Israel hat angekündigt, die Bodeneinsätze auszuweiten.
28.10.2023 - 11:09:07Israel: Drahtzieher der Hamas-Terrorattacke getötet. Ob damit auch die Bodenoffensive begonnen hat, ist jedoch unklar. Derweil spitzt sich die humanitäre Lage im Gazastreifen weiter zu. Die News.
Drei Wochen nach dem verheerenden Massaker islamistischer Terroristen deuten neue Gegenattacken der israelischen Armee auf eine Intensivierung des Gaza-Kriegs hin. Nach etlichen Luftangriffen in der Nacht mehrten sich Vermutungen, dass die erwartete Bodenoffensive begonnen haben könnte.
Israels Armee bestätigte dies zunächst nicht - hatte zuvor aber angekündigt, ihre Bodeneinsätze gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas auszuweiten. Im Gazastreifen hat sich die Lage mit dem Zusammenbruch des Kommunikationsnetzes nochmals verschärft.
Hamas spricht von israelischen Bodeneinsätzen
Der militärische Arm der Islamistenorganisation behauptete, es habe Bodeneinsätze der israelischen Armee und gewalttätige Zusammenstöße in Beit Hanun im Norden des Gazastreifens sowie östlich des Flüchtlingslagers Al-Bureidsch gegeben. Beide Orte liegen in Grenznähe. Unabhängig waren die Angaben der Al-Kassam-Brigaden vom späten Freitagabend nicht zu überprüfen.
Die Truppen befinden sich nach Militärangaben weiter vor Ort. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, Israel schreite «in den Kriegsphasen voran». In der Nacht «sind israelische Truppen in den Norden des Gazastreifens vorgedrungen und haben den Bodeneinsatz ausgeweitet», sagte er. Beteiligt seien Infanterie, Panzertruppen, Ingenieurkorps und Artillerie. Die Bodentruppen seien immer noch vor Ort. Unter den israelischen Soldaten gebe es keine Opfer.
Israels Armee hatte zuvor angekündigt, ihre Bodeneinsätze dem dicht besiedelten Küstengebiet auszuweiten. Unklar war zunächst, ob die Ankündigung den Beginn der erwarteten Bodenoffensive darstellte. Die Armee hatte zuvor vereinzelte, zeitlich eng begrenzte Vorstöße am Boden gemacht. Jordaniens Außenministers Aiman Safadi äußerte sich überzeugt: «Israel hat gerade einen Bodenkrieg gegen Gaza gestartet», schrieb er bei X. «Das Ergebnis wird eine humanitäre Katastrophe von epischem Ausmaß über Jahre sein.»
Israels Militär: Hamas-Verantwortlicher für Drohnen «ausgeschaltet»
Israel hat nach eigenen Angaben den Verantwortlichen der Islamistenorganisation Hamas für Luftverteidigung und Co-Planer der Terrorattacke vom 7. Oktober getötet. Auf Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen habe ein Kampfjet Asem Abu Rakaba «ausgeschaltet», teilte das Militär auf Telegram mit. Demnach kümmerte sich Abu Rakaba für die Hamas um Drohnen, Gleitschirme sowie Luftaufklärung- und -verteidigung. Die israelische Armee veröffentlichte dazu ein Video, das die Explosion eines Gebäudes aus der Luft zeigte.
Israels Militär tötet mehrere Hamas-Kämpfer
Israels Armee hat nach eigenen Angaben im Gazastreifen zudem mehrere Kämpfer der Hamas getötet. Israelische Kampfflugzeuge hätten zudem in der Nacht 150 Ziele angegriffen, teilte das israelische Militär in den sozialen Medien weiter mit. Darunter seien Tunnel sowie unterirdische Räume und Infrastruktur gewesen. Ein dazu verbreitetes Video zeigte Aufnahmen von zahlreichen Einschlägen.
Armeesprecher: Israel wird weitere Gaza-Hilfslieferungen ermöglichen
Die israelische Armee kündigt eine Verstärkung der humanitären Hilfslieferungen für die palästinensische Bevölkerung an. «Für die Einwohner des Gazastreifens, die in das Gebiet südlich von Wadi Gaza gegangen sind, weiten wir die humanitäre Hilfe aus», sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Samstag. Man werde im Verlauf des Tages die Einfuhr von Lastwagen mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten in den Süden des Küstenstreifens ermöglichen. «Wer sich in diesem Gebiet aufhält, wird diese erhalten», sagte Hagari.
Die israelische Armee hatte die Menschen im Norden des Gazastreifens immer wieder aufgefordert, zu ihrer eigenen Sicherheit in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu fliehen. Dies haben nach Militärangaben bereits mindestens rund 700.000 Menschen getan. Die Vereinten Nationen sprechen sogar von 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen.
Sorge um Hamas-Geiseln nach Ausweitung der Bodeneinsätze
Nach Ausweitung der israelischen Bodeneinsätze im Gazastreifen haben rund 600 Menschen in Tel Aviv an einem Solidaritätslauf für die dort festgehaltenen Geiseln teilgenommen. Sie trugen Startnummern mit Namen und Bildern der Geiseln, wie der israelische Sender Kan berichtete.
Die israelische Nachrichtenseite ynet berichtete, Angehörige der Geiseln hätten nach Ausweitung der Bodeneinsätze ein dringendes Treffen mit dem sogenannten Kriegskabinett gefordert. «Diese Nacht war die bisher schlimmste von allen, und wir haben sie in großer Angst verbracht», zitierte ynet aus einer Stellungnahme der Angehörigen. Es herrsche große Ungewissheit hinsichtlich des Schicksals der Geiseln in Gaza, «die dort festgehalten werden und auch den schweren Bombardements ausgesetzt sind».
Weiter Raketenangriffe aus Gaza auf israelische Grenzorte
Unterdessen wurden israelische Grenzorte weiter vom palästinensischen Gazastreifen aus beschossen. In den Ortschaften im Grenzgebiet zu dem Küstenstreifen heulten mehrmals Warnsirenen, wie die israelische Armee mitteilte. Auch im Großraum Tel Aviv gab es erneut Raketenalarm, ebenso in der Küstenstadt Aschkelon. In der Wüstenstadt Beerscheva wurde nach Polizeiangaben ein Gebäude durch eine Rakete getroffen.
Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der im Gazastreifen herrschenden Islamistenorganisation Hamas, bekannten sich zu einem Angriff auf den Ort Zikim.
Keine Kommunikation im Gazastreifen - Sorge um Berichterstattung
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist schon jetzt katastrophal - und könnte sich im Falle einer Bodenoffensive mit blutigen Straßenkämpfen zwischen Wohnhäusern, noch mehr Luftangriffen und möglicherweise auch Artilleriebeschuss nochmals verschärfen. Die Palästinensische Telekommunikationsgesellschaft erklärte zudem, dass nun auch alle Kommunikationsdienste und das Internet flächendeckend ausgefallen seien. Schuld sei die heftige Bombardierung durch die israelische Armee, teilte das im Westjordanland ansässige Unternehmen Paltel mit.
Mehrere Hilfsorganisationen berichteten, den Kontakt zu ihren Mitarbeitern verloren zu haben. Der Palästinensische Rote Halbmond verlor den Draht zu allen Einsatzzentralen und Teams im Gazastreifen. Zu befürchten sei, dass die Einsatzkräfte keine medizinischen Notfalldienste mehr leisten könnten. Auch die Notrufzentrale sei von dem Ausfall betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach eigenen Angaben ebenfalls keinen Kontakt mehr zu ihren Mitarbeitern und Einrichtungen.
Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef, das UN-Entwicklungsprogramm UNDP und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) haben nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zu ihren Kollegen in Gaza.
Die Lage im Kampfgebiet ist auch für Journalisten höchst gefährlich, die unter Einsatz ihres Lebens von dort berichten. Das in den USA ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) sprach von mehr als 29 getöteten Medienschaffenden seit der Terrorattacke der Hamas vor drei Wochen. Zudem warnte die Organisation, dass ein Ausfall des Kommunikationsnetzes auch verhindern könnte, dass weitere Nachrichten von dort verbreitet werden.
Solidarität mit Palästinensern und Proteste für Feuerpause
In Jordanien protestierten Tausende Menschen aus Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen. In der Hauptstadt Amman zogen die Mengen nach dem Freitagsgebet durch das Stadtzentrum, wie der Fernsehsender Al-Ghad berichtete.
Am Abend versammelten sich nach Ankündigung der ausgeweiteten Bodeneinsätze durch Israel auch Demonstranten vor der israelischen Botschaft. Die Polizei setzte Tränengas ein, um sie auseinanderzutreiben, wie auf Videos in sozialen Medien zu sehen war. Auch in anderen arabischen Ländern gab es wieder Solidaritätsbekundungen für die Palästinenser.
Im Westjordanland protestierten gestern Abend ebenfalls zahlreiche Palästinenser, wie israelische Medien berichteten. Auch in Ramallah, Hebron und vielen anderen Orten im Westjordanland gingen demnach Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit den zu großen Teilen Bewohnern des Gazastreifens zu zeigen. An der Grand Central Station in New York demonstrierten Hunderte Menschen für eine Feuerpause.