Streaming, umweltschädlich

Streaming ist der große Freizeit-Trend unserer Zeit.

15.10.2023 - 09:07:17

Wie umweltschädlich ist Streaming?. Und die Sorge um das Klima ist das große Problem unserer Zeit. Es gibt bis heute keinen Konsens, wieviel CO2 das Streamen eigentlich verursacht.

Bei der weltgrößten Fachmesse für TV-Stoffe, der Mipcom in Cannes, überstrahlt in dieser Woche das Thema Streaming wieder alles andere. Allein in Deutschland haben laut einer ARD/ZDF Online Studie die Erwachsenen ab 14 Jahren - das sind 73,2 Millionen Menschen - voriges Jahr im Schnitt täglich eine Stunde und 16 Minuten im Netz Videos geschaut. Und mindestens über fünf Milliarden Menschen gehen heute weltweit online - Tendenz weiter steigend. Das hat auch Folgen für die Umwelt. Aber welche? Akteure wie Telekom, Netflix oder Amazon weisen jedenfalls immer wieder darauf hin, dass der Umwelteffekt im Vergleich etwa zu Fliegen oder Autofahren gering sei.

Die Studien sind bereits einige Jahre alt

Umfassendere Studien dazu sind allerdings einige Jahre alt. Und sie kommen zu deutlich abweichenden Resultaten. Auf 100 bis 175 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Stunde Streaming kommt etwa eine Studie des Hamburger Borderstep Instituts, also ähnlich wie die Emissionen eines Kleinwagens bei einem Kilometer Autofahrt. Die Untersuchung stammt aus dem Jahr 2020 und bezieht sich auf 2018.

Die unabhängige Denkfabrik «Shift Project» aus Paris hat fast zeitgleich eine eher globale Rechnung aufgemacht: Die Emissionen aus digitalen Nutzungen - also von Streaming über den Betrieb von Datenbanken bis hin zum Gebrauch von Suchmaschinen - könnten bis 2025 je nach Prognose einen Anteil zwischen fünf Prozent und mehr als neun Prozent bei der Erzeugung der globalen Treibhausgase ausmachen.

Standard-Untersuchung von Netflix finanziert

Als eine Art Standard gilt inzwischen eine Untersuchung der englischen Organisation Carbon Trust, die unter anderem von Netflix finanziert wurde. Sie kam vor gut zwei Jahren zu dem vergleichsweise weniger alarmierenden Ergebnis, dass eine Stunde Streaming in Europa ungefähr nur 55 Gramm CO2 verursacht. Wenn es denn stimmt.

«Schon die Auswahl der Daten ist sehr komplex», kommentiert Birgit Heidsiek das «White Paper» von Carbon Trust. «Parameter wie die in Rechenzentren eingesetzten Kältemittel sind in dieser Berechnung nicht berücksichtigt worden. Zum Energiebedarf für die Kühlung, der in Rechenzentren zwischen 35 bis 50 Prozent liegt, kämen noch klimaschädliche Kältemittel hinzu, die durch Wartung oder Leckagen aus den Klimaanlagen austreten, so die Expertin und Initiatorin des Projektes Green Film Shooting.

Mehr als 50.000 Rechenzentren in Deutschland

Nach Angaben der Bundesregierung verbrauchten die mehr als 50.000 Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2020 rund 16 Milliarden Kilowattstunden, was rund drei Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland entspricht.

«Die einzelnen Untersuchungen sind zwar gut und relativ vollständig, aber eine Übersicht zu verschiedenen Anwendungsfällen fehlt», kritisiert auch der Wissenschaftler Christian Herglotz vom Department Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik an der Friedrich-Alexander Universität in Erlangen, «es ist beispielsweise etwas völlig anderes, wenn ich ein Video bei Netflix streame oder ich ein Video aufnehme und es in sozialen Netzwerken hochlade und dann teile. Bei ersterem wird der Großteil der Energie bei den Endgeräten verbraucht, bei letzterem in den Datencentern. Insbesondere der Bereich der sozialen Netze wurde noch gar nicht ernsthaft untersucht.»

Energieeffiziente Endgeräte wichtig

Wer umweltfreundlich streamen möchte, sollte in jedem Fall energieeffiziente Endgeräte nutzen. Je kleiner der Bildschirm, desto geringer der Energieverbrauch. Auch der Ausspielweg hat eine große Auswirkung wie Heidsiek betont: «Beim Videostreaming über Glasfaser werden pro Stunde zwei Gramm CO2 verursacht, wenn dies über Kupferkabel, also VDSL, erfolgt, verdoppelt sich der CO2-Ausstoß auf vier Gramm.» Wird mobil über UMTS geschaut, dann schlägt die Datenübertragung mit 90 Gramm CO2 in der Stunde zu Buche.

@ dpa.de