Die Klimapläne der neuen schwarz-roten Bundesregierung sind nach Einschätzung von Fachleuten wenig ehrgeizig.
15.05.2025 - 12:27:56Expertenrat: Koalitionsvertrag liefert kaum Klima-Impulse
"Von Koalitionsvertrag geht kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 aus", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des sogenannten Expertenrats für Klimafragen, Brigitte Knopf, in Berlin. Der Vertrag von Union und SPD adressiert ihr zufolge "die maßgeblichen Problemfelder nicht explizit und bleibt an vielen Stellen vage".
Expertenrat schaut der Regierung auf die Finger
Allerdings erwarten die Experten auch nicht, dass die Vorhaben im Koalitionsvertrag zu deutlich mehr Emissionen führen - hier sei allenfalls ein leicht steigernder Effekt zu erwarten.
Der Expertenrat ist ein unabhängiges fünfköpfiges Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimaschutzpolitik überprüft und der Politik Anregungen gibt. Seine Aufgaben sind gesetzlich festgeschrieben. In seinem nun vorgestellten Bericht bestätigt das Gremium im Wesentlichen die Zahlen, die das Umweltbundesamt im März vorgestellt hatte.
Die Bewegung Fridays for Future verlangt von der Bundesregierung mehr Ehrgeiz. "Friedrich Merz und seine Regierung müssen in Sachen Klimaschutz über sich hinauswachsen und einen Tempowechsel hinlegen", erklärte Sprecherin Linda Kastrup. "Die Klimaziele können nur eingehalten werden, wenn die neue Bundesregierung weiter ambitionierte Maßnahmen umsetzt und nicht etwa die bereits erreichten Erfolge zurückdreht."
Das Klima profitiert von der Wirtschaftsflaute
In den Jahren bis 2030 wird Deutschland sein Emissionsbudget wohl einhalten. Im deutschen Klimaschutzgesetz ist festgelegt, wie viel Treibhausgase Deutschland zwischen 2020 und 2030 pro Jahr höchstens ausstoßen darf - alle jährlichen Mengen zusammen ergeben das Emissionsbudget. "Ohne den Puffer, der sich in den Jahren 2021 bis 2024 unter anderem durch Corona und die schwache Wirtschaft aufgebaut hat, wäre bis Ende 2030 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine deutliche Budgetüberschreitung zu erwarten gewesen", erklärte der Vorsitzende Hans-Martin Henning.
Aber das Ziel, im Jahr 2030 mindestens 65 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990, wird Deutschland nach Einschätzung der Experten verfehlen. Sorgen bereiten nach wie vor insbesondere die Sektoren Gebäude und Verkehr.
Der Wald hilft nicht mehr beim Klimaschutz
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können. Dieses Ziel wird Deutschland nach Einschätzung der Fachleute sogar sehr deutlich verfehlen.
Das liegt unter anderem daran, dass Treibhausgase nicht mehr im gleichen Maße wie früher in Wäldern oder Mooren gespeichert werden. Insbesondere der schlechte Zustand des Waldes spielt eine Rolle. Er gibt inzwischen mehr klimarelevante Gase ab, als er aufnimmt: Es geht also mehr Biomasse verloren als nachwächst.
Borkenkäfer und Dürren
Im vergangenen Jahr sei die CO2-Bilanz des Waldes neutral ausgefallen, weil es weniger Dürren und Borkenkäfer-Befall gegeben habe, sagte Ratsmitglied Marc Oliver Bettzüge. Es sei aber zu erwarten, dass der Wald in den kommenden Jahren eher zur CO2-Quelle als zum Speicher werde.
Die Bundesregierung muss sich deshalb aus Sicht der Experten dringend Gedanken darüber machen, was dafür getan werden kann, damit Naturflächen wieder mehr Treibhausgase speichern können und welche technischen Möglichkeiten es dafür geben kann.
Regierung hat ein Jahr Zeit für ihr Klima-Programm
Ein umfassendes Klimaschutzprogramm muss die schwarz-rote Bundesregierung laut Gesetz erst bis Ende März kommenden Jahres vorlegen. Darin muss sie erklären, was sie gegen die Zielverfehlungen beim Klimaschutz bis 2040 tun will. Bis dahin muss der Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 sinken.
In ihrem Programm sollte die Bundesregierung aus Sicht des Rats aber auch darlegen, wie Deutschland Klimaneutralität bis 2045 erreichen will - also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können.
Verfehlung europäischer Ziele könnte Milliarden kosten
Nach europäisch vereinbarten Vorgaben muss Deutschland seine Emissionen bis 2030 um die Hälfte senken - allerdings im Vergleich zu 2005. Seit dem vergangenen Jahr liegt Deutschland hier nach Berechnungen des Expertenrats nicht mehr auf Kurs. Die Ziellücke bis 2030 sei im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.
Das bedeutet, dass Deutschland dann Rechte zum CO2-Ausstoß von anderen europäischen Staaten kaufen muss. Wieviel das Deutschland kosten wird, ist noch nicht abzusehen. "Es wird aber vielfach angenommen, dass die Kosten mindestens in der Größenordnung von 50 bis 100 Euro pro Tonne CO2 liegen werden, möglicherweise auch höher", erwartet Sascha Samadi vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. "Dies würde bedeuten, dass Deutschland infolge seiner unzureichenden Emissionsminderungen insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäude bis 2030 mit Kosten in Höhe von mindestens 11 bis 22 Milliarden Euro rechnen muss."