind verabschiedet, und erstmals haben Zentralregierungen die Macht, deren Nutzung durchzusetzen.
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