Israels Streitkräfte dringen tief in die Stadt Gaza vor, zerstören Tunnel und töten Hamas-Kommandeure.
07.11.2023 - 07:44:39Netanjahu: Israel wird in Gaza Kontrolle behalten. Ministerpräsident Netanjahu lässt mit Äußerungen zur Zukunft des Gazastreifens aufhorchen. Ein Überblick.
Israel wird nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für unbestimmte Zeit die Verantwortung für die Sicherheit im Gazastreifen behalten. «Wir haben gesehen, was passiert, wenn wir sie nicht haben», sagte Netanjahu in einem Interview mit dem US-Sender ABC auf die Frage, wer nach dem Ende des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Organisation in dem Gebiet regieren sollte. «Denn wenn wir die Kontrolle über die Sicherheit nicht haben, wird der Terror der Hamas in einem Ausmaß ausbrechen, das wir uns nicht vorstellen können.»
Netanjahu äußerte sich vor einem Treffen der G7-Außenministerinnen und Außenminister in der japanischen Hauptstadt Tokio. Thema ist dort auch die Zukunft des Gazastreifens nach Kriegsende. Außenministerin Annalena Baerbock sagte vor dem Abflug, in Tokio werde es «daher auch darum gehen, über den Tag hinaus zu denken, etwa praktische Schritte zu erörtern hin zu einer Zweistaatenlösung».
Israel meldet militärische Erfolge im Gazastreifen
Einen Monat nach dem von der islamistischen Hamas in Israel verübten Massaker sind israelische Streitkräfte tief in den Gazastreifen vorgedrungen. Bodentruppen seien bereits in der Stadt Gaza im Einsatz und erhöhten dort den Druck, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Montagabend. Zuvor hatten die Streitkräfte nach eigenen Angaben den Gazastreifen bereits in zwei Hälften geteilt und die Stadt Gaza vollständig eingekreist.
In den vergangenen 24 Stunden seien mehrere Kommandeure der im Gazastreifen herrschenden Hamas getötet worden, sagte Armeesprecher Hagari. Zwei von ihnen seien Drahtzieher des Massakers in Israel am 7. Oktober gewesen. Zudem habe das Militär mehrere Eingänge unterirdischer Tunnel zerstört. Viele davon befänden sich in der Nähe von Schulen, Krankenhäusern und humanitären Einrichtungen. Panzer- und Bodentruppen hätten in der Nähe einer Moschee Abschussrampen für 50 Raketen entdeckt.
Armeesprecher: Hamas-Terroristen an keinem Ort sicher
Palästinensische Augenzeugen hatten am Montag von Schäden am Dach des Schifa-Krankenhauses im Zuge von israelischen Angriffen berichtet. Auf die Frage, ob Israel auch die Klinik angreifen werde, die nach Darstellung der Armee ebenfalls als Hamas-Kommandozentrum dient, sagte der Sprecher: «Wir werden tiefer in die Stadt Gaza eindringen und an jeden Ort gelangen, an dem es Terroristen gibt.» Es gebe «keinen Ort, an dem Hamas-Terroristen vor Angriffen der Armee sicher sein werden»
Netanjahu schließt generelle Feuerpause im Gazastreifen vorerst aus
Eine längere Feuerpause im Gazastreifen schloss der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vorerst aus. «Ohne die Freilassung der Geiseln wird es keine allgemeine Feuerpause im Gazastreifen geben», sagte Netanjahu dem US-Fernsehsender ABC. «Was taktische Pausen angeht - eine Stunde hier, eine Stunde dort - können wir die Umstände prüfen, um humanitäre Güter hineinzubringen und einzelne Geiseln herauszubringen. Aber ich glaube nicht, dass es eine generelle Feuerpause geben wird.»
Eine allgemeine Waffenruhe würde nach Einschätzung von Netanjahu den Kriegszielen Israels entgegenstehen. «Das würde unsere Bemühungen behindern, unsere Geiseln zu befreien, denn das Einzige, was diese Kriminellen der Hamas verstehen, ist der militärische Druck, den wir ausüben», sagte er im ABC-Interview.
Im Durchschnitt erreichen 33 Lkw mit Hilfsgütern täglich Gaza
Im Gazastreifen kommen für die notleidende Bevölkerung im Durchschnitt 33 Lastwagen mit Hilfsgütern täglich an, wie der Palästinensische Rote Halbmond mitteilte. Insgesamt seien seit Wiederöffnung des ägyptischen Grenzübergangs Rafah am 21. Oktober Hilfsgüter von 569 Lkw angekommen, darunter 93 Lkw am Montagabend. Nach UN-Angaben sind täglich 100 Lkw-Ladungen notwendig, um die mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Weitere Ausländer sollen Gazastreifen verlassen
Heute sollen erneut Hunderte Ausländer sowie Palästinenser mit zweitem Pass den Gazastreifen verlassen und nach Ägypten ausreisen. Unter den etwa 600 Ausreisenden sind etwa 150 Deutsche, wie aus einer Liste der palästinensischen Grenzbehörde hervorgeht. Die weiteren Ausreisenden kommen der Liste zufolge unter anderem aus Frankreich, Kanada, der Ukraine, Rumänien und den Philippinen. Am Montag hätten insgesamt mehr als 300 Ausländer den Gazastreifen verlassen, darunter 100 Ägypter, hieß es aus ägyptischen Sicherheitskreisen.
Emirate wollen Lazarett im Gazastreifen aufbauen
Angesichts der dramatischen Lage im Gazastreifen wollen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) dort ein Feldkrankenhaus errichten. Auf Anweisung des emiratischen Präsidenten Mohammed bin Sajid solle das Krankenhaus der palästinensischen Bevölkerung in dem Küstengebiet notwendige medizinische Hilfe bereitstellen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur WAM. Fünf Flugzeuge seien bereits von Abu Dhabi aus mit der notwendigen Ausrüstung für das Krankenhaus abgeflogen. Die Fracht sollte im ägyptischen Ort Al-Arisch ausgeladen und dann in den Gazastreifen gebracht werden. Das Feldkrankenhaus solle mit 150 Betten ausgestattet sein und verschiedene medizinische Fachrichtungen abdecken.
UN-Chef spricht von «Krise der Menschheit» im Gazastreifen
UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Situation im Gazastreifen als «Krise der Menschheit». Er forderte erneut eine sofortige Freilassung der nach Gaza verschleppten Geiseln und einen humanitären Waffenstillstand. «Gaza wird zu einem Friedhof für Kinder», sagte Guterres in New York.
Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan kritisierte die Äußerungen scharf. «Es sind mehr als 30 Tage vergangen, seit die Kinder im Süden Israels absichtlich von Hamas-Terroristen abgeschlachtet wurden, aber Sie haben nichts über einen «Friedhof für Kinder» gesagt, in den der Süden Israels verwandelt wurde», schrieb er auf der Plattform X. Guterres habe seinen «moralischen Kompass verloren» und müsse zurücktreten.
Jordanien zieht «rote Linie» im Krieg
Jordanien zog unterdessen eine «rote Linie». Versuche, Palästinenser aus dem Gazastreifen oder dem Westjordanland zu vertreiben, werde das Königreich als «Kriegserklärung» betrachten, sagte der jordanische Ministerpräsident Bisher al-Khasawneh laut der staatlichen Nachrichtenagentur Petra am Montag. Die «brutalen Angriffe auf Krankenwagen und humanitäre Hilfskräfte» im Gazastreifen widersprächen «dem Prinzip der Selbstverteidigung». Laut Al-Khasawneh seien alle Optionen auf dem Tisch.
Was heute wichtig wird
Angesichts der Not der Zivilbevölkerung im Gazastreifen will sich Außenministerin Annalena Baerbock beim G7-Treffen in Japan an diesem Dienstag für Feuerpausen stark machen. «Wir werden darüber sprechen, wie wir jetzt mit vereinten Kräften humanitäre Pausen erreichen können, um die Not der Menschen in Gaza zu lindern», kündigte die Grünen-Politikerin vor dem Arbeitsessen der G7-Außenminister in Tokio an. Die islamistische Hamas dürfe nicht weiter das Schicksal der Menschen im Gazastreifen bestimmen, verlangte Baerbock. In Tokio werde es «daher auch darum gehen, über den Tag hinaus zu denken, etwa praktische Schritte zu erörtern hin zu einer Zweistaatenlösung».
Entwicklungsministerin Svenja Schulze trifft in Jordanien den Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Bei dem Gespräch in der Hauptstadt Amman dürfte es wohl vor allem um die ausgesetzten Zahlungen Deutschlands an die Organisation gehen. Die Bundesregierung hatte ihre Hilfszahlungen für die Palästinensergebiete und für palästinensische Flüchtlinge in den Nachbarländern nach dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober auf Israel vorübergehend gestoppt und eine eingehende Überprüfung aller Projekte angekündigt.