Wenige Stunden vor Beginn einer internationalen Hilfskonferenz fĂŒr den Libanon in Paris sind die sĂŒdlichen Vororte der Hauptstadt Beirut erneut von schweren israelischen Luftangriffen erschĂŒttert worden.
24.10.2024 - 06:35:05Krieg in Nahost tobt weiter - Hilfskonferenz fĂŒr Libanon
Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurde dabei mindestens ein Mensch getötet; fĂŒnf weitere wurden verletzt, darunter ein Kind. Die Hisbollah-Miliz wiederum beschoss erneut Israel. Etwa 135 Geschosse seien im Verlauf des Tages auf den Norden Israels abgefeuert worden, teilte die Armee am Abend mit. Auch in Tel Aviv gab es wieder Luftalarm. Vier Geschosse seien registriert worden. Einige seien abgefangen, andere in offenem GelĂ€nde eingeschlagen. In der KĂŒstenstadt Naharija gab es laut Rettungsdienst einen Verletzten durch RaketentrĂŒmmer.
Libanon-Hilfskonferenz in Paris
Bei einer Hilfskonferenz fĂŒr den Libanon soll es heute in Paris um UnterstĂŒtzung fĂŒr die notleidende Bevölkerung sowie den Aufbau eines funktionierenden Staatswesens gehen. Deutschland stellt dem vom Krieg und einer schweren Wirtschaftskrise erschĂŒtterten Land weitere 60 Millionen Euro an humanitĂ€rer Hilfe zur VerfĂŒgung. Das kĂŒndigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Telefonat mit dem geschĂ€ftsfĂŒhrenden libanesischen MinisterprĂ€sidenten Nadschib Mikati an, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. An der Konferenz in Paris will AuĂenministerin Annalena Baerbock teilnehmen.
Sie hatte am Mittwoch Beirut besucht und dort vor weitreichenden Konsequenzen des Krieges zwischen Israel und der vom Iran unterstĂŒtzten Hisbollah-Miliz fĂŒr den Nahen Osten gewarnt. Baerbock forderte eine neue diplomatische Offensive. Entscheidend sei, dass jetzt ein Einstieg in einen politischen Prozess gefunden werde, hieĂ es nach dem Telefonat von Scholz und Mikati. Ziele sollten die Sicherheit der Menschen in Israel sein sowie die SouverĂ€nitĂ€t des Libanon. Israel fordert, dass sich die Hisbollah gemÀà der UN-Resolution 1701 von der Landesgrenze etwa 30 Kilometer hinter den Litani-Fluss zurĂŒckzieht. Israel will, dass seine aus dem Norden des Landes geflohenen Bewohner sicher zurĂŒckkehren können.
US-AuĂenminister setzt Nahost-GesprĂ€che fort
Der SchlĂŒssel zum Frieden liege in der vollen Umsetzung der UN-Resolution, sagte Baerbock in Beirut. Dabei komme auch Libanons StreitkrĂ€ften eine wichtige Rolle zu. Bei der Libanon-Konferenz heute in Paris wolle sie "ausloten, wie wir auf diesem schwierigen Weg vorankommen können und zugleich dazu beitragen, das humanitĂ€re Leid zu lindern". An der Konferenz sollen auf Ministerebene Partnerstaaten des Libanon, die UN, die EuropĂ€ische Union sowie internationale, regionale und zivilgesellschaftliche Organisationen teilnehmen.
Unterdessen setzt US-AuĂenminister Antony Blinken seine BemĂŒhungen um eine Deeskalation im Nahen Osten mit GesprĂ€chen in Katar fort. Zuvor hatte er Berichte ĂŒber eine mögliche dauerhafte Besetzung des nördlichen Gazastreifens durch Israel zurĂŒckgewiesen. Die israelische Regierung verfolge keine derartigen PlĂ€ne, sagte er in Tel Aviv. Israelische Menschenrechtsgruppen hatten vergangene Woche gewarnt, es gebe Anzeichen dafĂŒr, dass das MilitĂ€r im Stillen beginne, den sogenannten "Plan der GenerĂ€le" oder Eiland-Plan umzusetzen, der die Zwangsumsiedlung der Zivilbevölkerung durch eine VerschĂ€rfung der Belagerung des nördlichen Gazastreifens und die Aushungerung der Bevölkerung vorsehe.
Guterres spricht von israelischer Belagerung im Norden Gazas
UN-GeneralsekretĂ€r AntĂłnio Guterres beklagte am Abend auf der Plattform X, den Menschen, "die unter der andauernden israelischen Belagerung im nördlichen Gazastreifen leiden", gingen rapide die Mittel zum Ăberleben aus. "Die Zivilbevölkerung muss geschĂŒtzt werden und muss humanitĂ€re Hilfe erhalten können. Das gebietet das humanitĂ€re Völkerrecht", schrieb Guterres. Im Falle von Menschenrechtsverletzungen im nördlichen Gaza legte ein ranghoher ehemaliger israelischer Sicherheitsberater den dort eingesetzten Soldaten Befehlsverweigerung nahe. Eran Etzion warnte in einem BBC-Interview, das israelische MilitĂ€r begehe im nördlichen Gazastreifen möglicherweise Kriegsverbrechen.
Derweil kam es zwischen der israelischen Armee und dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira erneut zu einem Schlagabtausch ĂŒber die Berichterstattung ĂŒber den Gaza-Krieg. Die Armee teilte mit, sie habe in dem KĂŒstenstreifen Unterlagen gefunden, denen zufolge sechs Journalisten des Senders zugleich Mitglieder der Hamas oder des Islamischen Dschihad seien. Al-Dschasira wies die Anschuldigungen zurĂŒck. Es seien "fabrizierte Anschuldigungen" und ein Versuch, die in Gaza verbliebenen Journalisten zum Schweigen zu bringen. Israel wolle das Kriegsgeschehen vor der Weltöffentlichkeit verbergen, hieĂ es.
Erneut Angriffe im Libanon
Unterdessen verschlimmerte sich auch im Libanon die humanitĂ€re Lage nach EinschĂ€tzung der Vereinten Nationen durch die jĂŒngsten Angriffe Israels dramatisch. Im SĂŒden des Landes zerstörte Israels Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Wohngebiete in Vororten von Beirut liegen Augenzeugen zufolge in Schutt und Asche. In den Vororten griffen Kampfflugzeuge in den Abendstunden erneut mindestens zehnmal an, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort schilderte. Der libanesischen Nachrichtenagentur NNA zufolge wurde in der Umgebung von Lailaki eine Wohnhausanlage zerstört. Auch das Gebiet Al-Dschanah nahe dem internationalen Flughafen sei getroffen.
Nach Angaben des Hisbollah-nahen Fernsehsenders Al-Majadin wurden zudem ein BĂŒro des Senders sĂŒdlich von Beirut angegriffen. Das berichtete Al-Majadin auf seiner Website und in sozialen Medien und zeigte Aufnahmen eines zerstörten Stockwerks in einem WohngebĂ€ude. Die Angaben konnten zunĂ€chst nicht unabhĂ€ngig geprĂŒft werden. Berichte ĂŒber Opfer gab es nicht. Zugleich dringt die israelische Armee nach Darstellung der Hisbollah weiter im sĂŒdlichen Libanon ein. Israels Bodentruppen hĂ€tten versucht, in der NĂ€he des Orts Aitarun in libanesisches Gebiet vorzurĂŒcken, teilte die Miliz mit. Deren KĂ€mpfer hĂ€tten die Soldaten mit Maschinengewehren und Raketen zum RĂŒckzug jenseits der Grenze gezwungen, hieĂ es.
Menschenrechtler verurteilen Angriffe auf Hisbollah-Bank
Israels Armee bombardierte im Libanon nach eigenen Angaben auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard al-Hassan, eine Art Bank der Hisbollah. Bei den Angriffen handelt es sich der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge um Kriegsverbrechen. "Dass eine bewaffnete Gruppe eine finanzielle Institution, Vereinigung oder Bank nutzt, bedeutet noch keinen wirksamen Beitrag zu militĂ€rischen Handlungen", teilte die HRW mit. "Deshalb ist es kein rechtmĂ€Ăiges militĂ€risches Ziel im Rahmen des Kriegsrechts", hieĂ es.
Der aktuelle Krieg begann vor einem Jahr mit Raketenangriffen der Hisbollah auf Israel - nach eigener Darstellung zur UnterstĂŒtzung der Hamas, gegen die Israel im Gazastreifen seit dem Hamas-Terrorangriff in Israel am 7. Oktober 2023 Krieg fĂŒhrt. Seitdem beschieĂen sich Israel und die Hisbollah im Grenzgebiet. Im September weitete Israel seine Angriffe im Libanon - aus der Luft und dann auch am Boden - massiv aus. Mehr als 2.500 Menschen wurden getötet, Tausende verletzt und Hunderttausende vertrieben, die meisten davon im Libanon.