WAHL, Merz

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will einen radikalen Wechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik durchsetzen.

23.01.2025 - 17:47:44

WAHL 2025/ROUNDUP: Merz für radikalen Wechsel in Außen- und Sicherheitspolitik

Der von ihm im Kanzleramt geplante Nationale Sicherheitsrat werde "Dreh- und Angelpunkt für die kollektive politische Entscheidungsfindung der Bundesregierung in allen wesentlichen Fragen der Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitik und Europapolitik sein", sagte der CDU-Vorsitzende in einer außenpolitischen Grundsatzrede bei der Körber-Stiftung in Berlin.

Dem Nationalen Sicherheitsrat würden die mit innerer und äußerer Sicherheit befassten Minister der Bundesregierung, Vertreter der Bundesländer sowie die wichtigsten Sicherheitsbehörden angehören, kündigte Merz an. Die Bundesregierung werde hier zu jeder grundsätzlichen Frage eine gemeinsame Linie finden und diese gemeinschaftlich vertreten. "Die Zeiten, in denen europäische Partner aus Berlin andere Antworten bekommen haben - je nachdem, ob sie im Kanzleramt, im Auswärtigen Amt oder im Finanzministerium angerufen haben - müssen der Vergangenheit angehören", ergänzte er.

"Achse der Autokratien"

An der Spitze einer aufziehenden Ära eines Systemkonflikts zwischen liberalen Demokratien und Autokratien sieht Merz Russland und China. Beide würden offensiv gegen die multilaterale Ordnung antreten. Mit dem Iran, Nordkorea und anderen Ländern habe sich eine "Achse der Autokratien" herausgebildet, die in allen Weltregionen destabilisierenden Einfluss nehme. Keinen der Herausforderungen könne man "mit dem derzeitigen Instrumentenkasten unserer Außen- und Sicherheitspolitik erfolgreich begegnen".

Der Sicherheitsrat werde die Federführung für eine neue Nationale Sicherheitsstrategie erhalten, die er im ersten Jahr einer unionsgeführten Regierung vorlegen wolle, sagte Merz. Erste Priorität sei die Wiederherstellung der Abschreckungs- und Vereidigungsfähigkeit. Leitmotiv müsse sein: "Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen." In Krisenlagen solle der Rat alle relevanten Informationen zusammenführen, um ein Lagebild zu schaffen. Das Kanzleramt werde sich künftig wieder stärker in die europapolitische Koordinierung einschalten.

"Wenigstens alltagstaugliches Englisch"

Von jedem Kabinettsmitglied erwartet Merz, regelmäßig an den EU-Ministerräten in Brüssel teilzunehmen - und sich nicht vertreten zu lassen. Zudem werde er für die Union niemanden zum Minister oder Staatssekretär machen, "der nicht wenigstens alltagstaugliches Englisch spricht".

Entwicklungspolitik nur noch konditioniert

Entwicklungspolitik müsse als Instrument zur Förderung der strategischen Interessen begriffen werden, deshalb werde sie künftig konditioniert, sagte Merz. Die Unterbindung illegaler Migration, der Kampf gegen Terrorismus und Korruption, die Zurückdrängung des Einflusses der "Achse der Autokratien" und die Förderung von Absatzmärkten für deutsche Unternehmen würden die neuen Maßstäbe sein. Ein Land, das seine ausreisepflichtigen Staatsangehörigen nicht zurücknehme, erhalte keine Entwicklungsgelder mehr.

Ukraine - Freiheit zur Wahl ihrer Bündnisse

Merz zählte auch die Beendigung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zu den strategischen Prioritäten. Für die Ukraine heiße das: "Sie muss den Krieg gewinnen. Gewinnen heißt für mich die Wiederherstellung der territorialen Integrität mit einer in Ausübung eigener staatlicher Souveränität demokratisch legitimierten Regierung." Die Ukraine müsse auch Freiheit zur Wahl ihrer politischen und gegebenenfalls militärischen Bündnisse haben. Zugleich betonte der CDU-Chef, Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden.

Erste Reise nach Frankreich und Polen

Merz will am ersten Tag seiner Amtszeit als Kanzler nach Warschau und Paris reisen, um mit Ministerpräsident Donald Tusk und Präsident Emmanuel Macron konkrete gemeinsame Initiativen zu vereinbaren. Aus Anlass des 35. Jahrestags der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages schlägt Merz einen deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag vor.

Israel - Staatsräson an Taten messen

Eine unionsgeführte Regierung werde "das faktische Exportembargo" gegenüber Israel umgehend beenden. Was das Land zur Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts benötige, werde es bekommen. "Der Begriff Staatsräson wird sich wieder an Taten und nicht nur an Worten messen", sagte Merz. "Es muss wieder unmissverständlich klar sein: Deutschland steht nicht zwischen den Stühlen, sondern Deutschland steht fest an der Seite Israels."

Für dauerhafte EU-Marinebasis im Indo-Pazifik

Mit Blick auf Japan, Indien, Australien und Neuseeland sagte Merz, die Verbündeten in der dortigen geostrategisch wichtigen Region müssten wissen, dass Deutschland und Europa aktiv zur Stabilität und Freiheit dort beitragen. Er rege daher eine dauerhafte europäische Marinebasis im Indo-Pazifik an.

Trump als Chance Europas

Die US-Präsidentschaft von Donald Trump sieht Merz "als Chance einer Selbststärkung Europas" - es sei an der Zeit, mehr für die eigene Sicherheit und Verteidigung zu leisten. Den Vorstoß für einen neuen milliardenschweren europäischen Verteidigungsfonds zweifelte Merz aber an. Zunächst sei eine grundlegende Reform der militärischen Beschaffung notwendig, bei der Vereinfachung, Standardisierung und Skalierung zentral seien. In der Handelspolitik müsse eine Zollspirale vermieden werden.

In einer Fragerunde reagierte Merz gelassen auf Äußerungen von Trump zu einer möglichen US-Kontrolle über Grönland. "Ich gehe fest davon aus, dass Donald Trump sein Interesse an Grönland nicht gegen die territorialen Interessen und auch gegen die politischen Einsprüche Dänemarks und der Europäischen Union durchsetzen wird", sagte er und ergänzte: "Und wenn nicht, dann werden wir mit ihm darüber ernsthaft reden müssen."

Hobbypilot Merz: Zweimal selbst nach Grönland geflogen

Der begeisterte Hobbypilot gab auch einen kleinen Einblick in seine fliegerischen Erfahrungen mit Grönland. Auf die Frage der Moderatorin, ob er schon in Grönland gewesen sei, antwortete Merz: "Ich bin einmal von Europa und einmal von Amerika aus selbst dorthin geflogen." Er habe diesen Teil der Welt von zwei Seiten aus gesehen: einmal von Ilulissat und einmal von Narsarsuaq aus. Ilulissat ist eine Küstenstadt im westlichen Grönland, Narsarsuaq liegt im Süden der Insel.

@ dpa.de