ROUNDUP, Ukraine

KIEW - Die Ukraine hat an ihrer Ostfront einen seit mehr als zwei Jahren verteidigten Vorposten verloren: die Bergarbeiterstadt Wuhledar.

02.10.2024 - 14:06:22

Ukraine verliert im Osten ihren Vorposten Wuhledar

(neu: Offizielle Bestätigung zu Rückzug aus Wuhledar)

KIEW (dpa-AFX) - Die Ukraine hat an ihrer Ostfront einen seit mehr als zwei Jahren verteidigten Vorposten verloren: die Bergarbeiterstadt Wuhledar. Die ukrainische Armee bestätigte den Rückzug aus der stark zerstörten Stadt im Gebiet Donezk, die vor dem Krieg knapp 15.000 Einwohner hatte. Das Oberkommando habe den Abzug genehmigt, "um Personal und militärische Ausrüstung zu retten", teilte die zuständige Armeegruppe auf ihrem Telegram-Kanal mit. Militärbeobachter beider Seiten hatten schon am Dienstag berichtet, dass russische Truppen die Bergarbeiterstadt im Gebiet Donezk erobert hätten.

Die offizielle Bestätigung kam mit Verzögerung. Präsident Wolodymyr Selenskyj widmete seine Videoansprache vom Dienstagabend der ukrainischen Kooperation mit ausländischen Rüstungsfirmen. In Kiew findet derzeit zum zweiten Mal ein Forum der Verteidigungsindustrie mit Vertretern aus mehr als 30 Ländern und fast 300 ukrainischen und ausländischen Unternehmen statt.

Verlustreicher Kampf um Wuhledar

Russische Truppen sind seit Monaten in der Ostukraine auf dem Vormarsch. Die Situation hat sich seit dem ukrainischen Vorstoß ins russische Grenzgebiet Kursk im August und der Verlegung von mehreren Brigaden aus der Ostukraine in das neue Operationsgebiet verschlechtert. Mehrere Kleinstädte konnten seither von russischen Truppen erobert werden.

Im Fall Wuhledar versuchte die russische Armee seit langem vergeblich, die Stadt einzunehmen, erlitt aber mehrmals hohe Verluste. Zuletzt gelang es den russischen Truppen, die zur Festung ausgebaute Stadt im Osten und Westen zu umgehen und nahezu einzukreisen. Russische Militärblogger gingen davon aus, dass in der Stadt noch einzelne versprengte ukrainische Soldaten seien.

Aus den Lageberichten des ukrainischen Generalstabs ließ sich die Entwicklung nur indirekt herauslesen. Er erwähnte am Dienstagmorgen noch Kämpfe um Wuhledar, in den Berichten für den Nachmittag und Abend aber schon nicht mehr. Die russischen Angriffe konzentrierten sich auf das nächstgelegene Dorf Bohojawlenka, hieß es.

Ukrainische Rüstungsindustrie stockt rasch auf

Für die Aufrüstung der ukrainischen Armee sind nach Worten Selenskyjs nicht nur staatliche Militärhilfen anderer Länder notwendig. "Für die Ukraine ist es absolut entscheidend, dass nicht nur Partnerländer, sondern auch Verteidigungsunternehmen aus der ganzen Welt zunehmend an einer Zusammenarbeit mit uns und unserer Verteidigungsindustrie interessiert sind", sagte er.

Es gebe Investitionen von außen in die ukrainische Rüstungsbranche wie auch ausländische Firmen, die in der Ukraine produzierten. "Die Ukraine stellt bereits Dinge her, die wir vorher nicht hatten, wie das Kaliber 155 und unsere Langstreckendrohnen, unsere Marinedrohnen." Neben anderen Rüstungsfirmen sind Rheinmetall aus Deutschland und die deutsch-französische KNDS in der Ukraine aktiv.

Die Ukraine werde bis Jahresende 1,5 Millionen Drohnen hergestellt haben, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal bei einer Regierungssitzung. Die Rüstungsproduktion des Landes habe sich im Vergleich zu 2023 verdreifacht. Bei dem Rüstungsforum sagte Selenskyj, sein Land habe im ersten Halbjahr dieses Jahres 25 Mal mehr Munition produziert als 2022. Die Ukraine habe auch eine eigene ballistische Rakete erfolgreich getestet.

Kiew vermutet Kriegsverbrechen

Die ukrainische Justiz vermutet aufgrund eines Videos die Ermordung von 16 ukrainischen Kriegsgefangenen durch die russische Armee. Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew sprach von einem mutmaßlichen Kriegsverbrechen. Sie teilte mit, auf Telegram-Kanälen sei am Dienstag ein Video aufgetaucht. Es sei angeblich an der Front nahe der umkämpften Stadt Pokrowsk aufgenommen worden. Zu sehen sei, wie ukrainische Soldaten aus einem Waldstück herauskommen, sich in Reihe aufstellen und dann erschossen werden. Sollte sich der Fall bewahrheiten, sei es nach Einschätzung von Generalstaatsanwalt Andriy Kostin der schlimmste Fall der Tötung ukrainischer Kriegsgefangener an der Front.

Russland nimmt angebliche Internet-Verschwörer fest

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben bei einer koordinierten Aktion 39 Menschen festgenommen, darunter mehrere Minderjährige. Es handele sich um Teilnehmer "destruktiver Internetgemeinschaften", die im Auftrag der Ukraine Gewalttaten in Russland hätten verüben sollen, hieß es. Gegen weitere mehr als 250 Personen werde ermittelt. Angeblich sollen sich die Verdächtigen über den Messenger Discord mit ihren ukrainischen Führungsoffizieren verständigt haben.

Russische Behörden warnen seit Monaten vor den angeblichen Anwerbungen, Medien berichten über einzelne Fälle. Moskau hat nach Beginn des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Verfolgung von Kriegsgegnern und Andersdenkenden im eigenen Land noch einmal verschärft.

@ dpa.de

Weitere Meldungen

Ukraine-Beratungen am Sonntag in Berlin An diesem Sonntag wollen außenpolitische Berater unter anderem der USA, der Ukraine und Deutschlands in Berlin ihre Gespräche über einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine fortsetzen. (Boerse, 13.12.2025 - 12:05) weiterlesen...

EU friert russisches Vermögen dauerhaft ein BRÜSSEL - Die EU hat eine wichtige Grundlage für die Nutzung von russischem Staatsvermögen für die Ukraine geschaffen. (Boerse, 12.12.2025 - 20:26) weiterlesen...

EU friert russisches Vermögen dauerhaft ein Die EU hat eine wichtige Grundlage für die Nutzung von russischem Staatsvermögen für die Ukraine geschaffen. (Boerse, 12.12.2025 - 19:22) weiterlesen...

Merz empfängt Selenskyj am Montag - Europäer kommen zusammen Im Ringen um einen Friedensplan für die Ukraine wird Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Montag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und zahlreiche westliche Spitzenpolitiker in Berlin empfangen. (Boerse, 12.12.2025 - 17:48) weiterlesen...

Arbeit an Friedensplan - Selenskyj zu Gesprächen in Rom Inmitten andauernder Arbeit am US-Friedensplan für die Ukraine wirbt Präsident Wolodymyr Selenskyj in Europa weiter um Unterstützung auf dem Weg zu einem Ende des russischen Angriffskrieges. (Boerse, 09.12.2025 - 23:13) weiterlesen...

Friedensplan geht an USA - Selenskyj zu Gesprächen in Rom KIEW/ROM - Nach der Überarbeitung des US-Friedensplans für die Ukraine wirbt Präsident Wolodymyr Selenskyj in Europa weiter um Unterstützung auf dem Weg zu einem Ende des russischen Angriffskrieges. (Boerse, 09.12.2025 - 20:19) weiterlesen...