Arbeitszeitgesetz: Gewerkschaften rufen zum Kampf auf
27.11.2025 - 15:30:12Berlin – Die Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes entwickelt sich zur Zerreißprobe für die Bundesregierung. Während Bundeskanzler Friedrich Merz auf mehr Flexibilität für die Wirtschaft drängt, mobilisieren Gewerkschaften massiv gegen die Abschaffung des Acht-Stunden-Tags. Die Fronten verhärten sich – und beide Seiten verschärfen an diesem Donnerstag, 27. November, ihre Gangart.
Was zunächst wie ein technisches Reformprojekt klang, entpuppt sich als grundsätzliche Auseinandersung: Soll Deutschland seine starre Tageshöchstgrenze von acht Stunden zugunsten einer flexiblen Wochenarbeitszeit aufgeben? Die Wirtschaft sieht darin längst überfällige Modernisierung. Die Gewerkschaften warnen vor einem historischen Dammbruch.
Mit voller Kraft geht Ver.di in die Offensive. Seit Mittwoch läuft bundesweit die Kampagne “Mit Macht für die 8” – ein unmissverständliches Signal an die Regierung. Die Dienstleistungsgewerkschaft warnt drastisch: Ohne tägliche Obergrenze könnten künftig “13-Stunden-Arbeitstage legalisiert” werden.
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“Viele Beschäftigte arbeiten bereits am Limit ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit”, erklärt Andrea Kocsis, stellvertretende Vorsitzende von Ver.di, heute in einer Stellungnahme. Die Verlängerung über acht Stunden hinaus lasse keine Zeit für Erholung – die Gesundheitsrisiken würden massiv steigen. Der Acht-Stunden-Tag sei keine “Luxusgrenze”, sondern medizinisch notwendiger Gesundheitsschutz.
Auch der Marburger Bund schlägt Alarm. Vorsitzende Susanne Johna sieht durch die Reform Patientensicherheit und Ärztegesundheit gefährdet. Im ohnehin belasteten Gesundheitswesen drohten bei Wegfall der Tagesgrenzen exzessive Schichtlängen.
Wirtschaft setzt Kanzler unter Druck
Doch die Arbeitgeberseite erhöht den Druck auf das Kanzleramt. Der Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft (BDWi) fordert heute unmissverständlich: Merz müsse die Reform zur Chefsache machen. “Außenpolitische Erfolge reichen nicht”, erklärt Verbandspräsident Michael H. Heinz. Die heimische Wirtschaft brauche dringend Entlastung von starren Vorschriften.
“Das Stichwort lautet: Arbeitszeitgesetz”, stellt Heinz klar. Die aktuellen Tagesgrenzen seien in einer digitalisierten Dienstleistungsökonomie obsolet. Scharfe Kritik richtet sich gegen Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), die angesichts der Wirtschaftskrise “falsche Prioritäten” setze. Der Verband drängt auf vollständige Angleichung an europäische Standards – die primär auf eine 48-Stunden-Woche abstellen.
Rückenwind erhält die Arbeitgeberposition durch eine Forsa-Umfrage vom 22. November: 66 Prozent der Beschäftigten bevorzugen demnach eine wöchentliche Höchstarbeitszeit – sofern das Gesamtvolumen nicht steigt. Befürworter argumentieren, dies ermögliche bessere Work-Life-Balance-Modelle wie Vier-Tage-Wochen oder Zeitkonten für längere Auszeiten.
Kernfrage: Tages- oder Wochengrenze?
Im Zentrum steht eine fundamentale Systemfrage. Das geltende deutsche Recht deckelt den Arbeitstag strikt auf acht Stunden, verlängerbar auf zehn Stunden nur bei Durchschnittsausgleich über sechs Monate.
Die von der CDU/SPD-Koalition geplante Reform will das deutsche Recht stärker an die EU-Arbeitszeitrichtlinie anpassen:
- Wegfall der Acht-Stunden-Grenze: Ersatz durch wöchentliches Maximum von 48 Stunden
- Verlängerte Tagschichten: Arbeitstage bis zu 12 oder 13 Stunden möglich, sofern Wochenlimit und Ruhezeiten (11 Stunden) eingehalten werden
- Flexibilitätsgewinn: Vier-Tage-Woche (4 x 10 oder 4 x 12 Stunden) ohne bürokratische Hürden
Kritiker befürchten jedoch: Ohne tägliche “Bremse” könnten Arbeitgeber einseitig lange Schichten in Spitzenzeiten anordnen. Die Planbarkeit von Freizeit für Familien und Pflegende erodiere.
Ideologischer Graben in der Koalition
Der Streit offenbart den Riss innerhalb der Regierung. Während Kanzler Merz die “Entfesselung der Wirtschaft” zum Kernthema seiner Amtszeit erklärt hat, steht Arbeitsministerin Bas unter massivem Druck ihrer Parteibasis und der Gewerkschaften, Schutzstandards zu wahren.
Das BDWi fordert heute explizit, der Kanzler müsse seine Richtlinienkompetenz nutzen und die Reform trotz SPD-Bedenken durchsetzen. Ver.di hingegen kündigt mit “Mit Macht für die 8” einen “heißen Winter” an – jede Aushöhlung des Acht-Stunden-Tags werde in Tarifverhandlungen erbittert bekämpft.
Kompromiss in weiter Ferne?
Beobachter erwarten, dass das Arbeitsministerium Anfang 2026 einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorlegt. Möglicherweise ein Kompromiss: Flexibilitäts-“Korridore” via Tarifverträge, aber gesetzliche Tagesgrenze für Branchen ohne starke Tarifbindung.
Doch Ende November 2025 verhärten sich die Positionen. Für die Wirtschaft geht es um längst überfällige Befreiung von “Industriezeitalter-Fesseln”. Für Gewerkschaften steht die Seele des Arbeitnehmerschutzes im 21. Jahrhundert auf dem Spiel.
Ein Konsens scheint derzeit ferner denn je.
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