ROUNDUPNach, TV-Debakel

Nach seinem desaströsen Auftritt beim TV-Duell mit seinem Kontrahenten Donald Trump versucht US-PrĂ€sident Joe Biden, die Reihen hinter sich zu schließen.

30.06.2024 - 17:11:35

Biden trotzt Forderungen nach RĂŒckzug

Forderungen nach einem RĂŒckzug erteilt der 81-JĂ€hrige eine Abfuhr. Der PrĂ€sident setzte am Wochenende Ă€ußerlich unbeirrt seinen Wahlkampf fort. Auch sammelte er Spenden bei exklusiven EmpfĂ€ngen in New Jersey und den Hamptons nahe New York - die Hamptons sind als Wochenendreiseziel der Reichen und Schönen bekannt. Dort versuchte Biden, seine Geldgeber von seiner Eignung fĂŒr das Amt zu ĂŒberzeugen: "Ich hatte keinen großartigen Abend, aber ich werde noch hĂ€rter kĂ€mpfen." Am Sonntag zog sich der Demokrat zu einem lĂ€nger geplanten Familientreffen zurĂŒck - das Debakel und mögliche Konsequenzen dĂŒrften in den GesprĂ€chen mit seinen engsten Vertrauten Thema sein.

Biden lieferte sich am Donnerstagabend (Ortszeit) ein TV-Duell mit seinem republikanischen AmtsvorgĂ€nger Trump. Beide wollen nach der PrĂ€sidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus einziehen. Umfragen zufolge lĂ€uft es bisher auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinaus. Bidens Auftritt war allerdings ein Fiasko - er verlor den Faden, nuschelte, starrte mit offenem Mund ins Leere und konnte hĂ€ufig seine SĂ€tze nicht richtig beenden. Nach dem Duell ist in den USA eine Debatte darĂŒber entbrannt, ob der 81-JĂ€hrige der richtige Kandidat fĂŒr die Demokraten ist. "Um seinem Land zu dienen, sollte PrĂ€sident Biden aus dem Rennen aussteigen", schrieb die "New York Times" in einem MeinungsstĂŒck. Auch andere Medien forderten den Demokraten unverhohlen zum RĂŒckzug auf.

Biden und sein Team gehen in die Offensive

Bidens Lager setzte nach dem TV-Debakel auf Schadensbegrenzung und ging in den Angriffsmodus. Die Daten wĂŒrden zeigen, dass das Duell nichts an der Wahrnehmung der amerikanischen Bevölkerung geĂ€ndert habe, hieß es in einer E-Mail an ParteianhĂ€nger. "Joe Biden wird der Kandidat der Demokraten sein, Punkt", hieß es in einem andrem Text. Eine "BettnĂ€sser-Brigade" fordere Biden zum RĂŒckzug auf. Die "New York Times" berichtete, dass Bidens Team im Hintergrund mit zahllosen Anrufen versuchte, Druck auf besorgte demokratische Abgeordnete, UnterstĂŒtzer und Spender auszuĂŒben. Die demokratische Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi verteidigte Biden am Sonntag offensiv im FrĂŒhstĂŒcksfernsehen. "Es war ein schlechter Abend. Lassen wir das hinter uns", sagte sie und versuchte, den Fokus auf Trump zu lenken.

Biden selbst bearbeite Großspender bei einer Reihe von nichtöffentlichen Veranstaltungen. Zu den Ausrichtern eines lĂ€nger geplanten Empfangs im Nobelort East Hampton gehörten Hollywood-Stars wie Sarah Jessica Parker, Matthew Broderick und Michael J. Fox. Auf dem Weg zu dem Termin wurde Biden von einigen Demonstranten empfangen. Diese hielten am Straßenrand Schilder hoch, auf denen etwa "Wir lieben dich, aber es ist an der Zeit" oder "Tritt zurĂŒck fĂŒr die Demokratie" stand. Allein bei einer weiteren Veranstaltung in New Jersey sind nach Angaben von Bidens Team rund 3,7 Millionen US-Dollar (rund 3,4 Millionen Euro) zusammengekommen. Die Angaben lassen sich nicht unabhĂ€ngig ĂŒberprĂŒfen.

Biden zieht sich mit der Familie zurĂŒck

Biden reiste nach seinem Spendensammel-Marathon weiter nach Camp David - dies ist der Landsitz von US-PrĂ€sidenten nahe Washington. Dort wolle Biden die Zukunft seines Wahlkampfs mit der Familie besprechen, berichtete der Sender NBC. Das Weiße Haus reagierte blitzschnell nach Veröffentlichung des Texts und wies die Darstellung zurĂŒck. Der Ansatz des Berichts sei nicht korrekt. Die Regierungszentrale betonte, dass der Trip bereits lange vor der Debatte festgestanden habe und ein Familienfoto der Bidens geplant sei. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass das Treffen nun nicht zur Krisensitzung wird.

Eine besondere Rolle dĂŒrfte dabei auch First Lady Jill Biden zukommen. Die Bidens sind seit 47 Jahren verheiratet. Jill Biden gilt als engste Vertraue des US-PrĂ€sidenten, das Wort der 73-JĂ€hrigen hat Gewicht. Sie verteidigte ihren Ehemann nach dem verpatzten TV-Duell demonstrativ. "Joe ist nicht nur die richtige Person fĂŒr diesen Job", sagte sie am Samstag bei einem Spendensammel-Event. "Er ist die einzige Person fĂŒr den Job."

Demokraten in Alarmbereitschaft

Bisher steht auch die erste Reihe der Demokraten geschlossen hinter Biden - aber in der Partei rumort es. TatsĂ€chlich dĂŒrften die kommenden Tage entscheidend sein. Denn dann dĂŒrften Umfragen zeigen, ob sich Bidens schwacher Auftritt bei den WĂ€hlerinnen und WĂ€hlern niederschlĂ€gt. Sollten Bidens Umfragewerte schlechter werden, dĂŒrfte das nicht nur Spender verunsichern, sondern auch demokratische Politiker, die im November ebenfalls zur Wiederwahl stehen, in Panik versetzen.

Beim Parteitag im August in Chicago soll Biden offiziell zum PrĂ€sidentschaftskandidaten seiner Partei gekĂŒrt werden. Die nötigen Delegiertenstimmen dafĂŒr hat er bereits bei den Vorwahlen gesammelt - der Krönungsparteitag ist zumindest bisher reine Formsache. Theoretisch ist es aber möglich, dass die Partei kurzfristig umsattelt und Biden aus dem Rennen nimmt. DafĂŒr mĂŒsste Biden aber selbst den Weg freimachen und zurĂŒckziehen. Beobachter halten das so kurz vor der Wahl fĂŒr ein bloßes Gedankenspiel. Und selbst wenn dieser Fall eintrĂ€te, stellt sich die Frage, wer Biden nachfolgen könnte im Duell gegen den 78 Jahre alten Trump.

Keine echte Alternative

Da die Demokraten auf Biden gesetzt haben, haben sie es versĂ€umt, eine Nachfolge aufzubauen. VizeprĂ€sidentin Kamala Harris ist sehr unpopulĂ€r. Die 59-JĂ€hrige dĂŒrfte kaum die erste Wahl sein. Ein Name, der fĂ€llt, ist Gavin Newsom. Der 56 Jahre alte Gouverneur des liberalen US-Bundesstaats Kalifornien ist ein eloquenter Vollblutpolitiker. Ob er bei der konservativeren lĂ€ndlichen Bevölkerung punkten könnte, ist fraglich. Auch Gretchen Whitmer, die 52 Jahre alte Gouverneurin des Bundesstaats Michigan, wird genannt. Die Juristin zĂ€hlt zum FĂŒhrungszirkel der Demokratischen Partei. Als Lichtgestalt gilt fĂŒr viele Demokratinnen und Demokraten Michelle Obama, die frĂŒhere First Lady und Ehefrau von Ex-PrĂ€sident Barack Obama. Dass sie plötzlich ins Rennen einsteigen könnte, ist eher illusorisch.

@ dpa.de