Mehr Kunden, aber weniger Gewinn: Der neue ING-Vorstandschef Lars Stoy präsentiert die Bilanz seines Vorgängers.
06.02.2025 - 15:04:07Neuer ING-Deutschland-Chef: Mehr aus Kunden machen. Für sein erstes Jahr an der Spitze der Direktbank hat er sich einiges vorgenommen.
Der neue ING-Deutschland-Chef Lars Stoy will aus den inzwischen fast zehn Millionen Kunden der Direktbank mehr machen und so nach dem Gewinnrückgang im vergangenen Jahr wieder für Wachstum sorgen. «Das heißt jetzt nicht, wir planen Filialen aufzumachen, um Kunden permanent zu belatschern, dass sie irgendwas abschließen müssen», sagte Stoy bei seinem ersten Auftritt vor Medien seit seinem Amtsantritt am 1. Januar 2025. «Nichtsdestotrotz haben wir Lücken im Angebotsspektrum und die werden wir schließen.»
Stoy will zum Beispiel Investmentangebote für vermögendere Kunden erweitern und außerdem jüngere Kundengruppen ansprechen - zum Beispiel mit einem Girokonto Junior ab 7 Jahren, das im Sommer kommen soll.
«Wollen weniger Papierkram»
Zudem sollen die Prozesse der ING Deutschland, die im vergangenen Jahr bereits zu 81 Prozent digitalisiert waren, sowohl für Privatkunden als auch für Firmen- und Geschäftskunden noch bequemer werden. Der ehemalige Deutsche-Bank-Manager Stoy sei «fest überzeugt, dass die App künftig Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung wird».
Gewinn unter Vorjahresrekord
2024 machte die Direktbank trotz eines rasanten Kundenwachstums weniger Gewinn. Sowohl das Ergebnis vor Steuern mit rund 2,12 Milliarden Euro als auch der Überschuss mit gut 1,43 Milliarden Euro lagen um 14 Prozent unter den Rekordwerten von 2023. Dennoch sei dies das zweithöchste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens, das 2025 seit 60 Jahren besteht.
Ein Grund für den Gewinnrückgang: Für mögliche Kreditausfälle legte die Bank wegen der Konjunkturflaute mit 222 Millionen Euro mehr als sechsmal so viel Geld zurück wie ein Jahr zuvor. Das Institut wertet dies im langfristigen Vergleich als Normalisierung seiner Risikovorsorge. Im Geschäftsjahr 2023 hatte die Bank Vorsorge für Geschäfte mit Russlandbezug aufgelöst.
Niedrigere Zinsen drücken Gewinn
Zugleich fiel das Zinsergebnis mit gut 3,55 Milliarden Euro vier Prozent niedriger aus als ein Jahr zuvor. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen im Euroraum seit Sommer mehrfach gesenkt. Das wirkt sich auf die Geschäfte der Geldhäuser aus.
Auch der Mutterkonzern der Direktbank, die niederländische Großbank ING, verdiente 2024 wegen der wieder niedrigeren Zinsen weniger als ein Jahr zuvor: Der Überschuss sank um rund zwölf Prozent auf knapp 6,4 Milliarden Euro.
Ziel von zehn Millionen Kunden fast erreicht
Bei ihrem für 2025 angepeilten Ziel von zehn Millionen Privatkunden sieht sich die ING Deutschland auf bestem Weg: Gut 9,9 Millionen Kunden zählte das Institut am Ende des vergangenen Jahres und damit 571.000 mehr als ein Jahr zuvor. Dies sei für die Direktbank das stärkste Kundenwachstum seit mehr als 15 Jahren gewesen. Am Morgen der Bilanzvorlage zählte die Bank nach Stoys Angaben 9,964 Millionen Kunden.
Wichtig aus Sicht des Managements: Immer mehr Kunden lassen sich nicht nur von Zinsangeboten locken und parken Geld auf Tagesgeldkonten, sondern machen das Institut zu ihrer Hausbank. Die Zahl der Kunden, die neben dem Girokonto mit monatlichem Geldeingang mindestens ein weiteres Produkt der Bank nutzen, stieg weiter um etwa 290.000 auf 3,0 Millionen. Die Einlagen der ING-Deutschland-Kundschaft in Sparprodukten und auf Girokonten erhöhten sich um 4,6 Prozent auf den Rekordwert von 150,2 Milliarden Euro.
50 Millionen Euro ließ sich die Direktbank die Kundenwerbung im vergangenen Jahr kosten. Daran will auch der neue Vorstandschef festhalten: «Wir werden weiter Aktionen im Markt fahren, um Einlagen zu gewinnen», kündigte Stoy an. Die Strategie der vergangenen Jahre sei richtig gewesen. «Wir wollen die Bank nicht in eine Universalbank umbauen, aber etwas universaler aufstellen.»
Großes Wachstumspotenzial sieht die ING Deutschland in ihrem relativ jungen Segment für Geschäftskunden. «Das Ziel ist klar: Das Business Banking soll zu unserer dritten starken Säule werden», sagte Finanzvorständin Nurten Erdogan.