Arbeitszeitgesetz, Gewerkschaften

Arbeitszeitgesetz: Gewerkschaften warnen vor 12-Stunden-Tag

04.12.2025 - 00:30:12

Deutschland streitet über die Zukunft des 8-Stunden-Tags. Während die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz auf Deregulierung drängt, mobilisieren Gewerkschaften gegen Pläne zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Die Warnung ist eindringlich: Was als Modernisierung verkauft wird, könnte die Gesundheit von Millionen Beschäftigten gefährden.

Die Fronten verhärteten sich gestern, als die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor den Regierungsplänen warnten. Im Kern geht es um die Verschiebung der gesetzlichen Grenze von einer täglichen Höchstarbeitszeit zu einer wöchentlichen – faktisch die Legalisierung von 12-Stunden-Schichten.

„Der 8-Stunden-Tag ist eine zentrale Schutzschranke. Fällt diese, zahlen die Beschäftigten mit ihrer Gesundheit”, warnte Christian Ullmann, Geschäftsführer der NGG Leipzig-Halle-Dessau. Die Gewerkschaft sieht eine jahrhundertealte Errungenschaft der Arbeiterbewegung in Gefahr, die vor Ausbeutung und körperlicher Erschöpfung schützen sollte.

Anzeige

Die Debatte um 12‑Stunden‑Schichten macht auch ein praktisches Problem deutlich: die rechtssichere Erfassung von Arbeitszeiten. Ab 2025 drohen Arbeitgebern ohne korrekte Dokumentation Bußgelder und Konflikte mit Betriebsräten. Ein kostenloses E‑Book zeigt Schritt für Schritt, wie Sie die Arbeitszeiterfassung gesetzeskonform einführen – inklusive einsatzfertiger Mustervorlagen für Stundenzettel sowie Hinweisen zu Pausen- und Ruhezeiten. Arbeitszeiterfassung in 10 Minuten rechtssicher umsetzen

Unter dem Motto „Mit Macht für die 8″ organisieren die Gewerkschaften bundesweiten Widerstand. Ihre Argumentation: Das bestehende Gesetz bietet bereits ausreichend Flexibilität durch Tarifverträge. Die geplante Deregulierung diene nur dazu, Arbeitszeiten ohne zusätzliche Vergütung auszudehnen.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Die Merz-Administration hat die „Entfesselung” der deutschen Wirtschaft zur Priorität erklärt, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Arbeitgeberverbände wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fordern seit Langem diese Änderungen. Ihre Begründung: Die starre 8-Stunden-Grenze sei in einer digitalen, globalisierten Wirtschaft überholt.

Befürworter argumentieren, eine wöchentliche Höchstgrenze – konform mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie – würde Unternehmen helfen, schwankende Auftragszahlen besser zu bewältigen. Zudem könnten Beschäftigte ihre Wochenstunden flexibler gestalten, etwa vier längere Arbeitstage für einen freien fünften Tag.

Medizinische Fakten statt Ideologie

Die Debatte basiert längst nicht mehr nur auf politischen Überzeugungen. Die NGG stützt ihre Warnung auf Berechnungen des Pestel-Instituts und arbeitsmedizinische Erkenntnisse.

Die gravierendsten Gesundheitsrisiken im Überblick:

Unfallgefahr: Das Risiko von Arbeitsunfällen verdoppelt sich nach der 12. Arbeitsstunde im Vergleich zu einem Standard-8-Stunden-Tag. Bereits nach der 10. Stunde steigen die Unfallraten signifikant.

Langzeitfolgen: Chronische Erschöpfung, Schlafstörungen, Verdauungsprobleme und Depressionen treten statistisch häufiger bei Beschäftigten mit langen oder unregelmäßigen Arbeitszeiten auf.

Biorhythmus-Störungen: Die Ausweitung von Schichtarbeit und 12-Stunden-Rotationen bedroht die innere Uhr der Beschäftigten dauerhaft und führt zu erhöhten Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

„Diese Arbeitsbelastung zeigt, wie hoch die Belastung bereits heute ist”, stellte die NGG fest und verwies auf Daten, wonach Beschäftigte etwa in Halle (Saale) täglich hunderttausende Arbeitsstunden leisten – oft mit Überstunden.

Was wollen die Beschäftigten wirklich?

Die Arbeitgeberseite fordert in der wirtschaftlichen Stagnation „mehr Arbeit” zur Wohlstandssicherung. Doch entspricht das den Wünschen der Belegschaften?

Der DGB-Index Gute Arbeit 2025 zeichnet ein klares Bild: Die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten will keine längeren Arbeitstage. Über 95 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass ihr Arbeitstag spätestens um 19 Uhr enden muss, um Kinderbetreuungspflichten nachzukommen. 12-Stunden-Schichten würden dies unmöglich machen.

Eine 4-Tage-Woche klingt verlockend – doch ein 12-Stunden-Tag in körperlich anspruchsvollen Bereichen wie Logistik, Gastronomie oder Fertigung unterscheidet sich fundamental von Büroarbeit-Flexibilität. Kann ein Lkw-Fahrer oder eine Servicekraft wirklich zwölf Stunden konzentriert und sicher arbeiten?

Winter der Unzufriedenheit?

Während der Gesetzgebungsprozess voranschreitet, dürfte die Konfrontation eskalieren. Die Gewerkschaften signalisieren unmissverständlich: Die Erosion des 8-Stunden-Standards werden sie nicht kampflos hinnehmen.

„Der 8-Stunden-Tag darf nicht wanken”, erklärte Marc Kissinger von der NGG Köln gestern. „Wer die tägliche Höchstarbeitszeit aus dem Gesetz streicht, sägt an einer zentralen Säule des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.”

Mit einer Regierung, die entschlossen ist, die Reform als wirtschaftsfreundliches Signal durchzusetzen, und Gewerkschaften, die harten Widerstand androhen, könnten die kommenden Wochen Proteste und möglicherweise Streiks bringen. Sobald die Details des Gesetzentwurfs im Bundestag debattiert werden, wird sich entscheiden, wie die Balance zwischen wirtschaftlicher Flexibilität und Arbeitnehmerschutz für das nächste Jahrzehnt ausfällt.

Verantwortlich für die Proteste sind vor allem die befürchteten Gesundheitsfolgen und die Sorge, dass unter dem Deckmantel der Modernisierung Schutzstandards abgebaut werden, die über Generationen erkämpft wurden. Das dürfte spannend werden – und schmerzhaft für eine Seite.

Anzeige

PS: Beschäftigte, Betriebsräte und Personaler, die sich vor der Ausweitung langer Schichten schützen wollen, finden hier konkrete Unterstützung. Das kostenlose E‑Book liefert praxisnahe Vorlagen und erklärt, wie Arbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten rechtssicher dokumentiert werden – und welche Schritte Arbeitgeber jetzt gehen müssen, um Konflikte und Bußgelder zu vermeiden. Ideal für Unternehmen und Vertreter, die schnelle, rechtssichere Lösungen suchen. Jetzt kostenlose Vorlagen zur Arbeitszeiterfassung herunterladen

@ boerse-global.de