WARSCHAU - Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat die PrĂ€sidentenwahl in Polen knapp fĂŒr sich entschieden.
02.06.2025 - 12:56:08Konservativer wird neuer PrÀsident
(neu: Reaktionen und GlĂŒckwunsch des Verlierers)
WARSCHAU (dpa-AFX) - Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat die PrĂ€sidentenwahl in Polen knapp fĂŒr sich entschieden. GroĂe polnische Medien riefen ihn am frĂŒhen Morgen zum Sieger aus, die Wahlleitung in Warschau bestĂ€tigte das Ergebnis nach Abschluss der StimmauszĂ€hlung. Der Sieg des 42-jĂ€hrigen EU-Skeptikers lĂ€sst VerĂ€nderungen am auĂen- und innenpolitischen Kurs des Nachbarlandes erwarten, das in der EuropĂ€ischen Union und der Nato eine wichtige Rolle spielt.
Auf den politisch unerfahrenen Historiker Nawrocki entfielen nach vorlĂ€ufigen Angaben der staatlichen Wahlkommission 50,89 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Sein Gegenkandidat, der proeuropĂ€isch eingestellte Warschauer OberbĂŒrgermeister Rafal Trzaskowski, kam auf 49,11 Prozent. Beide Kandidaten bekamen mehr als zehn Millionen Stimmen, Nawrockis Vorsprung betrug etwa 370.000 Stimmen.
Trzaskowski gratuliert dem Wahlsieger
Der liberalkonservative Trzaskowski gratulierte am Morgen seinem Rivalen - und fand auch mahnende Worte: "Dieser Sieg verpflichtet, besonders in solch schwierigen Zeiten und bei so einem fast gleichen Ergebnis. Daran sollten Sie sich erinnern", schrieb er auf X. Trzaskowski hatte am Vorabend, als er zunĂ€chst nach Prognosen in FĂŒhrung lag, vor seinen AnhĂ€ngern versichert, er wolle "der PrĂ€sident aller Polinnen und Polen sein".
Der 53-JĂ€hrige dankte seinen WĂ€hlern - und entschuldigte sich. "Es tut mir leid, dass es mir nicht gelungen ist, die Mehrheit der BĂŒrger von meiner Vision von Polen zu ĂŒberzeugen."
Erfolgreiche Revanche der PiS
Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtskonservativen PiS an, Polens gröĂter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit BrĂŒssel.
Zwar kam 2023 wieder ein Mitte-Links-BĂŒndnis an die Regierung; der frĂŒhere EU-RatsprĂ€sident Donald Tusk kehrte als MinisterprĂ€sident zurĂŒck. Doch es blieb bei einem Dauerstreit mit PrĂ€sident Andrzej Duda, der ebenfalls aus der PiS stammt und nach zehn Jahren im Amt kein weiteres Mal antreten durfte. Duda bremste Tusks ReformplĂ€ne mit seinem starken Vetorecht. Der MinisterprĂ€sident hoffte, mit dem liberal eingestellten Trzaskowski an der Staatsspitze diese Blockade aufzulösen.
VerhÀltnis zu Berlin könnte schwieriger werden
Polen ist ein wichtiger UnterstĂŒtzer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohnern sieht sich auch selbst von Moskau bedroht und rĂŒstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder RumĂ€nien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten auĂenpolitischen Frage, der UnterstĂŒtzung fĂŒr die Ukraine, zogen Duda und Tusk denn auch an einem Strang. Dies könnte sich mit Nawrocki Ă€ndern, der zum Beispiel gegen einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine ist.
WĂ€hrend sich mit Tusk als Regierungschef das VerhĂ€ltnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, vertritt Nawrocki eher die Deutschland-feindliche Linie der PiS und suchte im Wahlkampf die NĂ€he zu US-PrĂ€sident Donald Trump. Er erneuerte die Forderung nach Reparationen fĂŒr die SchĂ€den, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat. Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, fĂŒr Polen nichts vorschreiben lassen.
Erst Reaktionen aus BrĂŒssel und Berlin
EU-KommissionsprÀsidentin Ursula von der Leyen gratulierte Nawrocki zu seinem Sieg und hoffte auf eine gute Zusammenarbeit. "Ich bin zuversichtlich, dass die EU ihre sehr gute Zusammenarbeit mit Polen fortsetzen wird", schrieb von der Leyen auf der Plattform X. Sie ergÀnzte: "Gemeinsam sind wir alle stÀrker in unserer Gemeinschaft des Friedens, der Demokratie und der Werte."
BundesprÀsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Nawrocki zur Wahl und hob die enge Partnerschaft zwischen den beiden NachbarlÀndern hervor. "Die deutsch-polnische Freundschaft ist mir ein Herzensanliegen. Lassen Sie uns gemeinsam die Freundschaft unserer Völker stÀrken!", schrieb er laut einer Mitteilung.
Der neue Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham, geht trotz des Sieges des rechtskonservativen Nawrocki nicht von weitreichenden Folgen fĂŒr Deutschland aus. "Das ist natĂŒrlich ein wirklich schwieriges Ergebnis", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete dem Sender Radio Eins vom RBB. "Was klar ist, dass die TonalitĂ€t etwas unharmonischer werden könnte, das betrifft das VerhĂ€ltnis zu Deutschland, aber auch das VerhĂ€ltnis zur Ukraine."
Wahl zeigt tiefe Spaltung Polens
Am Wahlabend sah eine erste Prognose zunĂ€chst Trzaskowski vorn, und der 53-jĂ€hrige Sozialwissenschaftler gab sich auch schon als Wahlsieger. Er gilt allerdings selbst in seinem politischen Lager als sehr weit links und war fĂŒr viele WĂ€hler in katholisch geprĂ€gten lĂ€ndlichen Regionen des Landes ein rotes Tuch.
Die ĂŒber Nacht eingehenden Einzelergebnisse belegten die tiefe politische Spaltung Polens, das in den vergangenen Jahren groĂe wirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Trzaskowski siegte demnach in den groĂen StĂ€dten wie Warschau, Krakau und Lodz, die vom Aufschwung besonders profitiert haben. In kleineren StĂ€dten und den lĂ€ndlichen Regionen Polens lag Nawrocki vorn.
Ein Grund fĂŒr die Niederlage Trzaskowskis könnte sein, dass das liberale und linke Lager sein WĂ€hlerpotenzial nicht ausgeschöpft hat. Die Wahlbeteiligung lag mit offiziell 71,63 Prozent zwar gut drei Prozentpunkte höher als bei der vorherigen PrĂ€sidentenwahl vor fĂŒnf Jahren. Doch beim Sieg ĂŒber die PiS bei der Parlamentswahl 2023 hatte eine Rekordzahl von 74,4 Prozent der WĂ€hlerinnen und WĂ€hler ihre Stimme abgegeben.
Amateurboxer und Historiker an der Staatsspitze
"Wir werden siegen und Polen retten. Wir werden nicht zulassen, dass Donald Tusks Macht sich festigt", sagte Nawrocki nach Bekanntgabe erster Prognosen. Er war bislang Direktor des Instituts fĂŒr Nationales Gedenken (IPN), eine Art polnisches Pendant zur mittlerweile aufgelösten Stasi-Unterlagen-Behörde in Deutschland.
FĂŒr Aufsehen - und Sympathien bei manchen WĂ€hlern - sorgte immer wieder seine Vergangenheit als Amateurboxer in jungen Jahren und als TĂŒrsteher wĂ€hrend des Studiums in einem Luxushotel mit möglichen Kontakten ins Rotlichtmilieu. Doch schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatten Nawrocki und noch weiter rechts stehende Kandidaten zusammen eine deutliche Mehrheit erhalten.
In Polen amtiert der PrĂ€sident fĂŒnf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der BundesprĂ€sident in Deutschland und reprĂ€sentiert das Land nicht nur nach auĂen. Der PrĂ€sident hat auch Einfluss auf die AuĂenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen StreitkrĂ€fte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen.