Betriebsratswahlen 2026: Gesetzgeber bremst, Unternehmen tricksen
09.12.2025 - 16:11:12Berlin/Grünheide – Dienstag, 09. Dezember 2025
Der Countdown läuft: Im Frühjahr 2026 stehen die bundesweiten Betriebsratswahlen an. Doch die Rahmenbedingungen könnten kaum widersprüchlicher sein. Während der Gesetzgeber längst überfällige Modernisierungen verschleppt, greifen Konzerne zu immer kreativeren Methoden, um Arbeitnehmervertretungen zu verhindern. Von Deutschrap-Konzerten bei Tesla bis zu Kündigungswellen in Pflegeheimen – die Bandbreite der Abwehrstrategien wächst. Experten warnen vor einem „Rollback” der Mitbestimmung in Deutschland.
Wie das Personalmagazin Haufe heute berichtet, müssen die Wahlen nach denselben veralteten Regeln ablaufen wie bisher. Digitale Abstimmungen oder virtuelle Sitzungen? Fehlanzeige. Gleichzeitig zeigen aktuelle Fälle, dass die Behinderung von Betriebsräten längst kein Randphänomen mehr ist. Die Mittel werden aggressiver, die Methoden raffinierter.
Die Enttäuschung bei Gewerkschaften und HR-Experten ist spürbar. Das Betriebsverfassungsgesetz sei „im 20. Jahrhundert stecken geblieben”, analysiert Haufe Personal in einer heute veröffentlichten Studie. Für die turnusmäßigen Wahlen zwischen dem 1. März und 31. Mai 2026 bleibt alles beim Alten: keine rechtssicheren digitalen Verfahren, dafür bürokratische Hürden, die es Arbeitgebern erleichtern, Wahlen durch formale Anfechtungen zu blockieren.
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Besonders brisant wird dieser Stillstand vor dem Hintergrund aktueller Daten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Die Zahlen sind eindeutig: Etwa jede sechste Neugründung eines Betriebsrats wird aktiv behindert. In inhabergeführten Unternehmen liegt die Quote noch höher. Die Palette der Methoden reicht von Einschüchterung über gezielte Kündigungen bis zu subtileren Formen der Sabotage.
Theoretisch sind solche Praktiken strafbar. Praktisch bleiben sie oft ohne Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaften? Überlastet oder ohne Fachkenntnis. Das Strafrecht? Ein stumpfes Schwert.
Kool Savas statt IG Metall: Teslas Kulturkampf
Wie modern und zugleich bizarr die Bekämpfung von Gewerkschaften im Jahr 2025 aussehen kann, demonstriert derzeit Tesla in Grünheide. Nur wenige Monate vor der erwarteten Betriebsratswahl greift die Werksleitung tief in die Trickkiste.
Am heutigen Dienstag sorgte ein Event für Aufsehen, das Beobachter als gezieltes Ablenkungsmanöver werten: Unter dem Motto „Rap statt Tarifvertrag” trat Deutschrap-Ikone Kool Savas im werkseigenen „Giga Dome” auf. Laut Business Punk dichtete der Künstler seine Texte extra um, um Tesla zu feiern. Werksleiter André Thierig nutzte die Gelegenheit, um Visionen vom autonomen Fahren zu präsentieren.
Das Spektakel folgt einer strategischen Gehaltserhöhung von vier Prozent, die Tesla am 1. Dezember verkündete – explizit „ohne gewerkschaftlichen Einfluss”. Die IG Metall reagiert verärgert. Bezirksleiter Jan Otto nennt die Erhöhung einen „Tropfen auf den heißen Stein”. Die Löhne lägen weiterhin rund 30 Prozent unter dem branchenüblichen Tarifniveau.
Die Botschaft des Managements ist klar: Wir brauchen keine Gewerkschaft, wir bieten Show und freiwillige Boni. Eine moderne Form von „Brot und Spiele”. Ob diese Taktik bei der kommenden Wahl aufgeht, wird sich zeigen.
Kündigungen und Drohungen: Die brutale Realität
Abseits der glitzernden Tech-Welt zeigt sich die Behinderung von Betriebsräten von ihrer hässlichsten Seite. Ein aktueller Fall aus Sachsen wirft ein Schlaglicht auf die prekäre Lage in der Pflegebranche.
Wie die Gewerkschaft ver.di Anfang Dezember meldete, kam es im Seniorenzentrum Böhlen der Unternehmensgruppe interpares zu massiven Einschüchterungsversuchen. Drei Beschäftigte hatten zu einer Wahlversammlung eingeladen – und sahen sich sofort unter Druck gesetzt. Initiatoren erhielten Kündigungen oder Abmahnungen.
„Dass es noch immer Arbeitgeber gibt, die das Betriebsverfassungsrecht dem Anschein nach mit Füßen treten, ist unakzeptabel”, erklärte ein ver.di-Sprecher. Solche Fälle zeigen die Lücke im Gesetz: Der Schutz greift oft zu spät für die Betroffenen, die ihre Existenz verlieren.
Auch bei Amazon reißt die Kritik nicht ab. Nach dem tragischen Tod eines Mitarbeiters im Logistikzentrum Erfurt im November stehen erneut die Arbeitsbedingungen im Fokus. Kritiker werfen dem Konzern vor, den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen und die Arbeit des erst im Mai gegründeten Betriebsrats systematisch zu erschweren.
Zwei Strategien, ein Ziel: Betriebsräte verhindern
Die aktuellen Entwicklungen zeichnen ein düsteres Bild für die Mitbestimmung in Deutschland. Während der Gesetzgeber bei der Digitalisierung auf der Stelle tritt, entwickeln Unternehmen ihre Abwehrstrategien dynamisch weiter.
Experten beobachten zwei Haupttrends:
1. Hard Union Busting: Die klassische, brutale Methode mit Kündigungen und Hausverboten. Zu beobachten vor allem in kleineren Betrieben und der Pflege. Hier fehlen schnelle juristische Schutzmechanismen für Initiatoren.
2. Soft Union Busting: Der Ansatz von Tech-Konzernen wie Tesla. Statt Druck setzt man auf „alternative Angebote” – Events, freiwillige Gehaltserhöhungen, eigene Listen. Ziel: Die Notwendigkeit einer klassischen Interessenvertretung delegitimieren.
Das Versprechen der Bundesregierung, Behinderungen härter zu bestrafen, läuft ins Leere. Ohne Schwerpunktstaatsanwaltschaften, wie sie das WSI fordert, bleiben die verschärften Regelungen wirkungslos.
2026: Belastungsprobe für die Mitbestimmung
Das kommende Jahr wird zur Nagelprobe für die deutsche Betriebsverfassung. Ohne neue gesetzliche Impulse müssen sich Betriebsräte auf einen Wahlkampf einstellen, der härter wird als je zuvor.
Für die Gewerkschaften bedeutet das: Strategien anpassen, offensiv werden, die kulturelle Ebene nicht vernachlässigen. Der Fall Tesla zeigt, dass es nicht mehr ausreicht, nur auf klassische Argumente zu setzen.
Für die Beschäftigten bleibt eine bittere Erkenntnis: Ihr Recht auf Mitbestimmung steht zwar im Gesetz. In der Praxis muss es aber oft mühsam und unter Risiko erkämpft werden – sei es gegen einen Pflegeheimbetreiber oder gegen die PR-Maschinerie eines Weltkonzerns.
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