Deutschland, KI-Pilotprojekt

115-Hotline: Deutschland startet KI-Pilotprojekt

28.11.2025 - 20:49:12

Deutschland wagt den Sprung ins digitale Bürgeramt: Seit dieser Woche beantwortet künstliche Intelligenz Verwaltungsfragen – rund um die Uhr.

Acht Kommunen, darunter Berlin, testen ab Mittwoch einen KI-Chatbot für die bundesweite Behördenrufnummer 115. Das System soll künftig Anfragen zu Fahrzeugzulassung, Elterngeld oder Gewerbeanmeldung beantworten, bevor überhaupt ein menschlicher Mitarbeiter zum Hörer greift. Doch während Bürger die neue Technik ausprobieren, tobt im Bundestag ein Streit über die Finanzierung der digitalen Infrastruktur.

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Einerseits präsentiert sich Deutschland als innovativer Vorreiter bei digitalen Verwaltungsdiensten. Andererseits warnt die Digitalwirtschaft vor einem Stillstand, weil die Bundesregierung ausgerechnet Rechenzentren von Energiepreis-Entlastungen ausschließen will.

Das Pilotprojekt der 115-Hotline nutzt bewusst ein europäisches Open-Source-Modell. Die künstliche Intelligenz wurde speziell mit Verwaltungsdaten trainiert – Datenschutz und Unabhängigkeit von amerikanischen Tech-Konzernen stehen im Mittelpunkt. “Wir prüfen zunächst, ob die KI auch komplexe Anfragen zuverlässig verarbeiten kann”, erklärt ein Sprecher der Fitko, der IT-Koordinierungsstelle des Bundes.

Bei erfolgreicher Testphase soll die Technologie allen 115-Kommunen zur Verfügung stehen. Das würde einen Paradigmenwechsel bedeuten: Weg von starren Online-Formularen, hin zu dialogorientierten Verwaltungsdiensten. Bereits Anfang November hatte Berlin beim “City Challenge 2025”-Wettbewerb Start-ups ausgezeichnet, die ähnliche Ansätze für Hallenbuchungen und Vergabeverfahren entwickelt haben.

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Bitkom: “Ohne Strom keine Digitalisierung”

Während Berliner Bürger den Chatbot testen, hagelt es im Bundestag Kritik am Digitalhaushalt 2026. Der Digitalverband Bitkom wirft der Regierung unter Kanzler Friedrich Merz vor, die eigene Digitalisierungsstrategie zu konterkarieren. Der Grund: Rechenzentren und Telekommunikationsnetze werden von geplanten Strompreis-Erleichterungen ausgenommen.

“Wer Deutschland digital voranbringen will, muss die digitale Infrastruktur stärken”, mahnte Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst am Mittwoch. Etwa 50 Prozent der Betriebskosten von Rechenzentren entfallen auf Energie. Ohne Entlastung drohe Deutschland als Technologie-Standort international abgehängt zu werden – eine bittere Ironie für eine Regierung, die “digitale Souveränität” zur Chefsache erklärt hat.

Das Fachportal t3n kommentierte spitz: “Große Worte, kleiner Etat”. Trotz Gründung des Bundesministeriums für Digitales im Mai 2025 fehlen offenbar die finanziellen Mittel für ambitionierte Vorhaben wie die Deutschland-ID oder die zweite Generation des Online-Zugangsgesetzes.

Europäische Allianz nimmt Fahrt auf

Immerhin außenpolitisch kann die Bundesregierung punkten. Am 18. November unterzeichneten alle 27 EU-Staaten in Berlin die “Erklärung zur europäischen digitalen Souveränität”. Digitalminister Dr. Karsten Wildberger hatte zum Gipfel geladen – das Echo folgte prompt.

Bereits diese Woche verabschiedete der österreichische Parlamentsausschuss einstimmig eine Resolution zur Stärkung der digitalen Unabhängigkeit. “Wir sichern Österreichs Handlungsspielraum im digitalen Zeitalter”, betonte Staatssekretär Alexander Pröll unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Berliner Erklärung. Der deutschsprachige Raum formiert sich offenbar zur Abwehr amerikanischer und chinesischer Tech-Dominanz.

“Digitalcheck” wird Pflichtprogramm

Parallel arbeitet die Regierung daran, dass neue Gesetze überhaupt digital umsetzbar sind. Am Montag trafen sich Bund und Länder zum zweiten Mal zum “Digitalcheck” – einem Prüfverfahren, das Gesetzentwürfe auf digitale Machbarkeit abklopft, bevor sie beschlossen werden.

Ziel: Verhindern, dass Behörden analoge Prozesse nur digitalisierten, anstatt sie grundlegend zu vereinfachen. Das BMDS arbeitet dafür an einem automatisierten Prototyp namens “Digital Touchpoint”, der EU-Interoperabilitätsstandards berücksichtigt. “Gesetze müssen praxistauglich und digital sein”, heißt es aus dem Ministerium.

Dezember wird zur Schicksalsabstimmung

Die kommenden Wochen entscheiden, ob Deutschlands Digitalisierung mehr wird als Leuchtturmprojekte in Einzelkommunen. Der 115-Chatbot zeigt: Technisch ist Deutschland durchaus in der Lage, bürgernahe Services zu entwickeln. Doch ohne Rechenzentren, die souveräne KI-Modelle hosten können, bleibt es bei Insellösungen.

Branchenbeobachter erwarten, dass die finale Haushaltsabstimmung im Dezember zum Lackmustest wird. Kommt die Bundesregierung der Digitalwirtschaft bei den Energiekosten entgegen, könnte das private Investitionen in die nötige Infrastruktur anschieben. Bleibt sie hart, droht das neue Digitalministerium zum zahnlosen Tiger zu werden – mit großen Ambitionen, aber leeren Kassen.

Chronologie der Ereignisse (November 2025)

  • 18. November: Berlin-Gipfel zur digitalen Souveränität; alle 27 EU-Staaten unterzeichnen Erklärung
  • 24. November: Zweites Bund-Länder-Treffen zum “Digitalcheck” für Gesetzesprüfung
  • 26. November: Start des KI-Chatbot-Pilotprojekts für die 115-Hotline in acht Kommunen
  • 26. November: Bundestagsdebatte zum Haushalt 2026; Bitkom kritisiert Ausschluss von Rechenzentren bei Energieentlastung
  • 26. November: Österreichisches Parlament beschließt Resolution zur digitalen Souveränität
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PS: Behörden und Entwickler sollten jetzt handeln – die EU-KI-Verordnung ist bereits in Kraft und Übergangsfristen laufen. Wer Chatbots oder andere KI-Systeme einsetzt, muss Kennzeichnung, Risikobewertung und Dokumentation nachweisen. Der kostenlose Leitfaden fasst die Pflichten kompakt zusammen, nennt Fristen und zeigt praktische Umsetzungsschritte für öffentliche Projekte. Jetzt kostenlosen KI-Leitfaden sichern

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