ROUNDUPDeutscher, General

Vollständige Bewaffnung, Fitness und eine entsprechende Motivation: Brigadegeneral Christoph Huber, der künftige Kommandeur des Kampfverbandes der Bundeswehr in Litauen, will seine Soldaten von Anfang an auf ihre besondere Rolle bei der militärischen Abschreckung an der Nato-Ostflanke einstellen."Was macht uns als ganz vorn eingesetzte Brigade aus? Für mich ist es unter anderem die körperliche Leistungsfähigkeit", sagt Huber, dessen Panzerbrigade 45 gerade aufgebaut und auch als "Brigade Litauen" bezeichnet wird.

03.11.2024 - 11:35:00

Spezieller Auftrag an Nato-Ostflanke

Vollständige Bewaffnung, Fitness und eine entsprechende Motivation: Brigadegeneral Christoph Huber, der künftige Kommandeur des Kampfverbandes der Bundeswehr in Litauen, will seine Soldaten von Anfang an auf ihre besondere Rolle bei der militärischen Abschreckung an der Nato-Ostflanke einstellen.

"Was macht uns als ganz vorn eingesetzte Brigade aus? Für mich ist es unter anderem die körperliche Leistungsfähigkeit", sagt Huber, dessen Panzerbrigade 45 gerade aufgebaut und auch als "Brigade Litauen" bezeichnet wird. Er hat gemeinsamen Sport und Märsche für den Aufstellungsstab angesetzt. "Kleinigkeiten, die aber am Ende dazu beitragen sollen, uns allen klarzumachen, wir haben hier einen ganz speziellen Auftrag", sagte er.

Bundeswehr betritt an der Nato-Ostflanke militärisches Neuland

Die Stationierung der Brigade, die bis 2027 gefechtsbereit und eigenständig handlungsfähig sein soll, ist eine Antwort auf die veränderte Sicherheitslage und das aggressive Auftreten Russlands. Die Bundeswehr betritt damit militärisches Neuland und stellt die Weichen für eine militärische Führungsrolle im Baltikum.

Vorgesehen ist eine dauerhafte Präsenz von bis zu 5.000 Männern und Frauen, davon 3.000 am geplanten Hauptstandort, einer noch zu bauenden Kasernenanlage mit Truppenübungsplatz in Rudninkai. Die Fläche für die Anlage liegt südlich von Vilnius und damit in Richtung der Grenze zu Russlands engen Verbündeten Belarus.

Huber sieht den Aufbau auf einem guten Weg. "Die Geschwindigkeit beim Herstellen der notwendigen Infrastruktur ist beeindruckend", sagte er. Eine große Wegmarke sei erreicht, wenn auf litauischer Seite die Verträge mit den Baufirmen geschlossen werden, "weil ich davon ausgehe, dass da natürlich auch Zeitlinien vereinbart werden".

"Wir sprechen bei Rudninkai vom Bau einer kleinen Stadt"

Auf den Zufahrtsstraßen zum künftigen Kasernengelände rollen inzwischen Baufahrzeuge und Bagger, es wird planiert und wohl bald geteert. Die Fläche selbst ist noch eine große, gerodete Brache inmitten von Nadelwald.

"Wir sprechen bei Rudninkai vom Bau einer kleinen Stadt, die quasi von Null auf entsteht", sagt Huber. "Das muss klar sein: Wir können unsere Verbände und Einheiten nicht verlegen, wenn die Unterbringung nicht gewährleistet ist - auf der einen Seite." Zur Kriegstüchtigkeit gehörten auch Übungsmöglichkeiten und die Wartung und Instandsetzung hochmoderner Waffensysteme.

Militärchef: Deutsche Soldaten mit Familien im Land "bedeuten viel"

Litauen betrachtet die Stationierung als Rückversicherung und hat den Schritt lange gefordert. "Deutsche Soldaten, die nicht nur selbst, sondern mit Familien kommen, bedeuten viel", sagt General Raimundas Vaiksnoras, militärischer Befehlshaber der litauischen Streitkräfte. Die Männer und Frauen der Bundeswehr zeigten damit die Bereitschaft, in Litauen die Nato-Ostflanke zu verteidigen, nicht nur das eigene Vaterland. "Natürlich sendet das ein starkes Signal an unseren Gegner, die Russen."

Mit Warnungen vor dem Angriffskurs des russischen Präsidenten Wladimir Putin haben sich die Balten von westlichen Partnern lange unverstanden gefühlt, dann bestätigt. Geblieben sind unterschiedliche Ansichten darüber, ob Nato-Staaten vor allem eine Eskalation verhindern oder Russland konfrontativer angehen sollten.

"Putin ist seiner Art nach ein Bandit. Er versteht nur aus der Perspektive der Macht. Vielleicht müssen wir eskalieren, um zu deeskalieren", sagt Vaiksnoras, der sein Land an einer möglichen Frontlinie sieht. Litauen liegt zwischen dem mit Moskau verbündeten Belarus und der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad. Vaiksnoras sagt: "Wann immer wir mit Russland verhandeln wollten oder Konsens und die friedliche Lösung suchten, hat es nicht geklappt. Wir müssen proaktiver, drängender sein."

Litauen setzt auf den Leopard, aber wohl nicht auf den Puma

Auf dem Tisch liegen Regierungspläne für eine Stärkung der Streitkräfte, die aus 15.500 Berufssoldaten und 50.000 Soldaten als aktive Reserve bestehen. Auf die Bevölkerungszahl Deutschland hochgerechnet würde das etwa 480.000 Berufssoldaten und mehr als 1,5 Millionen aktive Reservisten bedeuten.

Zudem will Litauen in diesem Jahr 3,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben bereitstellen. Für eine geplante, künftige Division sollen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 gekauft werden. Bei der Rüstung mit neuen Schützenpanzern hat sich Litauen dagegen schon grundsätzlich für das schwedische Modell CV 90 entschieden und damit gegen den deutschen Puma. Der Schweden-Panzer hat sich in der Ukraine bewährt und kostet mit einem Stückpreis von sieben Millionen nur rund ein Drittel der deutschen Waffe, heißt es.

"Total defense": In Litauen soll jeder eine Aufgabe in der Verteidigung haben

Der Balten-Staat setzt darauf, die Gesellschaft möglichst umfassend in eine Verteidigung des Landes einzubinden. Das Konzept heißt "total defense" und zielt darauf ab, dass möglichst viele Menschen ihre Aufgabe im Spannungs- und Kriegsfall kennen und diese beherrschen. Mit dieser Aufgabe ist im Wehrressort des Landes eine Vizeministerin, Kamile Gogeliene, betraut.

Die militärische Seite dieser Medaille ist eine auf staatlicher Rechtsgrundlage organisierte, paramilitärische Organisation, die 15.000 Mitglieder zählende Litauische Schützenunion (Lithuanian Riflemen Union). Sie unterstützen im Frieden bei Notlagen, ähnlich wie das deutsche Technische Hilfswerk (THW). Im Grenzraum können sie aber auch die Polizei verstärken, sagt Oberstleutnant Linas Idzelis, Kommandeur des Freiwilligenverbandes. Das Training an Sturmgewehren, mit Kommunikationstechnik und Drohnen befähigt sie aber auch als Verstärkung der litauischen Streitkräfte, deren Führung sie dann unterstellt sind.

Unter den Mitgliedern sind auch rund 5.000 Kadetten, Jungen und Mädchen ab dem 11. Lebensjahr, die mehrere Stufen der Ausbildung durchlaufen. Dazu gehörten Navigation und Funkverkehr sowie taktische Aufgaben mit Airsoftwaffen. Bei Volljährigkeit wisse der Kadett alles. Idzelis: "Er muss nur die Airsoftwaffe gegen das Sturmgewehr G36 tauschen."

@ dpa.de