Bitkom warnt: Digitalstrategie droht am Strompreis zu scheitern
28.11.2025 - 05:31:12Trotz Fortschritten bei digitalen Behördendiensten wie der Online-Wohnsitzanmeldung droht der Ausbau digitaler Infrastruktur an hohen Stromkosten für Rechenzentren zu scheitern.
Die Bundesregierung feiert Erfolge bei digitalen Behördendiensten – doch gleichzeitig eskaliert ein Streit um die Finanzierung der dafür nötigen Infrastruktur. Der Digitalverband Bitkom schlägt Alarm: Ohne Entlastung bei den Energiekosten gefährdet Berlin ausgerechnet jene Rechenzentren, auf denen die digitale Souveränität aufbauen soll.
Der Konflikt kommt zur Unzeit. Erst am Mittwoch hatte das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) gemeldet, dass mittlerweile über 55 Millionen Bürger ihren Wohnsitz online anmelden können – ein lange erwarteter Durchbruch im digitalen Behördenalltag. Doch was nützen moderne Dienste, wenn die technische Basis wackelt?
Energiekosten als Standortnachteil
Bei der Haushaltsdebatte im Bundestag ließ Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst am 26. November kein gutes Haar an der Sparpolitik der Regierung. Während produzierende Unternehmen Unterstützung bei hohen Stromkosten erhalten sollen, gehen Rechenzentren und Telekommunikationsnetze leer aus.
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„Wer Deutschland digital voranbringen will, muss die digitalen Infrastrukturen stärken”, so Wintergerst unmissverständlich. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Deutsche Rechenzentren verbrauchen jährlich etwa 21 Milliarden Kilowattstunden Strom – rund 50 Prozent ihrer Betriebskosten entfallen auf Energie.
Die Konsequenz? Ohne vergleichbare Hilfen drohe Deutschland im internationalen Wettbewerb zurückzufallen. Investitionen und Arbeitsplätze könnten in Länder mit günstigeren Rahmenbedingungen abwandern. „Eine Entlastung nur für die Industrie torpediert die Ziele der digitalen Souveränität”, warnte der Verbandschef.
Der Disput überschattet ausgerechnet den “Ersten Digitalen Haushalt” der Bundesrepublik, den das BMDS am 14. November vorgelegt hatte. Minister Dr. Karsten Wildberger bezeichnete den Etat als “Meilenstein” für sein Haus, das erst im Mai 2025 gegründet wurde, um die zuvor auf sechs Ressorts verteilten Digitalzuständigkeiten zu bündeln.
Wohnsitzanmeldung: Endlich ohne Behördenmarathon
Trotz der Haushaltsturbulenz kann die Regierung bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) echte Fortschritte vorweisen. Seit Mitte November steht etwa 55 Millionen Deutschen die elektronische Wohnsitzanmeldung zur Verfügung.
Rund 2.000 Meldebehörden bundesweit sind mittlerweile an das System angeschlossen, wie das BMDS mitteilte. Bürger können ihre neue Adresse komplett online mit dem digitalen Personalausweis registrieren – ohne die berüchtigten Wartezeiten in überlasteten Ämtern.
„Das hat Vorbildcharakter”, betonte Minister Wildberger. Schließlich zählt die Wohnsitzanmeldung zu den meistgenutzten Verwaltungsleistungen überhaupt. Für das noch junge BMDS ist der erfolgreiche Rollout ein wichtiger Härtetest – das Ministerium hatte versprochen, „konkrete, sichtbare Fortschritte” statt theoretischer Strategiepapiere zu liefern.
Technisch basiert der Dienst auf dem BundID-Konto, dessen Nutzerzahlen allerdings schwanken. Nach einem Anstieg zu Jahresbeginn 2025 arbeitet die Regierung nun am Übergang zu einem integrierten “DeutschlandID”-System, das den Zugang weiter vereinfachen soll.
EUDI-Wallet: Europa kommt aufs Smartphone
Parallel zum nationalen Ausbau beschleunigt Deutschland die Einbindung in die europäische digitale Identität (EUDI). Am 18. November diskutierten Bitkom und andere Branchenvertreter über die baldige Einführung der “EUDI-Wallet”, die “gut gefüllt” nach Deutschland komme.
Die europäische Geldbörse soll es Bürgern ermöglichen, digitale Nachweise – vom Führerschein über Bildungszertifikate bis zum Personalausweis – sicher auf dem Smartphone zu speichern und grenzüberschreitend zu nutzen. Kontoeröffnung in Spanien? Altersnachweis für Online-Dienste in Frankreich? Die EUDI-Wallet macht’s möglich.
Das Projekt fügt sich in die “Digitalstrategie 2025” ein, die das Smartphone zum primären Werkzeug für Behördenkontakte machen will. Experten gehen davon aus, dass die EUDI-Wallet künftig direkt mit BundID verknüpft wird – eine digitale Identität für alle Lebenslagen.
Bildung bleibt Baustelle
Während Verwaltungsdienste vorankommen, lahmt die Digitalisierung der Schulen weiter. Am 25. November veröffentlichte Bitkom Research eine Studie zum “Digitalen Unterricht” – mit ernüchterndem Ergebnis: Eltern bewerten den digitalen Stand deutscher Schulen derzeit mit der Note 3.
Die Diagnose: Zwischen verfügbarer Hardware und pädagogischer Nutzung klafft eine Lücke. Das befeuert die Debatte um den “Digitalpakt 2.0” für Schulen, der um dieselben knappen Mittel konkurriert, die Wintergerst für die digitale Infrastruktur einfordert.
Gleichzeitig prägen neue Verbraucherschutzregeln seit dem 20. November die digitale Handelslandschaft. Strengere Bonitätsprüfungen bei “Jetzt kaufen, später zahlen”-Angeboten und erweiterte Rechte für Dispokredit-Nutzer sollen Konsumenten in der zunehmend digitalisierten Finanzwelt schützen.
Countdown für den Haushalt
Die entscheidende Frage wird die Merz-Regierung bis zum Jahreswechsel beantworten müssen: Erhalten Rechenzentren doch noch Energiesubventionen? Ohne Zugeständnis, warnen Branchenkenner, könnte der Einsatz energieintensiver KI-Anwendungen im öffentlichen Sektor ins Stocken geraten – ausgebremst durch explodierende Betriebskosten.
Für 2026 plant das BMDS die nächste Phase von OZG 2.0. Ambitioniertes Ziel: Innerhalb von fünf Jahren sollen sämtliche unternehmensrelevanten Behördenleistungen “digital-only” werden. Doch vorerst richtet sich aller Blicke auf den Bundestag, wo die Grundsatzfrage verhandelt wird: Verdient digitale Infrastruktur denselben Schutz wie traditionelle Industrie?
Die Antwort könnte darüber entscheiden, ob Deutschland seine digitale Souveränität ausbaut – oder ob die Strategie am Strompreis scheitert.
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