Arbeitszeitbeginn, Gericht

Arbeitszeitbeginn: Gericht beschneidet Mitbestimmungsrechte bei Parkplatzverlegung

25.11.2025 - 12:20:12

Das Landesarbeitsgericht Köln zieht eine klare Grenze: Betriebsräte können nicht per Einigungsstelle durchsetzen, dass Pendelzeiten auf dem Betriebsgelände als Arbeitszeit gelten. Ein wegweisendes Urteil, das für viele Unternehmen Rechtssicherheit schafft – doch die Arbeitnehmervertreter müssen nun andere Wege finden.

Die Entscheidung des LAG Köln (Az: 9 TaBV 25/25) könnte Signalwirkung für ganz Deutschland haben. Im konkreten Fall ging es um ein Logistikunternehmen am Flughafen, das wegen Bauarbeiten die Mitarbeiterparkplätze weit vom eigentlichen Arbeitsort verlegen musste. Die Folge: Beschäftigte mussten täglich mit Shuttlebussen fahren und Sicherheitskontrollen passieren – ein Zeitaufwand, der die tägliche Anreise erheblich verlängerte.

Der Betriebsrat sah darin eine Frage der Arbeitszeit und pochte auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG. Seine Argumentation: Wenn das Unternehmen die Infrastruktur so ändert, dass zusätzliche Pendelzeiten auf dem Gelände entstehen, müsse die Einigungsstelle entscheiden dürfen, ab wann die Arbeitszeit beginnt.

Das Gericht sah das anders. In seiner Entscheidung stellte das LAG Köln unmissverständlich klar: Die Einigungsstelle ist nicht zuständig, den geografischen Ort festzulegen, an dem die Arbeitszeit beginnt. Betriebsräte haben zwar Mitbestimmungsrechte bei der Verteilung der Arbeitszeit, können aber nicht eigenmächtig definieren, dass Shuttle-Fahrten oder Sicherheitskontrollen zur bezahlten Arbeitszeit werden.

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Arbeitsrechtler von Bird & Bird, die das Urteil analysierten, sprechen von “Rechtssicherheit für Arbeitgeber” bei infrastrukturellen Änderungen. Für Betriebsräte bedeutet das: Sie müssen andere Hebel finden – etwa über Arbeitsschutzvorschriften oder Belastungsargumente.

KI-Gesetz verzögert sich: Atempause für Betriebsräte

Gleichzeitig zeichnet sich eine Entlastung an anderer Front ab: Die EU-Kommission erwägt offenbar, zentrale Regelungen des AI Act zu verschieben. Das verschafft Betriebsräten mehr Zeit, sich auf ihre neuen Mitbestimmungsrechte bei Künstlicher Intelligenz vorzubereiten.

Betroffen von der möglichen Verzögerung sind vor allem die Compliance-Fristen für “Hochrisiko-KI-Systeme” – eine Kategorie, die häufig HR-Software, Leistungsüberwachungstools und automatisierte Recruiting-Systeme umfasst. Für Betriebsräte eröffnet sich damit ein Zeitfenster, um ohne akuten Fristendruck strategisch zu agieren:

IT-Rahmenvereinbarungen können gründlicher verhandelt werden. Viele Gremien arbeiten derzeit an “KI-Zusätzen” zu bestehenden IT-Vereinbarungen – nun ohne den Druck unmittelbarer gesetzlicher Deadlines.

Schulungen lassen sich intensiver planen. Die Verzögerung gibt Betriebsratsmitgliedern mehr Spielraum, die technische Kompetenz aufzubauen, die zur Bewertung von KI-Systemen nötig ist – ein Recht, das § 80 Abs. 3 BetrVG garantiert.

Experten raten allerdings, die Vorbereitungen nicht einzustellen, sondern den Fokus von “Compliance-Hektik” auf “strategische Gestaltung” algorithmischer Managementsysteme zu verlagern.

Befristete Verträge: BAG verschärft Diskriminierungsverbot

Ein weiteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az: 6 AZR 131/25) sorgt diese Woche für Diskussionen: Die Richter haben die Rechte befristet Beschäftigter deutlich gestärkt. Die Kernbotschaft: Tarifvertragsparteien haben keine “vorrangige Korrekturkompetenz”, wenn ein Tarifvertrag gegen EU-Diskriminierungsrecht verstößt.

Konkret bedeutet das: Behandelt ein Tarifvertrag befristet Beschäftigte schlechter als unbefristet Angestellte – ohne sachliche Rechtfertigung –, ist die Regelung sofort unwirksam. Einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 TzBfG können betroffene Arbeitnehmer unmittelbar geltend machen.

Betriebsräte sollten jetzt handeln: Bestehende Haustarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gehören auf den Prüfstand. Wird eine Ungleichbehandlung erkannt, können Betroffene sofort Gleichstellung fordern – ohne dass erst die Gewerkschaft nachverhandeln muss.

Probezeiten unter Beobachtung

Ergänzend beschäftigte das BAG (Az: 2 AZR 160/24) die Frage nach der Angemessenheit von Probezeiten bei befristeten Verträgen. Das Gericht verwarf starre mathematische Formeln – etwa eine pauschale 25-Prozent-Grenze – und fordert stattdessen eine Einzelfallabwägung.

Was bedeutet das in der Praxis? Schlägt ein Arbeitgeber eine sechsmonatige Probezeit für einen Zwölfmonatsvertrag vor, kann der Betriebsrat bei der Zustimmung nach § 99 BetrVG kritisch nachhaken. Höhlt die Probezeit den Kündigungsschutz faktisch aus, könnte die Zustimmung verweigert werden.

Strategie für Betriebsräte

Die Gemengelage am Jahresende 2025 ist komplex: Während das LAG Köln den Betriebsräten bei Arbeitszeitdefinitionen Grenzen setzt, eröffnet das BAG neue Spielräume bei der Kontrolle ungleicher Behandlung von befristet und unbefristet Beschäftigten.

Was ansteht: Im Dezember wird mit einer offiziellen Bestätigung der EU-Kommission zur Länge der KI-Gesetz-Verschiebung gerechnet. Im ersten Quartal 2026 dürfte eine Berufung im “Shuttle-Zeit-Fall” eingehen – denn die Grenze zwischen “Anfahrt” und “Arbeit” bleibt gerade in Zeiten von Remote Work und komplexen Betriebsgeländen ein Streitthema.

Betriebsräte sollten diese Themen in ihrer nächsten Sitzung aufgreifen: Gibt es laufende Streitigkeiten über Arbeitsorte? Entsprechen die Vorlagen für befristete Verträge den neuen BAG-Standards? Die Rechtsprechung verlangt Aufmerksamkeit – und schnelles Handeln.

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