Israel: Hamas-Struktur im Norden demontiert
07.01.2024 - 05:08:35Israel: Hamas-Struktur im Norden demontiert. Die Hamas-Strukturen im Gazastreifen bröckeln weiter. Außerdem will Israel neue Informationen über einen lange untergetauchten Drahtzieher der Attacke vom 7. Oktober erlangt haben. Der Überblick.
Israel hat mit seiner Offensive im Gazastreifen nach eigenen Angaben die militärische Struktur der islamistischen Terrororganisation Hamas im Norden des Küstengebiets demontiert. Bei den Einsätzen gelangte das Militär außerdem in den Besitz wichtiger geheimdienstrelevanter Informationen.
Unterdessen arbeiten westliche Chefdiplomaten mit Ländern in der Region weiter an einer Deeskalation des Konflikts. Ein Deal über die noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln könnte aus Sicht des vermittelnden Golfemirats Katar nach der Tötung eines wichtigen Hamas-Anführer im Libanon schwieriger werden, wie es in einem Bericht heißt.
In der Nacht griff die israelische Luftwaffe unterdessen die Stadt Dschenin im Westjordanland an. Ersten Berichten vom Morgen zufolge gab es dabei mehrere Todesopfer.
Sieben Tote bei israelischem Luftangriff im Westjordanland
Bei einem israelischen Luftangriff im Westjordanland sind sieben Menschen ums Leben gekommen. Die getöteten Palästinenser seien zwischen 18 und 29 Jahre alt, teilte die palästinensische Gesundheitsbehörde in Ramallah am Sonntag mit. Der Luftangriff in der Stadt Dschenin traf nach palästinensischer Darstellung eine Bürgerversammlung. Zuvor war von sechs Toten die Rede gewesen, ein Schwerverletzter starb nun jedoch.
Israelischen Angaben zufolge handelte es sich bei den Getöteten um Terroristen. Ein Drohnenangriff galt nach Darstellung der israelischen Armee einem Palästinenser, der bei einer Razzia in der Stadt Dschenin Sprengsätze auf Einsatzkräfte geschleudert habe. Medien hatten zuvor über Zusammenstöße zwischen Palästinensern und der israelischen Armee bei der Zusammenkunft einiger Anwohner in Dschenin berichtet.
Hamas-Struktur im Norden Gazas demontiert
In der Nacht zum Sonntag veröffentlichte Israels Armee auf X (vormals Twitter) Videos zu dem Einsatz im Norden des Gazastreifens. Sprecher Daniel Hagari sagte, die Hamas habe vor Kriegsbeginn im Norden über zwei Brigaden mit zwölf Regimentern verfügt. «Insgesamt waren es etwa 14.000 Terroristen», sagte er. Seitdem seien zahlreiche Kommandeure getötet sowie Waffen und Munition zerstört worden. Die Soldaten hätten unterirdische Tunnel gefunden und demoliert.
Allein im Flüchtlingsviertel Dschabalia wurden laut Hagari acht Kilometer unterirdischer Tunnel sowie 40 Eingänge gefunden. In dem Bereich funktioniere die Hamas nicht mehr auf organisierte Weise. «Es gibt in Dschabalia immer noch Terroristen, aber jetzt agieren sie ohne Rahmen und ohne Kommandeure.» Er erwarte aber weiter sporadische Raketenangriffe auf Israel aus diesem Bereich. Die Armee will sich nach eigenen Angaben nun darauf konzentrieren, die Hamas-Strukturen im Zentrum und Süden des Gazastreifens zu zerstören. Nach Israels Darstellung sind bisher rund 8000 Terroristen getötet worden.
Auslöser des Gaza-Kriegs war die verheerende Terrorattacke der Hamas und anderer extremistischer Palästinensergruppen am 7. Oktober. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden im Gazastreifen seither 22.600 Menschen getötet. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet und der hohen Zahl ziviler Opfer geriet Israel zuletzt international immer mehr in die Kritik.
Mögliches Foto von Hamas-Phantom
Im Zuge der Offensive scheint Israel auch neue Erkenntnisse zu einem untergetauchten Hamas-Führungsmitglied erlangt zu haben. Die Armee veröffentlichte ein Foto, das den Chef des bewaffneten Arms der Hamas, Mohammed Deif, zeigen soll. Darauf ist ein grauhaariger, bärtiger Mann zu sehen, der in der linken Hand mehrere Geldscheine und in der rechten Hand einen Plastikbecher mit einer Flüssigkeit hält. Bis Kriegsbeginn hatte Israel nur sehr alte Fotos von dem Mann, der als einer der zentralen Drahtzieher des Terrorangriffs gilt. Im Dezember tauchte ein neueres Bild von Deif auf. Jahrelang galt er als Phantom und überlebte bereits zahlreiche Tötungsversuche Israels.
Israel war lange davon ausgegangen, dass Deif mehrere Gliedmaßen verloren hatte. Im Dezember berichteten israelische Medien aber, die Armee habe ein Video gefunden, das Deif mit beiden Armen und beiden Beinen zeige. «Gemeinsam mit (dem Inlandsgeheimdienst) Schin Bet haben wir Terroraktivisten verhört», sagte Hagari. «Das Ergebnis war, dass wir Informationen über ranghohe Hamas-Anführer erlangt haben, darunter auch Dokumentation von Mohammed Deif und auch Informationen über Hamas-Anführer, die sich außerhalb des Gazastreifens aufhalten.»
Wieder gegenseitige Angriffe zwischen Israels Armee und Hisbollah
Im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon hat es wieder gegenseitige Angriffe zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah gegeben. Die Angriffe richteten sich gegen Terroristen und mehrere Ziele der vom Iran unterstützten Miliz im Nachbarland, teilte das israelische Militär mit. Zudem sei in der Nacht auf Sonntag ein «feindliches Fluggerät» aus dem Libanon über Nordisrael abgefangen worden. Die Hisbollah teilte mit, sie habe israelische Soldaten nahe der Grenze mit Raketen angegriffen.
Nach Angaben der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA wurden mehrere Grenzorte von israelischem Artilleriebeschuss getroffen. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer.
Hamas-Behörde: Weitere 113 Tote binnen 24 Stunden
Nach Darstellung der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind binnen 24 Stunden weitere 113 Menschen getötet und 250 verletzt worden. Die Zahl der seit dem brutalen Hamas-Terrorangriff in dem Küstenstreifen durch Gegenangriffe Israels getöteten Menschen stieg auf 22.835, wie die Behörde mitteilte. Zudem seien seitdem 58.416 Palästinenser verletzt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Chefdiplomaten auf Nahost-Reise
In der Hoffnung, eine Deeskalation des Konflikts voranzutreiben besuchte US-Außenminister Antony Blinken Jordaniens Hauptstadt Amman. «Jordanien ist ein entscheidender Partner, um dabei zu helfen, eine Ausweitung des Konflikts in der Region zu verhindern», schrieb Blinkens Sprecher Matthew Miller in der Nacht auf X. Blinken will noch Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien sowie Israel, das Westjordanland und Ägypten besuchen. Parallel setzte sich EU-Chefdiplomat Josep Borrell im Libanon für eine Deeskalation ein.
Baerbock vor Nahostreise: Terror und humanitäre Not müssen enden
Außenministerin Annalena Baerbock ruft drei Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs eindringlich zum Ende der Gewalt auf. «Der Terror muss ein Ende haben. Die humanitäre Not der Menschen muss ein Ende haben. Die Region muss aus dem ewigen Zyklus der Gewalt herauskommen», forderte die Grünen-Politikerin zu Beginn einer knapp einwöchigen Reise in den Nahen Osten und nach Südostasien. Israel habe das Recht und die Pflicht, sich gegen den Terror zu verteidigen, müsse aber Zivilisten bei seinem militärischen Vorgehen viel besser schützen, verlangte sie. Im Gazastreifen sei viel mehr humanitäre Hilfe gegen Hunger, Seuchen und Kälte nötig.