Der Tod von Kremlgegner Alexej Nawalny in einem russischen Straflager hat weltweit Entsetzen ausgelöst.
17.02.2024 - 07:35:03Entsetzen ĂŒber Nachricht von Nawalnys Tod - Wut auf Putin
Viele Beobachter machten PrĂ€sident Wladimir Putin direkt fĂŒr den Tod seines 47 Jahre alten Kritikers verantwortlich, ĂŒber den am Freitag zuerst russische Staatsmedien unter Berufung auf den Strafvollzug berichtet hatten. Auch US-Staatschef Joe Biden wĂ€hlte scharfe Worte in Richtung Putin. Nawalnys ins Exil geflohenes Team teilte mit, dass es zwar keine Hoffnung mehr habe, dass der Oppositionspolitiker doch noch leben könnte. Dennoch werde es seinen Tod erst dann offiziell bestĂ€tigen, sobald ein Anwalt in Nawalnys Straflager im Ă€uĂersten Norden Russlands eingetroffen sei. Das wurde fĂŒr Samstagmorgen erwartet.
Mitarbeiter: Nawalny "höchstwahrscheinlich" tot
"Wir verstehen, dass es höchstwahrscheinlich so passiert ist, dass Alexej Nawalny getötet wurde. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit", sagte der im Exil lebende Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, am Abend wÀhrend einer Liveschalte auf Youtube. An seiner Seite saà Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch.
"Wir werden euch keine LĂŒgen erzĂ€hlen darĂŒber, dass es irgendeine Hoffnung gibt, dass sich morgen herausstellt, dass das nicht wahr ist", sagte der bekannte Nawalny-UnterstĂŒtzer. "Eine solche Chance ist geringfĂŒgig." Schdanow fĂŒgte hinzu: "Derzeit deutet alles darauf hin, dass sich tatsĂ€chlich ein Mord ereignet hat - der Mord an Alexej Nawalny im GefĂ€ngnis. Und getötet hat ihn (Wladimir) Putin."
Sprecherin Jarmysch betonte, dass das Team nach wie vor keine eigene BestĂ€tigung fĂŒr den Tod Nawalnys habe. Ein Anwalt sei gemeinsam mit Verwandten auf dem Weg zum Straflager im hohen Norden Russlands, werde dort aber voraussichtlich erst am Samstagmorgen eintreffen. "Bis zu diesem Moment können wir keine BestĂ€tigung bekommen. Deshalb können wir die Berichte all der Kreml-Nachrichtenagenturen darĂŒber, dass Nawalny tot ist, offiziell nicht bestĂ€tigen oder dementieren."
Biden: Putin ist verantwortlich fĂŒr Nawalnys Tod
US-PrĂ€sident Biden machte unterdessen Kremlchef Putin fĂŒr den Tod Nawalnys verantwortlich. Man wisse zwar nicht genau, was passiert sei, aber es gebe keinen Zweifel daran, dass der Tod Nawalnys eine Folge von Putins Handeln und dem seiner Verbrecher sei, sagte Biden im WeiĂen Haus. "Putin ist verantwortlich." Biden sagte weiter, er sei angesichts der Nachricht von Nawalnys Tod schockiert, aber nicht ĂŒberrascht.
Putin habe Nawalny vergiftet, ihn verhaften und wegen erfundener Verbrechen anklagen lassen, sagte der US-PrĂ€sident. Er habe ihn in Isolationshaft gesteckt. Doch all das habe Nawalny nicht davon abgehalten, LĂŒgen anzuprangern, sogar im GefĂ€ngnis. "Er war eine mĂ€chtige Stimme fĂŒr die Wahrheit", erklĂ€rte Biden mit Blick auf Nawalny, der 2020 nur knapp einen Giftanschlag ĂŒberlebte, sich anschlieĂend in Deutschland erholte und 2021 nach seiner RĂŒckkehr nach Russland inhaftiert wurde.
Scholz: Nawalny bezahlte "Mut mit seinem Leben"
Auch viele europĂ€ische Politiker reagierten entsetzt. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte: "Wir wissen aber nun auch ganz genau, spĂ€testens, was das fĂŒr ein Regime ist", sagte der SPD-Politiker. Er erinnerte bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen PrĂ€sident Wolodymyr Selenskyj daran, wie er Nawalny in Berlin getroffen habe, als dieser sich in Deutschland von dem Giftanschlag zu erholen versucht habe. Dabei habe er mit Nawalny auch ĂŒber den groĂen Mut geredet, den es erfordere, wieder zurĂŒckzugehen in das Land. Scholz: "Und wahrscheinlich hat er diesen Mut jetzt bezahlt mit seinem Leben."
Kreml bezeichnet westliche Reaktionen als "ĂŒberdreht"
Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Reaktionen westlicher Politiker derweil als "ĂŒberdreht" und "inakzeptabel". Es gebe noch keine genauen Informationen von Medizinern, Gerichtsmedizinern oder dem Strafvollzug, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Trotzdem gebe es bereits Reaktionen aus dem Westen. "Es ist offensichtlich, dass das absolut ĂŒberdrehte und absolut inakzeptable Aussagen sind. Sie sind inakzeptabel", kritisierte Peskow demnach. "Mehr habe ich zu diesem Thema nicht zu sagen."
Nawalnys Frau ruft zum Kampf gegen russischen Machtapparat auf
Nawalnys Frau Julia Nawalnaja wiederum rief zum Kampf gegen Putins Machtapparat auf. "Ich möchte die gesamte internationale Gemeinschaft, all diejenigen in der Welt, die jetzt zuhören, dazu aufrufen, zusammenzustehen und dieses Böse zu besiegen, dieses furchtbare Regime, das heute ĂŒber Russland herrscht", sagte Nawalnaja in einer kurzfristig anberaumten Rede bei der MĂŒnchner Sicherheitskonferenz. "Dieses Regime und Wladimir Putin persönlich sollten zur Verantwortung gezogen werden fĂŒr all diese GrĂ€ueltaten, die sie in den letzten Jahren in meinem Land, in unserem Land Russland verĂŒbt haben."
Weltweites Gedenken an Nawalny - auch in Russland
Die Nachricht von Nawalnys Tod verbreitete sich rasant - und löste weltweit Trauer, Schock und Wut aus. In vielen verschiedenen LĂ€ndern brachten Menschen Blumen und organisierten spontane Kundgebungen. Vor der russischen Botschaft in Berlin etwa versammelten sich mehr als 1000 Menschen. Auch in Hamburg, DĂŒsseldorf und weiteren deutschen StĂ€dten gab es Proteste.
Selbst in Russland, wo Proteste Ă€uĂerst hart unterdrĂŒckt werden, trauten sich vielerorts Dutzende Menschen auf die StraĂen. Trotz eines hohen Polizeiaufgebots standen beispielsweise im Moskauer Stadtzentrum Menschen zwischenzeitlich Schlange, um Blumen an einer Gedenkstelle fĂŒr Opfer politischer Repression abzulegen. Auch aus St. Petersburg, Jekaterinburg, Nischni Nowgorod und mehreren anderen Orten gab es Ă€hnliche Bilder. Manche Leute brachten Fotos von Nawalny mit, einige weinten und lagen sich in den Armen. Die Polizei ging hart gegen trauernde UnterstĂŒtzer vor. In mehreren russischen StĂ€dten, unter anderem in Moskau, wurden bis zum spĂ€ten Freitagabend mehr als 100 Menschen bei Gedenkveranstaltungen festgenommen, wie die BĂŒrgerrechtsorganisation Ovd-Info mitteilte.
"Gebt nicht auf!" - Russen machen sich mit alter Nawalny-Aussage Mut
Viele kritische Russen machten sich darĂŒber hinaus in sozialen Netzwerken mit einer frĂŒheren Aussage des Kremlgegners Mut. Unter anderem auf Instagram, Telegram und X (frĂŒher Twitter) teilten zahlreiche Menschen und Medien einen Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Nawalny" des kanadischen Regisseurs Daniel Roher, der zwar erst im Jahr 2022 erschien, aber teils noch vor der Inhaftierung des Oppositionellen Anfang 2021 gedreht worden war.
Der Putin-Gegner wird in dem mit mittlerweile mit einem Oscar ausgezeichneten Film gefragt: "Alexej, falls du verhaftet und ins GefĂ€ngnis gesteckt wirst oder falls das Undenkbare eintritt und sie dich töten: Welche Botschaft wirst du dem russischen Volk hinterlassen?" Nawalny antwortet daraufhin: "FĂŒr den Fall, dass ich getötet werde, ist meine Botschaft sehr einfach: Gebt nicht auf!"