Bauernpräsident, Unmut

Kommende Woche wollen die Bauern bundesweit gegen die Einsparpläne bei Agrarsubventionen protestieren.

05.01.2024 - 10:14:25

Bauernpräsident: «Unmut ist mehr als gerechtfertigt». Der Bauernpräsident verteidigt die Aktionen: Die Landwirte hätten über Jahre hinweg Durststrecken.

Der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, hat die geplante Aktionswoche der Landwirte gegen die Pläne der Ampel-Regierung verteidigt. «Der Unmut ist mehr als gerechtfertigt. Wir hatten über viele Jahre hinweg starke Durststrecken beim Einkommen», sagte Rukwied dem «Tagesspiegel» zur Lage auf den Höfen. Das vergangene Jahr habe für viele Betriebe eine Verschnaufpause gebracht, für das laufende Wirtschaftsjahr geht Rukwied aber wieder von sinkenden Erträgen aus.

«Beispielsweise ist der Milchpreis pro Liter, der zwischenzeitlich in der Spitze bei 60 Cent lag, inzwischen wieder auf rund 40 Cent gefallen. Auch die Weizenpreise, die zuvor bis zu 400 Euro je Tonne erreichten, sind wieder auf etwa 220 Euro gesunken», sagte Rukwied. «Auch der Schweinepreis ist mittlerweile rückläufig. Auf der anderen Seite steigen die Lohnkosten. Die hohen Energiekosten tun ein übriges.»

Agrarminister-Vorsitzende fordert mehr Biodiesel

Die amtierende Vorsitzende der Agrarministerkonferenz hat die Sicherung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaft und Forst begrüßt. Die Bundesregierung habe eine weitere Belastung der Landwirtschaftsbetriebe zurückgenommen, teilte Thüringens Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij (Linke) nach einer Beratung mit ihren Ressortkollegeinnen und -kollegen der Länder mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). «Das ist überdies ein wichtiges Signal an die ländlichen Räume, die erst vor kurzem mit der Streichung von Fördermitteln Einschnitte verkraften mussten», lobte Karawanskij.

Sie kritisierte aber, dass die nun geplante schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Vergütung den Berufsstand gerade mit Blick auf den Wettbewerb in der EU trotzdem treffe. Die Agrarministerkonferenz erwarte vom Bundesministerium daher mehr Einsatz für alternativen Biodiesel. «Stellen wir in Deutschland einseitig die Agrardiesel-Vergütung ein, würden wir unseren einheimischen Agrarbetrieben einen großen Wettbewerbsnachteil aufbürden, wenn in den anderen EU-Ländern die Förderung beibehalten wird», so Karawanskij.

Faeser: Warnung vor Missbrauch der Bauernproteste

Das Bundesinnenministerium hat vor Versuchen von extremen Kräften gewarnt, Bauernproteste gegen geplante Subventionskürzungen zu missbrauchen. Ein Sprecher von Ministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, es sei davon auszugehen, dass insbesondere Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum wie auch aus dem Spektrum derjenigen, die den Staat delegitimieren wollten, im Verlauf der Protestwoche versuchen würden, Veranstaltungen für eigene Interessen zu instrumentalisieren.

Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan sagte: «Der Protest der Landwirtschaft war erfolgreich, weil es gute Argumente gab. Diesen ist die Bundesregierung nun gefolgt. Es lässt sich derzeit allerdings beobachten, dass Rechtsextreme, Reichsbürger und russlandnahe Gruppierungen den Protest unterwandern, zu Gewalt aufrufen und Umsturzfantasien verbreiten.» Alle Beteiligten seien dringend zu einer Distanzierung und Deeskalation aufgerufen.

Bei der geplanten Aktionswoche werde es in allen Bundesländern Sternfahrten der Landwirte mit ihren Traktoren geben, zudem seien täglich Demonstrationen geplant. «Es wird viele Gespräche mit Abgeordneten geben, und am 15. Januar kommt es dann zu einer großen Kundgebung in Berlin, zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen», sagte Rukwied. Bereits kurz vor Weihnachten kamen Tausende Bauern mit Traktoren zum Protest nach Berlin.

Bauernverbände planen Verkehrsblockaden

Am Montag setzen die Landesbauernverbände ähnlich wie sonst die Klimaaktivisten auf Verkehrsblockaden. Einige Städte in Deutschland warnen vor größeren Einschränkungen im Straßenverkehr am Montag.

Die Hamburger Polizei rechnet beispielsweise mit jeweils 250 bis 300 Traktoren, die am Montagmorgen aus Schleswig-Holstein kommend an drei Stellen die Landesgrenze passieren und zu einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt fahren könnten. Da die Versammlungsbehörde fortwährend weitere Anmeldungen erhalte, müsse im gesamten Stadtgebiet sowie auf Ausweichstrecken mit erheblichen Behinderungen gerechnet werden, hieß es.

Eine Übersicht über die bereits angekündigten Aktionen:

BRANDENBURG

Mit Treckern wollen Landwirte etwa im Nordwesten Brandenburgs Auffahrten zur Autobahn 24, die Hamburg mit Berlin verbindet, ab Montagmorgen blockieren. Protestaktionen sind laut Landesbauernverband auch an Supermärkten und Tankstellen vorgesehen. Das Bildungsministerium rechnet damit, dass Schüler wegen der Straßenblockaden womöglich nicht rechtzeitig zum Unterricht kommen können. Lehrkräfte soll daher Distanzunterricht vorbereiten.

SACHSEN

Der Landesbauernverband in Sachsen arbeitet für die Aktionswoche mit der Vereinigung Land schafft Verbindung sowie den Familienbetrieben Land und Forst in Sachsen und Thüringen zusammen. Am Montag sind Aktionen wie Autokorsos, eine Demonstration an der Elbbrücke in Torgau und auch Proteste an Autobahnauffahrten geplant. Am Mittwoch gibt es in Dresden eine große Kundgebung.

NIEDERSACHSEN

Die niedersächsischen Landwirte wollen am Montag zu einer Sternfahrt nach Bremen aufbrechen. Erwartet werden rund 1000 Landwirte mit ihren Treckern.

RHEINLAND-PFALZ

Der Bauern- und Winzerverband will am Montag in allen 14 Kreisen Demonstrationen und Kundgebungen durchführen. Der Verband rechnet mit bis zu 5000 Teilnehmern. Zur Abschlusskundgebung am Montagabend in Koblenz würden mindestens 1000 Landwirte mit Traktoren erwartet.

Der Verein Landwirtschaft verbindet (LSV) will nach eigenen Angaben im Norden von Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Spediteuren Autobahnauffahrten blockieren. Anschließend wollen sie zu einer Demonstrationsfahrt über mehrere Autobahnen starten. Die Organisatoren rechnen mit etwa 3000 Fahrzeugen. Endgültige Genehmigungen stehen noch aus.

Eine zentrale Kundgebung mit den Landwirten aus allen Teilen des Landes steht am Mittwoch in Mainz auf dem Programm. Am Samstagabend (13. Januar) sind im Norden von Rheinland-Pfalz mehr als hundert Mahnfeuer geplant.

NORDRHEIN-WESTFALEN

In NRW wollen die Bauern am Montag landesweit an Kreuzungen und Auffahrten den Verkehr lahmlegen. Größere Versammlung soll es in Köln, Bonn, östlich von Dortmund und Münster geben. Hier werden mehrere Hundert Zugmaschinen erwartet. Die zuständigen Polizeidienststellen warnen nach einer großen Anzahl von angemeldeten Traktorprotesten landesweit vor Verkehrsproblemen. Diese können sich den ganz Montag hinziehen und sowohl den Berufsverkehr als auch Schülerinnen und Schüler betreffen.

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Nach Informationen des Landesbauernverbands von Donnerstagvormittag wird es Protestaktionen an mehr als 50 Autobahnzufahrten geben, allerdings zeitgleich davon nur an jeder zweiten für zwei Stunden mit anschließendem Wechsel, so dass der Verkehr an den jeweils freien Anschlussstellen fließen kann. Als Zeitfenster wurde Montagmorgen, 7.00 bis 11.00 Uhr, genannt. Im Detail stimmt sich der Verband aber intern noch zu den Aktionen ab.

In mehreren Städten hat die Initiative «Unternehmeraufstand MV» Autokorsos angemeldet, etwa in Neubrandenburg, Rostock, Güstrow, Wismar oder Schwerin. Auch in Stralsund sind laut zuständigem Landkreis Proteste angemeldet.

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Im ganzen Land soll es an drei Tagen Demonstrationen geben, kündigte der Landesbauernverband an. Dabei werde es durch langsamfahrende Kolonnen zu Verkehrsbehinderungen kommen. Blockaden seien nicht geplant. Die Proteste sollen nach Angaben des Bauernverbands am Montag im Süden Schleswig-Holsteins beginnen. Kolonnenfahrten seien in den Kreisen Dithmarschen, Steinburg, Pinneberg, Segeberg, Stormarn und im Herzogtum Lauenburg geplant. Am Mittwoch seien Aktionen in Flensburg, Ostholstein, Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Lübeck geplant. Zum Abschluss am Freitag wollen Landwirte aus den Kreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde nach Kiel zu einer Kundgebung fahren.

HAMBURG

Die Hamburger Polizei rechnet wegen der Trecker-Demos von Landwirten gegen Sparbeschlüsse der Bundesregierung am Montag mit erheblichen Verkehrsbehinderungen im gesamten Stadtgebiet. Jeweils 250 bis 300 Traktoren sollen nach den Plänen der Anmelder am Montagmorgen aus Schleswig-Holstein kommend in Langenhorn, Rahlstedt und Bergedorf die Landesgrenze passieren und zu einer Abschlusskundgebung in der Hamburger Innenstadt fahren, wie die Polizei mitteilte. Da die Versammlungsbehörde fortwährend weitere Anmeldungen erhalte, müsse im gesamten Stadtgebiet sowie auf Ausweichstrecken mit erheblichen Behinderungen gerechnet werden, hieß es. «Insofern bittet die Polizei, soweit möglich, auf öffentliche schienengebundene Verkehrsmittel auszuweichen.»

BAYERN

Bereits am Donnerstagabend kam es in Bayern zu Protestaktionen der Bauern. Für die Aktionswoche befürchten einige Kommunen große Auswirkungen, etwa auch durch Blockaden von Autobahnauffahrten.

An den Protesten wollen sich in Bayern auch andere Branchen beteiligen. Etwa Bäcker, Metzger und Müller hätten ihre Unterstützung der Auftaktdemonstration am 8. Januar in München angekündigt, teilte der Bayerische Handwerkstag mit. Der Protest der Lebensmittelhandwerker richtet sich in erster Linie gegen die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent für Speisen in der Gastronomie sowie gegen den Wegfall der Strom- und Gaspreisbremsen, die Erhöhung der CO2-Abgabe und die neue Lkw-Maut.

Der Bauernverband will erreichen, dass die Ampel-Regierung ihre Einsparpläne bei Agrarsubventionen vollständig zurücknimmt. Die am Donnerstag vereinbarte Anpassung der Pläne reicht den Landwirten nicht aus. Konkret sollen Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel in mehreren Schritten abgeschafft werden.

@ dpa.de