Die USA stützen im Gaza-Krieg Israel weiter, machen aber Druck wegen der vielen zivilen Opfer.
15.12.2023 - 05:36:03Israel schwört USA auf langen Gaza-Krieg ein. Israel soll die Hamas gezielter bekämpfen. Ein Armeesprecher erläutert eine Taktik. Der Überblick.
Israel bekommt von den USA zunehmend Druck, im Gazastreifen mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen, schwört seinen Verbündeten aber zugleich auf einen noch sehr langen Krieg ein.
US-Präsident Joe Biden sagte an die Adresse Israels: «Ich möchte, dass sie sich darauf konzentrieren, wie sie das Leben von Zivilisten retten können. Sie sollen nicht aufhören, die Hamas zu verfolgen, sondern vorsichtiger sein». Bei einem Treffen mit dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, in Tel Aviv machte Israels Verteidigungsminister Joav Galant gleichwohl klar, der Krieg werde noch «mehr als ein paar Monate» dauern - bis die islamistische Hamas komplett zerstört sei.
Netanjahu: Setzen Krieg bis zum Sieg fort
Die Terrororganisation habe eine «unter- und oberirdische Infrastruktur errichtet, die nicht einfach zu zerstören» sei, sagte Galant zu Sullivan. Im Anschluss an das Treffen kam Sullivan mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sowie den restlichen Mitgliedern des Kriegskabinetts zusammen. Netanjahu bekräftigte dabei nach Angaben seines Büros, dass Israel den Krieg gegen die Hamas «bis zum absoluten Sieg» fortsetzen werde. Nach Sullivans Gesprächen erwartet die US-Regierung nun einen Übergang der israelischen Bodenoffensive mit «hoher Intensität» zu «gezielteren» Operationen.
Dies sei ein Thema für «irgendwann in der nahen Zukunft», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington. «Ich möchte mich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen.» Man wolle der islamistischen Hamas auch nicht mitteilen, was in den den kommenden Wochen oder Monaten auf sie zukommen werde. Wie eine solche militärische Operation aussehen könnte, sagte Kirby nicht und verwies auf die israelische Regierung.
Armeesprecher: Töten Terroristen in Tunneln
Was auf die Hamas zukommt, dazu gab ein israelischer Armeesprecher schon mal einen kleinen Einblick. «Wir haben neue Kampfmethoden, die wir einsetzen werden, um Terroristen zu töten», erklärte Daniel Hagari. Die Terroristen der Hamas und insbesondere ihre Anführer versteckten sich in ihren Tunneln im Untergrund.
«Wir werden eindringen, Sprengstoff an Orten anbringen, von denen wir wissen, dass die Terroristen sie häufig aufsuchen, und auf den richtigen Moment warten, um sie unterirdisch zu töten», sagte Hagari. «Die Terroristen werden im Untergrund nicht sicher sein.
Israels Armee: Kommandozentrum in Hamas-Hochburg zerstört
Israels Armee zerstörte nach eigener Darstellung außerdem das Kommando- und Kontrollzentrum eines wichtigen Hamas-Bataillons im Gazastreifen. Soldaten töteten bei dem Einsatz in der Hamas-Hochburg Schedschaija auch Terroristen, wie das Militär mitteilte.
Die israelische Armee geht davon aus, dass die islamistische Hamas insgesamt 24 Bataillone mit jeweils rund 1000 Mitgliedern hat.
Bericht: Tests zur Flutung der Tunnel erfolgreich
Israels Armee hat zudem laut US-Medienberichten die Flutung der Tunnel getestet. Dabei sei Meerwasser in einige Tunnel gepumpt worden, um herauszufinden, ob sich die Methode zur großflächigen Zerstörung des Tunnelnetzwerks eigne. Wie die «Times of Israel» nun über die Tests berichtete, «scheinen sie erfolgreich gewesen zu sein».
Die Tunnel erstrecken sich über viele Kilometer. Darin sollen sich laut Israel etliche Terroristen verstecken und auch Geiseln aus Israel festhalten. Um israelischen Bomben aus der Luft widerstehen zu können, reichen manche Tunnel Dutzende Meter unter die Erde. Viele Tunnel sind mit Sprengfallen versehen, um israelische Soldaten zu töten.
Armee: Weitere Geisel-Leichen geborgen
Israels Militär hat nach eigenen Angaben die Leichen weiterer aus Israel in den Gazastreifen verschleppter Geiseln geborgen. Der tote Körper eines 28-Jährigen sowie zweier Soldaten seien nach Israel zurückgebracht und dort identifiziert worden, teilte die Armee mit.
Die Männer seien beim Massaker der islamistischen Hamas und anderer Gruppen aus Israel nach Gaza verschleppt worden. Bei den beiden getöteten Soldaten handelt es sich nach Angaben der Armee um zwei 19-Jährige. Die Familien der drei seien informiert worden, hieß es. Zur Todesursache machte die Armee zunächst in keinem der Fälle Angaben.
Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna schrieb auf der ehemals als Twitter bekannten Plattform X, der 28-jährige Tote sei Franzose gewesen. Die Nachricht über seinen Tod erfülle sie mit unermesslichem Kummer. Die Freilassung aller Geiseln sei oberste Priorität.
Israel: Noch 112 lebende Geiseln im Gazastreifen
Nach israelischen Schätzungen werden derzeit noch 112 aus Israel verschleppte Menschen im Gazastreifen festgehalten. Weiterhin gebe die Hamas die Leichen von 20 am 7. Oktober Entführten nicht heraus, teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit.
Unter den 112 Geiseln und 20 Toten im Gazastreifen seien zwei Kinder, 19 Frauen und zehn Menschen über 75 Jahre. 121 der Betroffenen hätten die israelische, 11 eine ausländische Staatsbürgerschaft.
USA: Hamas nutzt menschliche Schutzschilde
Die Taktik der Hamas, sich hinter Zivilisten zu verstecken, stellt aus Sicht der USA eine «unvorstellbare Belastung» für Israelis dar. Sie hätten nicht die Möglichkeit, der Hamas auf einem Schlachtfeld zu begegnen, auf dem sich Zivilisten auf der einen und Terroristen auf der anderen Seite befänden, sagte der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, in Tel Aviv. Israel habe trotz dieser schwierigen Umstände das Recht, gegen die Hamas vorzugehen.
Israel müsse dennoch alles für den Schutz von Zivilisten und gegen den Verlust von Menschenleben tun, sagte Sullivan angesichts des großen Leids der Bevölkerung im Gazastreifen und wachsender Kritik am Vorgehen der israelischen Armee dort. Israel solle außerdem dafür sorgen, dass ausreichend humanitäre Hilfe im Gazastreifen ankomme, so Sullivan.
US-Sicherheitsberater führt weitere Gespräche
US-Sicherheitsberater Sullivan plant derweil am Morgen ein Treffen mit dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog. Zudem will er laut einem US-Regierungsvertreter am selben Tag Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah treffen. Mit Blick auf das Ende des Krieges und die Zukunft des Gazastreifens sprach der US-Regierungsvertreter von einer «Reihe von Sicherheitskräften, die mit der Palästinensischen Autonomiebehörde verbunden» seien, sagte er US-Beamte. Diese könnten in den Monaten nach dem Krieg «eine Art Kern bilden». «Aber das ist etwas, was wir mit den Palästinensern und den Israelis und mit regionalen Partnern diskutieren», sagte er weiter.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Mehr als 1200 Menschen wurden dabei getötet und rund 240 Geiseln nach Gaza verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive. Nach jüngsten Angaben der Hamas wurden bisher rund 18.700 Menschen bei Angriffen im Gazastreifen getötet.
Baerbock verteidigt deutsche Außenpolitik im Gaza-Krieg
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verteidigt indes die deutsche Politik mit Blick auf den Gaza-Krieg. Verantwortung heiße aus ihrer Sicht nicht, einfach nur die eigene Haltung in die Welt hinauszuposaunen, sagte die Politikerin beim Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Berlin. «Ich muss bereit sein, mich einmal in die Situation des anderen hineinzuversetzen, auch wenn ich sie absolut nicht teile, weil ich ansonsten nie verstehen werde, woher die Gedanken kommen.»
Deswegen sei es ihr wichtig, dort hinzugehen, wo die heftigen Diskussionen geführt werden, nicht mit Israel, sondern über Israel - beispielsweise am Rande der Klimakonferenz in Dubai.
Israel: Hamas stiehlt Hilfslieferungen im Gazastreifen
Israel wirft der Hamas vor, Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu stehlen. Es sei beschämend, dass die internationalen Hilfsorganisationen dies nicht verurteilten, hieß es aus dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Freitag.
Auch Augenzeugen berichteten, Mitglieder der Hamas hätten Hilfslieferungen von Lastwagen gestohlen und in ihren Autos mitgenommen, teilweise mit Waffengewalt.
Hilfsorganisationen hatten zuvor beklagt, sie könnten wegen der anhaltenden Kämpfe die Auslieferung von Hilfsgütern an die Notleidenden kaum möglich machen. Auch Zivilisten plünderten jüngst UN-Hilfslieferungen. Sie warfen dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA vor, notleidenden Bewohnern nicht ausreichend zu helfen und Hilfsgüter zu horten.
Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lastwagen mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet, derzeit ist es nur ein Bruchteil.
Israel: Fähigkeiten der Hamas im Gazastreifen geschwächt
Israel hat eigenen Angaben zufolge die Fähigkeiten der Hamas im Gazastreifen erheblich geschwächt. «Israel gewinnt ganz klar den Krieg», sagte Regierungssprecher Eylon Levy. Die Schwächung der Hamas zeige sich in vielerlei Hinsicht. «Wir sehen das an einem dramatischen Rückgang des Raketenbeschusses auf Israel», sagte Regierungssprecher Eylon Levy. Zudem hätten sich erst gestern wieder 70 Mitglieder der Islamistenorganisation im Norden des Gazastreifens ergeben.
Angesichts der wachsenden internationalen Kritik wegen der vielen Opfer und des großen Leids im Gazastreifen, betonte Levy, die Armee versuche Schaden für Zivilisten zu vermeiden. Die Hamas bemühe sich aber, die Zahl der zivilen Opfer zu maximieren, um Sympathien zu gewinnen und so diplomatischen Druck auf Israel aufzubauen. «Wir haben diesen Krieg nicht begonnen. Wir wollten diesen Krieg nicht.»